Nach Zünder-Problemen mit Hanauer Bombe setzen Experten den Plan B um

Am Tag danach war der Mann, der mit seinem Team dafür gesorgt hat, dass der Bombenfund auf dem Heraeus-Gelände ein gutes Ende nahm, schon wieder draußen. Nach dem langen Bomben-Abend in Hanau und der Sprengung der 250-Kilo-Fliegerbombe stand für Alexander Majunke schon der nächste Einsatz an.
Hanau - Am Abend zuvor wurde Majunke, der den für ganz Hessen zuständigen Kampfmittelräumdienst leitet, in der Main-Kinzig-Halle mit Beifall bedacht. Das war kurz nach 20.30 Uhr. Wenige Minuten zuvor hatte Majunke die britische Weltkriegsbombe kontrolliert gesprengt. Nicht nur in der Halle, die als Notquartier für Menschen eingerichtet war, die nicht in ihre Wohnungen in der Sicherheitszone durften, war bereits Ungeduld aufgekommen. Immerhin dauerte die Evakuierungszeit am Ende mehr als zwölf Stunden. Als Oberbürgermeister Claus Kaminsky den Wartenden Majunke vorstellte, war der Beifall für den Bombenexperten nicht nur Anerkennung für dessen Arbeit, sondern wohl auch Ausdruck der Erleichterung darüber, dass alles glattgegangen ist. „Der Einsatz in Hanau war schwierig und knifflig, aber nie außer Kontrolle“, sagte gestern Christoph Süß, Sprecher des Regierungspräsidiums (RP) Darmstadt. Der hessische Kampfmittelräumdienst, der jährlich zu 500 Funden von Bomben, Granaten oder Munition gerufen wird, ist beim RP angesiedelt.
Als Majunke und sein Team am Mittwochnachmittag mit der Entschärfung der britischen Fliegerbombe auf dem Heraeus-Gelände beginnen wollten, gab es plötzlich eine Verzögerung. Zwar hieß es kurz vor 13.30 Uhr, die 750-Meter-Sicherheitszone im Umkreis der Bombe sei geräumt. 16 000 Menschen waren betroffen. Doch dann tauchte nach Informationen unserer Mediengruppe unweit der Dialyse-Einrichtung des Klinikums unvermittelt ein Mann auf. Erst nachdem er aus dem Sperrbereich gebracht worden war, konnten die Bombenexperten loslegen. „Bei einer solchen Fliegerbombe werden die beiden mechanischen Aufschlagzünder üblicherweise mithilfe sogenannter Raketenklemmen gelöst“, erläuterte RP-Sprecher Süß, der in Hanau vor Ort war. Diese werden aus der Ferne gezündet und erzeugen einen Dreheffekt, durch den der Zünder gelockert und dann entfernt werden kann. Beim ersten Zünder funktionierte das. Beim zweiten nicht. Er lockerte sich nicht, so Süß, „weil er wohl stark korrodiert oder verformt war“. Folglich musste Plan B umgesetzt werden, den Majunke dem Krisenstab bei einer neuerlichen Zusammenkunft am Nachmittag erläuterte: die kontrollierte Sprengung der Bombe.
Dank an die vielen Helfer
Mit einer aufwendigen Logistik wurde nach dem Bombenfund die bisher größte Evakuierung in Hanau organisiert. Ein Teil der Innenstadt war für über zwölf Stunden gesperrt. Am Mittwoch hieß es, 550 Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste seien im Einsatz. Die Zahl wurde mittlerweile auf 700 korrigiert. Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) dankte im Namen der Stadt und der Bürger den Firmen Heraeus und VAC (Vacuumschmelze) sowie deren Werksfeuerwehren, der Polizei, der Berufsfeuerwehr Hanau, DLRG, THW und den Rettungsdiensten von DRK, ASB und Johanniter Unfallhilfe, Regierungspräsidium Darmstadt, Stadtwerken Hanau, Hanau Netz, Deutscher Bahn, HSB, dem Main-Kinzig-Kreis, dem Ordnungsamt, der Verkehrsbehörde sowie den Eigenbetrieben Kindertagesbetreuung und Immobilien- und Baumanagement.
Oberbürgermeister Kaminsky gestern: „Das Zusammenspiel vieler starker Partner hat zu dem erhofften und gewünschten Ergebnis geführt.“ cs.
„Das bedarf einer gewissen Vorbereitung“, erläuterte Süß. So erklärt sich die Verzögerung. Der Blindgänger wurde zur Dämpfung sorgsam in einen Erdhaufen, in Wasserpads und reichlich feinen Sand „eingebettet“ – und dann mittels einer an der Bombe angebrachten Sprengladung zur Detonation gebracht. Die war um 20.20 Uhr weithin im Stadtgebiet zu hören. Kurz darauf wurden die Absperrungen aufgehoben, die Menschen konnten zurück in ihre Wohnungen.
Der Rücktransport von Gehbehinderten und Hilfsbedürftigen, die in der Früh von Rettungs- und Sanitätsdiensten in Hallen wie das Bürgerhaus Wolfgang gebracht worden waren, lief am Mittwoch bis gegen 22 Uhr, so Stadt-Sprecher Dominik Kuhn. Auch im Klinikum Hanau, das wie berichtet zu weiten Teilen evakuiert wurde, wurden bis in die Nacht hinein Patienten zurückverlegt. Gestern kehrten außerdem Kranke ins Stadtklinikum zurück, die wegen der Bombenentschärfung kurzzeitig nach Hause geschickt oder in Krankenhäuser in Offenbach, Langen, Frankfurt, Gelnhausen und ins Hanauer St. Vinzenz verlegt worden waren.
(Von Christian Spindler)

