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„Sternfahrt für Hanau“: 700 Menschen gedenken an rassistischen Anschlag

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Bis kurz nach 13 Uhr trudelten Gruppen in Hanau ein.
Bis kurz nach 13 Uhr trudelten Gruppen in Hanau ein. © Patrick Scheiber

Der „Ride to remember“ galt der Erinnerung an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau. Die Familien fordern unter anderem den Rücktritt von Innenminister Peter Beuth (CDU).

Hanau – „16 Monate nach dem rassistischen Anschlag haben die Angehörigen jeden Tag unermüdlich gekämpft für Aufklärung, für Gerechtigkeit und Konsequenzen“, sagte Newroz Duman. Sie moderierte für die Initiative 19. Februar mit Said Etris Hashemi die Veranstaltung am Freiheitsplatz. Wenn die Familien nicht selbst recherchierten, die Dinge nicht selbst in Hand nähmen, würde leider nichts passieren. Deshalb erhoben am 19. Juni, ein Jahr und vier Monate nach dem Anschlag, die Familien der Opfer, ihre Stimme. Ihnen galt die Solidarität der rund 700 Teilnehmer, die am Samstagvormittag bei schwüler Hitze in die Pedale traten, um sich bei der „Sternfahrt für Hanau“ gegen Rassismus und gegen das Vergessen zu stellen. Sie verliehen damit den Forderungen der Initiative 19. Februar Nachdruck.

Bei der Abschlusskundgebung auf dem Freiheitsplatz erhoben die Familien und Angehörigen der Anschlagsopfer einmal mehr ihre Stimme und forderten Aufklärung.
Bei der Abschlusskundgebung auf dem Freiheitsplatz erhoben die Familien und Angehörigen der Anschlagsopfer einmal mehr ihre Stimme und forderten Aufklärung. © Patrick Scheiber

Bis kurz nach 13 Uhr trudelten große und kleine Gruppen aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet und Nordbayern auf dem Freiheitsplatz ein. Den größten Applaus erhielten die etwa 400 verspäteten Fahrradfahrer aus Frankfurt, angeführt von Cetin Gültekin. Herzlich empfangen und begrüßt wurden die Sternfahrer von Newroz Duman und Said Etris Hashemi. Sie luden Routenführer auf die Bühne, die für ihre kurzen, solidarischen Statements für Aufklärung viel Beifall erhielten. In Erinnerung an die Mordopfer wurden die Namen gemeinsam skandiert: Gökham Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtovic, Vili Viorel Paun, Fatih Saraçoglu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov.

Etwas länger sprachen Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky, Robert Weißenmüller von der IG Metall, kurze Beiträge kamen Christina Büttner von der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Hessen und der Maintaler Bürgermeisterin Monika Böttcher.

„Sternfahrt für Hanau“: Angehörige stehen im Mittelpunkt der Veranstaltung

Im Mittelpunkt der Veranstaltung, die gegen 15 Uhr endete, standen jedoch die Mütter und Väter, Schwestern und Brüder, Verlobte, Angehörige und Freunde, die jeweils für sich sprachen. Gemeinsam kämpfen alle Familien weiterhin für Aufklärung und Gerechtigkeit. Sie fordern Konsequenzen und unter anderem den Rücktritt von Innenminister Peter Beuth. Dabei erhalten sie Unterstützung von Robert Weißenbrunner und auch von OB Kaminsky, der sagte, nachhaltige Aufklärung sei nicht eine Gnade, sondern die Pflicht der Behörden. Er sei fassungslos, so Kaminsky, dass „13 plus x rechtsradikale Polizisten“ des SEK in Hanau Dienst getan hätten. „Wir stehen in der Verantwortung für das, was Mitarbeiter tun oder unterlassen“, so der OB und forderte damit indirekt den Rücktritt von Peter Beuth.

Die Mutter von Serdat Gürbüz erzählte von der schwarzen Nacht in ihrem Leben, die für immer in Herz eingebrannt sei. Sie verlangt nachhaltig lückenlose Aufklärung. Die Cousine von Kaloyan Velkov berichtete von der Gedenktafel in Erlensee, die ein Mahnmal sein solle gegen Rassismus und Hass. Der Vater von Hamza Kurtovic ist sicher, sein Sohn würde noch leben, hätte der Notruf der Polizei in dieser Nacht funktioniert – er will Aufklärung.

„Sternfahrt für Hanau“: „Wir müssen in diesem Land etwas ändern“

Unter anderem auf T-Shirts wurde an die Opfer erinnert.
Unter anderem auf T-Shirts wurde an die Opfer erinnert. © Patrick Scheiber

Der Vater von Vili Viorel Paun findet, die Reaktion der hessischen Landesregierung sei eine Schande gewesen. Der Vater von Mercedes Kierpacz erzählte, wie SEK-Beamte ihm in der Tatnacht eine Waffe an den Kopf gehalten hätten. Serpil Unvar, die Mutter von Ferhat Unvar, hat eine Bildungsinitiative gegründet.

Sie hinterfragt die These von einem Einzeltäter. „Wir müssen in diesem Land etwas ändern“, sagt sie. Die Verlobte von Fatih Saraçoglu hat die Liebe ihres Lebens verloren. Keiner, so beklagt sie, habe geholfen. Am Ende spricht der Bruder von Gökham Gültekin noch einmal von einer Kette des Versagens. Er fordert nachdrücklich eine Aufarbeitung: „Es wird keine Ruhe geben, Beuth muss weg, no way.“ (Ulrike Pongratz)

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