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Polizisten mit Beil bedroht - Hanauer berichtet von Halluzinationen

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Von: Thorsten Becker

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Ein 36-Jähriger muss sich vor dem Hanauer Landgericht verantworten, weil er Polizisten mit einem Beil bedroht hat. Er berichtet über Halluzinationen.

Hanau - „Er war am Ende so nahe, dass ich dachte, ich müsste jetzt auf ihn schießen.“ Der 28-jährige Polizeioberkommissar von der Wache am Freiheitsplatz in Hanau schildert an diesem Freitagmorgen sehr exakt, was er und seine Kollegen an der Auheimer Straße in Höhe der Hauptbahnhof-Rückseite erlebt haben.

Er berichtet als Zeuge vor dem Landgericht über den Einsatz 23. Februar dieses Jahres, gegen 19 Uhr. Zusammen mit seinem Dienstgruppenleiter sowie weiteren Streifen ist der Schutzmann sofort losgefahren. Denn die Meldungen von verängstigten Bürgern, die über den Notruf kommen, sorgen für Großalarm.

„Anrufer haben uns mitgeteilt, dass ein Mann in der Großauheimer Waldsiedlung mit einem Beil hantiere und dann in einen Bus der Linie 7 eingestiegen sei“, schildert der Oberkommissar. Plötzlich entdecken sein Kollege und er den Bus. Nächste Haltstelle: Hauptbahnhof.

Hanauer Polizist als Zeuge: „Solche Menschen können unberechenbar sein“

„Wir haben hinter dem Bus gehalten, jeder hat eine Seite übernommen“, so der 28-Jährige, der die aussteigenden Fahrgäste genau beobachtet. „Plötzlich ist der Mann ausgestiegen. Die Beschreibung, die wir über Funk bekommen haben, passte genau.“

Die ersten Sekunden des Aufeinandertreffens wird der Beamte nicht mehr vergessen. „Ich habe ihn angesprochen. Der Mann griff in seine Jacke, hat das Beil gezogen, es über seinen Kopf gehalten und ist langsam auf mich zugekommen . . . ich stand mit dem Rücken zum Bus.“ Innerhalb von Sekunden entscheidet er zwischen Warnschuss, gezieltem Schuss oder Deeskalation.

Doch der 28-Jährige reagiert souverän, weicht zunächst aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich. „Dann hat mein Dienstgruppenleiter übernommen und den Mann in ein Gespräch verwickelt“, sagt der Beamte aus. Und dieses „Gespräch“ dauert schließlich fast 90 Minuten, denn der inzwischen als 36-jähriger Großauheimer identifizierte Mann will partout das Beil nicht aus der Hand geben. „Er hat die ganze Zeit über wirre Sachen erzählt, total irrational.“ Und genau aus diesem Grund befinden sich die Polizisten in höchster Alarmbereitschaft. „Wir wissen aus Erfahrung, dass solche Menschen unberechenbar sein können.“

Hanauer vor Gericht: 2018 in Großkrotzenburg Kraftwerk eingebrochen

Inzwischen kreist ein Polizeihubschrauber über dem Ort des Geschehens. Das Sondereinsatzkommando (SEK) aus Frankfurt rückt an. „Als er dann endlich das Beil vor sich gelegt hat, haben zwei SEK-Kollegen ihn überwältigt.“ „Wussten Sie denn etwas über den Mann“, hakt der Vorsitzende Richter Dr. Mirko Schulte nach. „Ja, wir hatten die Mitteilung, dass es schon einmal einen Fall gegeben hat.“

Das war im Mai 2018 auf dem Gelände des Großkrotzenburger Kraftwerks Staudinger. Dort stellten Polizisten den 36-Jährigen, als er über den Zaun geklettert war, bewaffnet mit Messer und Hammer, mit denen der die Beamten bedrohte. Mit einem gezielten Schuss in den Hals-Schulterbereich machte ihn ein Polizist kampfunfähig.

In einem normalen Strafverfahren würde der 36-Jährige nun als Angeklagter gelten. Doch dieser Fall ist alles andere als normal. Und deshalb geben sich Gericht sowie sein Verteidiger Clemens Brendel auch viel Mühe mit ihm. Denn der Mann ist „Beschuldigter“ und Staatsanwalt Torben Angene trägt gegen ihn keine Anklageschrift, sondern einen Antrag vor. Im Klartext: Der Großauheimer hat wohl im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Er sitzt seit seiner Festnahme im psychiatrischen Gefängniskrankenhaus von Haina.

Weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit einen Polizisten mit einem Beil bedroht haben soll, muss das Landgericht nun einen Großauheimer entscheiden.
Weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit einen Polizisten mit einem Beil bedroht haben soll, muss das Landgericht nun einen Großauheimer entscheiden. © Symbolfoto: Thorsten Becker

Beschuldigter: Werde verfolgt, ständig angegriffen und von Zahnärzten „gefoltert“

Er redet wie ein Wasserfall, berichtet der Kammer von seinem Lebensweg. Als Kind und Jugendlicher sei alles normal verlaufen bis zum Fachhochschulstudium. Doch dann seien bei ihm Gedächtnislücken aufgetreten. „Es waren immer nur dunkle, schwarze Bilder.“ Dann seien ständige Halluzinationen dazugekommen. Er werde immer noch von „Schemen“ verfolgt und ständig angegriffen, von Polizisten festgenommen und von Zahnärzten „gefoltert“.

Deshalb müsse er sich wehren – über bizarre Schreie und Drohungen vom Balkon hatten auch besorgte Anwohner aus der Waldsiedlung nach der Festnahme des 36-Jährigen berichtet. Und der liefert auch einen wichtiges Indiz, das helfen könnte, den Vorfall vom Februar rational zu erklären: „Ich hatte mehrere Wochen meine Medikamente nicht genommen.“

Hanau: Empfehlung des psychiatrischen Sachverständigen entscheidend

Bis zu einer Entscheidung über die Zukunft des 36-Jährigen werden die fünf Richter der 1. Großen Strafkammer noch weitere Zeugen vernehmen. Der wichtigste dürfte der psychiatrische Sachverständige sein, der in seinem Gutachten Empfehlungen gibt und einschätzt, ob der Großauheimer eine Gefahr für die Allgemeinheit ist. (Von Thorsten Becker)

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