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Fachtag über religiös motivierten Extremismus

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Auch das große Interesse an der Fachtagung dokumentierte, dass religiös motivierter Extremismus bereits an Grundschulen durchaus ein Problem darstellen kann. Zu Vorträgen und Diskussion war die Mensa der Karl-Rehbein-Schule voll besetzt. -  Fotos: Kögel
Auch das große Interesse an der Fachtagung dokumentierte, dass religiös motivierter Extremismus bereits an Grundschulen durchaus ein Problem darstellen kann. Zu Vorträgen und Diskussion war die Mensa der Karl-Rehbein-Schule voll besetzt. © Kögel

Hanau - Um „religiös motiviertem Extremismus als Herausforderung für Schulen“ ging es bei einem Fachseminar für Grundschulpädagogen aus dem Main-Kinzig-Kreis. Dazu hatte das Staatliche Schulamt Main-Kinzig eingeladen. Von Dieter Kögel

Und das Interesse an dieser Fortbildung war groß, die Mensa der Karl-Rehbein-Schule als Veranstaltungsort voll besetzt. Extremismus soll bereits an Grundschulen ein Thema sein? „Das ist nicht aus der Luft gegriffen“, versicherte Sylvia Ruppel, Leiterin des Staatlichen Schulamtes Main-Kinzig, die mit der Fachtagung Grundschulpädagogen vor allem eine Gelegenheit zur offenen Diskussion geben wollte. Ziel sei es auch, betroffenen Lehrerinnen und Lehrern „einen groben Handlungsleitfaden an die Hand zu geben, um auf mögliche Extremismus-Erscheinungen zu reagieren“.

Religiös begründeter Extremismus könne sich vielfältig andeuten. Der gegenüber der Lehrerin verweigerte Handschlag könne ebenso bereits Zeichen für eine anstehende Radikalisierung sein wie die Nicht-Teilnahme am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten, wenn dies mit Glaubensgründen in Zusammenhang gebracht werde. Wie sollen Pädagogen darauf reagieren?

Prof. Susanne Schröter war eine der Referentinnen.
Prof. Susanne Schröter war eine der Referentinnen.

Zunächst einmal sei es überhaupt nicht so einfach für Lehrkräfte, so ein Verhalten von Schülerinnen und Schülern einzuordnen. Wann geht es rein um Religionsausübung, wann lässt sich dahinter eine Radikalisierung vermuten? Canan Topcu, Journalistin und Dozentin an der Hochschule Darmstadt und der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung, machte sich in ihrem Fachvortrag stark für einen möglichst intensiven Dialog zwischen Schule und Elternhaus. Die Voraussetzungen dafür seien nicht schlecht. Denn Schulen und Lehrern gelte auch in der muslimischen Welt von Grund auf ein hoher Respekt. Mit diesem Respekt gelte es, „auf Augenhöhe“ zu arbeiten und ganz klar und mit Überzeugung zu formulieren, „wo und für was wir stehen.“ Zeige ein Lehrer Unsicherheit in einem solchen Elterngespräch, verliere er auch ein Stück weit den Respekt seines Gegenübers. Wer sich aus der klaren Position „herausdrehe“, verspiele seine Chance als ernst zu nehmender Gesprächspartner, so Topcu.

Wichtige Partner beim Dialog mit muslimischen Eltern könnten auch bereits integrierte Familien sein. „Das sind ihre Verbündeten, um Konflikte auszutarieren“, riet die Referentin.

Hört sich einfach an, ist es aber angesichts der Komplexität des Themas nicht, weiß auch Canan Topcu. Denn vom Lehrer werde erwartet, dass er „Islamismus-Experte ist,“ den Kindern die hier geltenden freiheitlichen und demokratischen Werte vermittelt „und dabei auch noch die Eltern mit ins Boot holt.“ Deshalb sei es unbedingt notwendig, Netzwerke zu schaffen und mit einer kräftigen Stärkung der Schulsozialarbeit zusätzliche Unterstützung in die Schulen zu bringen, um zu handeln, wenn handeln noch möglich sei.

Denn der Handlungsspielraum für Pädagogen und Schulsozialarbeiter erschöpfe sich irgendwann, weiß Professor Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam der Goethe-Universität. Sie hat sich intensiv mit den Ursachen für eine religiös motivierte Radikalisierung junger Muslime beschäftigt. Die Grundformel für Radikalisierung sei: Der Westen führt Krieg gegen den Islam, die Islamisten schlagen zurück. Allerdings werde dabei nahezu alles, „was einem sonst noch quer liegt, auf diese Folie projiziert“, so Schröter. So entstehe reicher Nährboden für Gewalttaten, die zunehmend auch hierzulande stattfinden. Denn die neue Losung der Dschihadisten laute: „Bleibt in euren Ländern und richtet dort Schaden an.“

Für die Schulen sei es durchaus eine große Herausforderung, die Anfänge von Radikalisierung zu erkennen und ihnen entgegenzutreten. „Bauen Sie dazu eine Struktur unter sich auf, schaffen sie ein Netzwerk“, lautete der Rat von Susanne Schröter an die Pädagogen. Aber nicht nur die Schulen seien gefordert, meint Schulamtsleiterin Sylvia Ruppel. Der Radikalisierung den Nährboden zu entziehen, das sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der alle mitwirken müssen.“

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