Opulentes Buch der IGHA über 20 Jahre Stadt- und Vereinsgeschichte

Die Interessengemeinschaft Hanauer Altstadt (IGHA), bekannt als einer der rührigsten Vereine in Hanau, kann dieses Jahr auf ihr 20-jähriges Bestehen zurückblicken. Beim traditionellen Jahresempfang vor wenigen Tagen (wir berichteten) wurde nicht nur ausführlich dieses Jubiläums gedacht, es wurde auch eine Festschrift präsentiert, in welcher der Verein stolz Bilanz einer ereignisreichen Zeit zieht.
Hanau – Von herkömmlichen Publikationen dieser Art unterscheidet sich diese Chronik deutlich: Es handelt sich nämlich um ein veritables Buch von über 300 Seiten, fest gebunden und anspruchsvoll gestaltet, an dem mehr als drei Dutzend Autoren mitgewirkt haben. Die IGHA unterstreicht damit auch selbstbewusst, dass sie ein ganz ungewöhnlicher Verein ist. Die Breite der abgehandelten Themen spiegelt denn auch ein weites Spektrum an Bereichen, in denen die IGHA etwas beizutragen, etwas zu sagen hatte und hat. Und in der Qualität der Autoren zeigt sich, dass man nicht allein der Selbstvergewisserung halber eine Jubiläumsschrift herausgebracht hat: „Was Bürgersinn bewegen kann“ ist der Titel und formuliert zugleich Anspruch und Selbstverständnis der IGHA.
Dass die IGHA zu Hanaus Stadtkultur dereinst so vielfältig beitragen wird, das war ihr beileibe nicht in die Wiege gelegt. Nach dem Spektakel des Neustadtjubiläums 1997 drohte wenig später das 2003 anstehende Stadtrechtsjubiläum in der damals gerade tobenden Diskussion um die Hanauer Festkultur unterzugehen. Doch dies – und das war neu – nahmen die Altstadtbürger und geschichtsbewusste Hanauer nicht nur nicht einfach hin, sondern gleich in die eigene Hand. Und aus der Verwirklichung des Altstadtjubiläums 2002/2003 durch die IGHA erwuchs ein bis dahin nicht gekannter Bürgergeist. Nicht mehr als Konsumenten von Festivitäten verstanden sich die Akteure, nicht mehr als Bittsteller an die städtische Obrigkeit, sondern als aktive Teilnehmer, als Beiträger zum aktuellen Geschehen in ihrer Stadt und zum historischen Prozess der Stadtentwicklung.
Die frühen Jahre unseres Jahrhunderts waren für Hanau ohnehin eine echte Zeitenwende, ein Aufbruch, der sich im Stadtbild unserer Tage deutlich zeigt, aber sich schon bei der Landesgartenschau 2002 abgezeichnet hatte. Konversion, Stadtumbau und Stadtmodernisierung waren große Aufgaben an der Schwelle des 21. Jahrhunderts, deren Lösung neue Wege erforderte.
Beispiel: Wettbewerblicher Dialog. Die IGHA verstand es, sich in dieses neue Modell der Kommunikation, der Entscheidungsfindung einzubringen, der viel zitierte „mündige Bürger“ machte in Sachen Altstadtbelebung und Stadtumbau fortan seinem Namen Ehre, sprich: Er tat den Mund auf.
Und so öffnen sich dem Leser nun, umfangreich bebildert, in einer Art Zeitkapsel zwei Dekaden der jüngsten Hanauer Stadtgeschichte. Das Themenspektrum deckt dabei den gesellschaftlichen Diskurs geradezu exemplarisch ab. Ausführlich etwa ist der Wettbewerbliche Dialog im Zuge der Freiheitsplatz-Gestaltung, welche dem Hanauer Zentrum ein neues Gesicht geben sollte, dargestellt. Nirgendwo sonst ist dieser Prozess bisher so ausführlich dokumentiert. Die Belebung der Altstadt durch neue Märkte, aber auch durch städtische Aktivitäten seitens eines engagierten Gartenamtsleiters, die Intensivierung der Hanauer Musikszene von Jazz bis Paul Hindemith, all dies waren und sind Themen der IGHA. Nicht zu vergessen die rund 1000 Bildungsveranstaltungen des Vereins in Form von Vorträgen und Lehrgängen, durchgeführt in enger Kooperation mit dem Hanauer Geschichtsverein und der Volkshochschule.
Hier reichen die Themen von Hanauer und Weltgeschichte über Literatur bis hin zu technischen Zukunftsfragen wie innovativer Energieversorgung. Wer also künftig darüber forscht oder einfach etwas wissen will, der wird um diese Festschrift nicht herumkommen.
Ausführlich dokumentiert werden auch die Ausstellungen der IGHA zur Vita bedeutender Hanauer von Marion Matthäus, über Rolf Rafflewski, Gerhard Bott und Günter Ludwig bis Rainer Bange. Und last but not least geht es um die neue Silhouette der Altstadt: Mit der Wiederherstellung der am 19. März 1945 zerstörten Turmhaube der Johanniskirche hat die IGHA nicht nur das Stadtbild „restauriert“ und sinnbildlich den Wiederaufbau der total zerstörten Innenstadt im Zweiten Weltkrieg zu Ende gebracht, sondern auch sich selbst ein symbolhaftes Wahrzeichen gegeben.
Weitere Infos
„Was Bürgersinn bewegen kann – 20 Jahre Interessengemeinschaft Hanauer Altstadt e.V.“, 310 Seiten mit 50 Beiträgen und zahlreichen Fotos ist für 28 Euro im Buchhandel erhältlich.
Von Werner Kurz