Hanauer Wochenmarkt: Nur der Spargel wird billiger

Manfred Albrecht wird ob des Verkaufsdrucks hin und wieder mal laut. „Zwei Kilo Spargel zehn Euro, ihr Leut’ kauft!“, ruft er dem vorbeigehenden Marktpublikum zu – und manch einer der „Leut’“ lässt sich bei dem Angebot vom Markttender aus Hanau gerne eine Tüte füllen.
Hanau - „Es gibt derzeit massig Spargel, der muss jetzt weg“, sagt Albrecht. Das weiße Stangengemüse bezieht er von einem Bauern im südhessischen Lampertheim, erzählt er seinen Kunden – auch ohne zur Herkunft gefragt zu werden.
Das bedeutet jedoch nicht, dass den Konsumenten die Herkunft egal ist. „Wir beziehen unseren Spargel seit Jahren von einem kleinen Bauern in Weiterstadt, und die Kunden kommen deswegen zu uns“, sagt Elisabeth Wissel, die mit ihrem Bruder Frank ebenfalls einen Obst- und Gemüsestand auf dem Wochenmarkt betreibt. Morgens vor Marktbeginn liefere der Landwirt die Ware, die sich gegenwärtig eher dicklich als schlank zeigt. „Das ist witterungsbedingt“, sagt Wissel. Die Wärme und die viele Feuchtigkeit habe dem Spargel einen ordentlichen Wachstumsschub gegeben. Nicht nur kräftig ist der Stängel, sondern dadurch auch zahlreicher als sonst auf dem Acker zu finden.
Das schlägt sich auch im Preis nieder. Am Mittwoch lag der durchschnittliche Preis je nach Handelsklasse bei 5,50 bis 6,90 Euro pro Kilogramm. „In der Osterwoche kostete der Spargel noch mehr als doppelt so viel“, sagt Wissel. Ein paar Meter weiter sieht Obst- und Gemüseverkäufer Christian Heininger diese Entwicklung nicht nur im aktuellen Überangebot begründet. „Es ist auch das Kaufverhalten der Leute“, sagt er. „Mit Beginn der Saison will jeder Spargel haben, aber es ist noch nicht genug da. Jetzt läuft die Spargelzeit eben schon eine Weile. Die Leute haben erst einmal genug. Gegen Saisonende zieht die Nachfrage gewöhnlich etwas an“, sagt er.
Allerdings sind es bis dahin noch ein paar Wochen. Traditionell werden die Spargelberge auf dem Hanauer Wochenmarkt nach dem Johannistag am 24. Juni verschwunden sein. Dann stechen die Bauern mit ihren Erntehelfern nicht mehr die Triebe der krautigen Pflanze, die sich unter Lichteinfluss schnell dunkel färben. Marktfrau Wissel, die einräumt, Spargel in verschiedenen Varianten sehr gerne zu essen, ist auch ein bisschen erleichtert, wenn Schluss ist. „Spargel ist ein schwieriges Gemüse“, erklärt sie. „Man muss es Stange für Stange sorgfältig auf dem Standtisch platzieren, Bohnen kann man dagegen einfach aus der Kiste ausschütten“, sagt sie.
Dass das Gewächs auch für manchen Genießer ein arbeitsreicher Geselle ist, wissen Horst König, Lothar Oberesch und Hartmut Ehrich vom Köcheverein Hanau und Main-Kinzig, die an diesem Markttag für die Kunden unentgeltlich oder gegen eine Spende die frisch gekaufte Ware flink schälen. Nein, zu viel Arbeit sei ihr das nicht, sagt Renate Balke aus Neuberg, die gerade ihr weißes Bündel dem Trio anvertraut hat. „Aber ich gönn’ mir das mal“, sagt sie lächelnd zum Service. Die Profihände haben nach kurzer Zeit die Arbeit verrichtet. Balke lässt einen freiwilligen Obolus und die Schalen zurück, Letzteres ist jedoch viel zu schade für die braune Tonne.
„Aus den Schalen lässt sich ein kräftiger Fond machen, der einer Spargelsuppe den richtigen Pep gibt“, sagt Hartmut Ehrich. Für viele Spargelfreunde sei das Schälen in der Tat ein mühseliges Geschäft, heißt es. Damit von dem teuren Gemüse nicht zu viel verloren gehe, müsse das Abziehen zudem in dünnen Schichten erfolgen. „Am besten mit einem Spargel- oder Kartoffelschäler“, sagt Horst König. Die Haut nicht zu entfernen, sei keine gute Idee. Auch nach dem Kochen sei sie immer noch zäh. „Beim grünen Spargel gehen jedoch die Meinungen auseinander“, sagt er. Seit drei Wochen biete der Verein nur mittwochs auf dem Markt den Service an. „Pro Tag gehen zwischen 50 bis 80 Kilogramm durch unsere Hände“, sagt König.
Längst sei der Spargel nicht allein die Beilage zum Schnitzel oder der Wickelkern für Schinkenscheiben mit Hollandaise darüber. „Spargel ist ein vielseitiges Gemüse, das auch zu Lachsfilet oder Sojasteaks passt“, sagt Koch Ehrich. Auch in der Zubereitung gebe es kaum Grenzen, selbst Anbraten sei davon nicht ausgenommen. Der Spargel habe daher auch in der modernen Küche eine Zukunft.
Ob er die bei den Bauern haben wird, zeigt sich vermutlich in den nächsten Jahren. Laut Hessischem Rundfunk sollen einige südhessischen Landwirte bereits angekündigt haben, dass es mit Spargel für sie womöglich bald vorbei sei. Der Ertrag sei ob des hohen Aufwands und der gesunkenen Nachfrage nach dem hochpreisigen Gemüse in Zeiten allgemeiner Teuerung nicht mehr lohnenswert. Diese Landwirte sehen in Ölpflanzen wie Sonnenblumen eine Zukunft, so der hr.
In den einstigen Spargelhochburgen des Main-Kinzig-Kreises ist das Stangengemüse hingegen schon weitgehend Geschichte – etwa auf Rodenbachs sandigen Feldern, dort wächst derzeit der Beton. Vielleicht werden daher die Herren vom Köcheverein in ein paar Jahren Spargel aus Mexiko oder China unter ihren Schälern haben.
Von Detlef Sundermann
