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„Räuber mit hässlicher Krawatte“ gesteht vor dem Hanauer Landgericht acht Überfälle

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Von: Thorsten Becker

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Im Flanellhemd vorgeführt: Der „Räuber mit der hässlichen Krawatte“ muss sich vor dem Hanauer Landgericht für  acht bewaffnete Raubüberfälle verantworten.
Im Flanellhemd vorgeführt: Der „Räuber mit der hässlichen Krawatte“ muss sich vor dem Hanauer Landgericht für acht bewaffnete Raubüberfälle verantworten. © Thorsten Becker

Er trug eine bizarre Krawatte bei seinen Straftaten. Nun gesteht der Räuber vor dem Landgericht Hanau acht Überfälle.

Hanau – Wegen acht Überfällen auf Banken, zwei Taxifahrer sowie einen Tankwart muss sich seit Dienstag ein 21-Jähriger aus dem Kreis Fulda vor dem Hanauer Landgericht verantworten. Er soll zwischen März und Mai 2021 Banken und Sparkassen ausgeraubt und dabei insgesamt 61 000 Euro erbeutet haben. Sein Markenzeichen: eine hässliche Krawatte im Stil der 80er Jahre.

Die Haare gepflegt und etwas länger, ein rot-weiß kariertes Flanellhemd, dazu eine rote Hose und weiße Marken-Turnschuhe. In seinem Outfit sieht Hermann W. wie ein ganz normaler junger Mann aus. Er ist gerade einmal 21 Jahre alt. Doch ein Accessoire unterscheidet ihn von Gleichaltrigen: Er trägt zwei Metallringe um seine Handgelenke, denn an diesem Morgen wird er der 2. Jugendkammer am Landgericht Hanau vorgeführt. Aus der Untersuchungshaft, in der er bereits seit Ende Mai vergangenen Jahres „brummt“ und auf seinen Prozess wartet.

Die modischen Details des jungen Mannes dürfte die Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Dr. Katharina Jost kaum interessieren, denn die Juristen urteilen nicht nach Geschmack. Den hatte W. im Frühjahr 2021 aber offenbar nicht, denn er soll mindestens zweimal mit einer „besonders hässlichen Krawatte“ im Osten des Main-Kinzig-Kreises unterwegs gewesen sein.

Hanau: Staatsanwältin beziffert Beute auf 61 000 Euro

Nun lässt sich über Mode trefflich streiten, aber Zeugen haben ihn als jungen Mann mit einem Schlips im „Stil der 80er Jahre“ beschrieben. Grund genug für die Polizei, dieses Detail öffentlich zu machen. So sorgte der zunächst Unbekannte bundesweit für Aufsehen in den Medien. Für Melissa Pfaffenberger ist das unmodische Auftreten von W. ebenfalls völlig unbedeutend. Denn die Staatsanwältin wirft dem 21-Jährigen schwerste Straftaten vor. Von März bis Mai hat er acht bewaffnete Raubüberfälle auf Bankfilialen in Gelnhausen, Wächtersbach, Bad-Soden-Salmünster, Fulda sowie in Waghäusel bei Karlsruhe verübt und dazu noch eine Tankwart sowie zwei Taxifahrer ausgeraubt. Insgesamt, so die Staatsanwältin, beträgt die Beute rund 61 000 Euro.

Da er einige der Taten noch als Heranwachsender verübt hat, muss er sich vor der Jugendkammer verantworten. Doch angesichts von sieben Überfällen dürfte auch nach dem Jugendstrafrecht am Ende einiges zusammenkommen. Der junge Mann, der eigentlich noch bubenhaft aussieht und sehr blass wirkt, soll laut Anklageschrift sehr rabiat vorgegangen sein. Bankangestellte bedrohte er mit Pistolen oder hielt ihnen die Waffe – zumeist eine Schreckschusspistole der Marke Browning – direkt an den Kopf, um sie zur Herausgabe des Geldes zu zwingen.

Landgericht Hanau: Junger Räuber nennt Geldnot als Motiv

Ende Mai war der Spuk dann beendet, als W. in der Nähe von Karlsruhe nach einem weiteren Banküberfall festgenommen wurde, zusammen mit der Beute von 12 000 Euro. Nach den Raubzügen im Kinzigtal ist er plötzlich in Baden-Württemberg aktiv? „Meine Mutter wohnt dort“, liefert er eine Erklärung.

Es dürfte allerdings ein schneller Prozess werden. Denn schon zu Beginn der Hauptverhandlung legt W. ein umfassendes Geständnis ab. „Ja, ich habe die Taten alle begangen“, antwortet er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin. „Geldnot“ nennt er als Motiv für seine Raubzüge im Kinzigtal. „Ich hatte Schulden durch zahlreiche Online-Bestellungen“, nennt er die Hintergründe. Denn nach einer abgebrochenen Ausbildung als Fahrdienstleiter hatte er keinen Job. „Nichts“ antwortet er auf die Frage nach seiner vorherigen Beschäftigung.

Zeuge liest dem Angeklagten vor dem Landgericht in Hanau die Leviten

Inzwischen hat er jedoch eine Arbeit. „Im Gefängnis. Ich bin in der Wäscherei.“ Erstaunlich ist, dass der junge Mann nach eigenen Angaben „sehr gläubig“ ist. Daher hat er zahlreiche religiös dominierte Briefe geschrieben, in denen er seine Opfer um Verzeihung und Vergebung bittet. „Für Vergebung sind wir hier aber nicht zuständig“, stellt die Vorsitzende klar. Von einer Entschuldigung will der erste Zeuge partout nichts wissen, als W. ihn darum bitten will. Im Gegenteil: Der 44-jährige Tankwart ist ganz forsch und liest dem Angeklagten im Verhandlungssaal die Leviten: „Entschuldige dich bei deinen Eltern und den anderen Opfern für den Scheiß’, den du gemacht hast.“

Das erste Opfer der Raubserie ist sichtlich verärgert. Doch nicht nur über W., der ihm in Bad Soden-Salmünster rund 700 Euro aus der Kasse geraubt hat. „Ich ärgere mich, dass ich ihm die Tat so leicht gemacht habe – denn er hat danach weitergemacht und andere Menschen überfallen.“

Anfang März habe er gerade die Tankstelle gegen 22 Uhr schließen wollen, als W. den Verkaufsraum betrat, hinter den Tresen sprang und seine Pistole durchlud. „Ich kenne mich mit Waffen aus – das war eindeutig eine Schreckschusspistole“, sagt der Zeuge. „Ich habe ihm sogar noch gesagt, dass er doch nicht so dumm sein soll, wegen ein paar Kröten in den Knast zu wandern.“ Doch die Vorsitzende versucht, den 44-Jährigen zu besänftigen: „Machen Sie sich bitte keine Vorwürfe. Das ist nicht ihre Schuld gewesen.“ Der Prozess wird fortgesetzt. (Von Thorsten Becker)

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