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Puppenspieler schreibt ein Buch über das Hanauer Marionettentheater

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Von: Kerstin Biehl

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Roland Richter ist Nachfahre einer Hanauer Marionettenspieler-Familie. Der 60-Jährige ist mit Puppen wie König Lear groß geworden.
Roland Richter ist Nachfahre einer Hanauer Marionettenspieler-Familie. Der 60-Jährige ist mit Puppen wie König Lear groß geworden. © Patrick Scheiber/Kerstin Biehl

Als Roland Richter das Hanauer Marionettentheater 2010 voller Tatendrang von seinen Eltern übernahm, wusste er freilich nicht, dass Jahre später eine weltweite Pandemie seinen Theaterbetrieb lahmlegen würde.

Hanau – Richter nutzte diese Zeit des gezwungenen Nichttuns – und schrieb ein Buch. Auf 356 Seiten erzählt der gebürtige Hanauer „Aus dem Leben eines Puppenspielers“ und blickt dabei auf die in seiner Familie von Generation zu Generation weitergegebene Puppenspielkunst zurück.

In den vergangenen 30 Jahren, sagt Richter, habe er zu dem Buch „zum Teil beiläufig und zum Teil zielgerichtet recherchiert.“ Herausgekommen ist ein Streifzug durch die fast 300 Jahre lange Marionettentheater-Geschichte seiner Familie.

Richter hat zur Veröffentlichung bis dato nicht den Weg über einen Verlag gesucht, sondern zunächst wenige Exemplare selbst in Auftrag gegeben. Auch Layout und Grafik hat er selbst übernommen. Genauso hat er die verwendeten – zeitgenössischen – Fotos selbst aufgenommen. Denn Richter ist auch Fotograf. Zudem Reisejournalist, Reiseleiter und er betreibt ein kleines Reiseunternehmen in Bad Nauheim, wo er seit 2015 zuhause ist.

„Wir hatten in Hanau und mit Hanau, seit meine Eltern 1968 das Hanauer Marionettentheater gegründet haben, schöne und ereignisreiche Jahre“, sagt Richter. „Auch wenn es sich um ein mobiles Theater gehandelt hat, war doch Hanau immer das Zentrum. Somit ist unser Theater im Prinzip ein Stück Hanauer Stadtgeschichte geworden.“

Richter, der in der Antoniterstraße aufgewachsen ist, erinnert sich, dass es ihm als kleines Kind untersagt war, die Marionetten seiner Eltern anzufassen oder gar mit ihnen zu spielen. „Aber natürlich habe ich mich heimlich mit ihnen angefreundet, als die Eltern nicht zuhause waren. Sie wurden in der Tat meine besten Freunde. Denn ich war ein eher introvertiertes Kind.“

Gelernt hat er das Spiel mit den Marionetten vor allem durch das Beobachten seiner Eltern. „Ich war ja auch oft auf Tour mit dabei, am Wochenende oder in den Ferien. Ich lernte nach und nach nicht nur das Spiel, auch das Imitieren der sechs bis sieben Stimmen der verschiedenen Puppen – auch der Frauenstimmen.“

Der 60-Jährige wäre nach der Übernahme des Theaters gerne hauptberuflicher Marionettenspieler gewesen. Allerdings sei dies nicht machbar. „Es gibt eine ganze Schwemme von Puppentheatern, nicht vergleichbar mit uns. Uns ging und geht die Qualität des Spiels, das Niveau schon immer über alles. Das sieht man alleine anhand unserer Spielfiguren. Sie sind wirklich der Rolls Royce unter den Marionetten, kosten ab 2500 Euro aufwärts, man kann sie menschenähnlich bewegen.“ Den monetären Gedanken, den Profit, habe man in seiner Familie stets hinten an gestellt. „Das wurde uns leider oft zum Verhängnis. Andere haben den Reibach gemacht.“

2010 investierte Richter 100 000 Euro um den alten Marionettenbetrieb „wieder fit zu machen“, wie er es sagt. Er kaufte einen neuen Tourbus und auch eine ganze Reihe neuer Marionetten, solche, mit denen er gemeinsam auf der Bühne steht. Ob er diese Investition im Nachhinein bereue? „Nein, ich bereue nichts. Es war die richtige Entscheidung.“

In seinem Buch, das Ende Dezember in den Druck gegangen ist, habe er „das Erbe seiner Familie verschriftlicht.“ Die letzten drei Generationen der Richters – die bis ins Jahr 1736 zurückverfolgt werden können – hatten mit Hanau zu tun und waren Puppenspieler. „Ich habe das Buch vor allem als Wertschätzung des Lebenswerks meines Vaters Georg geschrieben.“

Wie und ob es mit dem traditionsreichen Hanauer Marionettentheater weitergeht, ist unklar. Die Coronakrise habe die finanziellen Reserven des Theaters größtenteils verbraucht – zudem habe die Motivation gelitten. Nachfolger sind – obwohl Richter drei Kinder und auch schon Enkelkinder hat – nicht in Sicht. Zudem: „Oberste Priorität hat derzeit die Pflege meiner bald 93-jährigen Mutter Gerlinde. Ich schließe nicht aus, dass wir irgendwann wieder auftreten. Aber es könnte auch sein, dass wir aufhören.“

Weitere Infos

„Aus dem Leben eines Puppenspielers ist über die Internetseite des Theaters zu bestellen. Das Buch ist 356 Seiten dick. Zwar ist die Erstauflage vergriffen, Bestellungen für eine Zweitauflage nimmt Roland Richter derzeit entgegen. Informationen im Internet findet man auf der Seite hanauer-marionettentheater.de

Von Kerstin Biehl

„Aus dem Leben eines Puppenspielers“ – 356 Seiten.
„Aus dem Leben eines Puppenspielers“ – 356 Seiten. © -

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