Motorrad-Unikat aus dem Jahr 1932 wird fürs „Radwerk“ restauriert

In der Kellerwerkstatt von Ralf Heinz stapeln sich die Ersatzteile vieler Motorräder, sodass es schwer ist, den Überblick zu behalten. „Ich weiß, was ich habe, nur manchmal nicht, wo ich es finde“, sagt der Hobbyschrauber mit Augenwinkern. Dazu riecht es, wie es in einer echten Schrauberwerkstatt riechen muss: Ein Gemisch aus Öl, Benzin und Lösungsmittel hängt in der Luft.
Klein-Auheim – Und mittendrin steht der neue Schatz des Klein-Auheimer Heimat- und Geschichtsvereins (HGV): ein Bauer-Motorrad von 1932.
Das gute Stück ist ein Vorserienmotorrad. Ein Unikat, das den Start für die Motorradproduktion der Klein-Auheimer Bauer-Werke bedeutete. Eigentlich ein etwas verstärktes Fahrrad mit kleinem Motor und zwei Kettenblättern, weil man damals Sorge hatte aus Benzinmangel liegen zu bleiben. „Dann kann man immer noch mit Pedalkraft weiterradeln“, erklärt Heinz.
Gefunden wurde das Unikat von Detlef Hellmann, ehemaliger Klein-Auheimer Pfarrer und seit einigen Jahren Leiter des des Heimat- und Geschichtsvereins im Radwerk an der Gutenbergstraße- Dank der gut vernetzten Bauer-Freude kam eines Tages ein Anruf aus Buchbach in Oberbayern. Der Anrufer bot das seltene Gefährt an. Hellmann fuhr kurzerhand hin und holte es ab.
Seit zwei Jahren steht es in der Kellerwerkstatt von Ralf Heinz und wartet auf die Restaurierung. „Es war in einem erbarmungswürdigen Zustand“, sagt Heinz und das Bauer-Expertenteam um Jörg Schulisch und Alexander Gaul stimmen zu.
Dabei hatte sich der Vorbesitzer schon einmal an eine Restaurierung gewagt. Allerdings muss dabei ziemlich viel schief gegangen sein. Gewinde kaputt, wichtige Teile fehlten, falsch zusammengebaut, um nur ein paar Dinge zu nennen.
Für die Klein-Auheimer Bauer-Experten war klar: Sie wollten das Motorrad wieder fahrbereitmachen und es so herrichten wie vor 90 Jahren war, als in den Klein-Auheimer Bauer-Werken Fahrräder und Motorräder produziert wurden.
Ein großes Projekt. „Das Motorrad hat es mir ziemlich schwer gemacht“, sagt Ralf Heinz. Viele Mängel wurden erst nach und nach sichtbar. Rost in der Gabel etwa, vermurkste Gewinde, ein fehlender Ständer, der neu gearbeitet werden musste. Auseinanderbauen, zusammenbauen, wieder zerlegen, sandstrahlen, schweißen, füllern (das meint das Ausfüllen der Schleifriefen), lackieren, schleifen, erneutes Füllern und Schleifen und Linieren, um nur ein paar Arbeitsschritte zu nennen. Linieren ist das Auftragen der feinen Linien auf Schutzblechen und Rädern, seinerzeit von Spezialisten mit einem feinen Dachshaarpinsel von Hand gemacht. Wahre Kunst. Und hier liegt auch ein Teil der Faszination, die das Bauer-Expertenteam angesichts der alten Motorräder spürt. „Es ist erstaunlich, was mit den damals bekannten Werkzeugen bereits gemacht werden konnte“, sagt Alexander Gaul anerkennend. „In jenen Tagen wurde etwas qualitativ Hochwertiges hergestellt, das lange halten sollte“, ergänzt Schulisch, der mit seiner Sammlung von Bauer-Zweirädern den Grundstein zur Ausstellung im Radwerk legte.
Die Restaurierung des Motorrades sei vergleichbar mit einer archäologischen Ausgrabung, sagen die Experten. Die Restaurateure forschten nach altem Bildmaterial, durchstöberten das Internet nach Hinweisen, befragen Gleichgesinnte. Ein Zündapp-Motor soll in einem frühen Modell verbaut sein. Später allerdings ein Sachs-Motor. Warum der Wechsel?, fragen sich die Restaurateure. Wieder wird gesucht und geforscht. Alte Rechnungen, durch Zufall aufgetaucht, geben Aufschluss. Nicht der Preis gab den Anstoß zum Wechsel des Motorenherstellers, sondern technische Gründe. Ein Stück Industriegeschichte wird so lebendig und verdeutlicht den Entwicklungsprozess.
In einigen Tagen wird das Bauer Motorrad von 1932 in altem Glanz erstrahlen. Beim Sommerfest des Heimat- und Geschichtsverein am Samstag, 9. Juli, soll es übergeben werden. „Pure Freude und ein Gefühl von Stolz“, sagt Jörg Schulisch und Ralf Heinz nickt, um ihre Gefühle zu beschreiben.
Denn in den 33 Produktionsjahren der Bauer-Motorräder wurden nur 40 000 Motorräder hergestellt. Als Heinz vor zehn Jahren in einem Oldtimermagazin einen Bericht über Bauer las, war es um ihn geschehen. Sieben verschiedene Modelle soll es gegeben haben, sagte man ihm damals. Ein Irrtum, wie er feststellte. „Es sind 25“, sagt er. 23 Bauer-Motorräder nennt Heinz sein Eigen. Zwei fehlen noch, um die Modellsammlung komplett zu machen. Danach forscht und sucht er seit vielen Jahren.
Von Matthias Grünewald