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Kindermord-Prozess in Hanau: Schwer zu ertragende Bilder

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Von: Christian Spindler

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Vor dem Landgericht Hanau (Main-Kinzig-Kreis) wird die Tötung zweier sieben und elf Jahre alter Kinder verhandelt. Angeklagt ist der 47-jährige Vater.

Hanau – Die Suche nach der Wahrheit ist mitunter eine Zumutung – auch für die Beteiligten vor Gericht, die die Hintergründe einer Tat erhellen und zu einem Urteil kommen müssen. Die Details, die bei der gestrigen Verhandlung im Hanauer Kindermordprozess zur Sprache kamen, die Bilder, die gezeigt wurden, waren jedenfalls für alle im Saal 215 des Landgerichts schwer zu ertragen.

Es ging um die Frage, wie genau am 11. Mai vorigen Jahres die beiden Kinder in einem Hochhaus an der Römerstraße in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) ums Leben kamen. Der eigene Vater soll sie getötet haben – auf brutale Weise. Der 47 Jahre alte Inder ist des zweifachen Mordes angeklagt.

Vor dem Stahlrohrbügel, auf den der Junge aus dem neunten Stock offenbar stürzte, wurden nach der Tat Blumen abgelegt und Kerzen aufgestellt.
Vor dem Stahlrohrbügel, auf den der Junge aus dem neunten Stock offenbar stürzte, wurden nach der Tat Blumen abgelegt und Kerzen aufgestellt. © PATRICK SCHEIBER

Kindermord-Prozess am Landgericht Hanau: Verstörende Einzelheiten

Es waren erschreckende, mitunter verstörende Einzelheiten, die Rechtsmedizinern Dr. Constanze Niess von der Universität Frankfurt als Sachverständige vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Hanau ausführte. Es ging beispielsweise um Größe und Tiefe der Wunden, durch die das siebenjährige Mädchen zu Tode kam. Ihr Mörder hat ihr buchstäblich die Kehle durchgeschnitten. Von mindestens zwei Schnitten in den Hals spricht die Sachverständige, ausgeführt mit einer „kurzen, scharfen Klinge“. Die Tatwaffe wurde bis heute nicht gefunden. Die tödlichen Schnitte auf einem Bett wurden nach Einschätzungen der Sachverständigen von hinten ausgeführt. Es flossen jedenfalls Unmengen Blut. Das Bett was blutdurchtränkt, auch das helle T-Shirt-Kleid, das die Siebenjährige über Leggings trug, sogar ihre Unterwäsche. Eine Blutspur führte vom Bett zum Balkon, wohin sie sich noch schleppte, ehe sie zusammenbrach. Tod durch Verbluten und durch eine Luftembolie sind zwei der Stichworte aus den Ausführungen der Rechtsmedizinerin.

Von dem Balkon im neunten Stock der Wohnung in dem Hochhaus war an jenem Schreckenstag der vier Jahre ältere Bruder des Mädchens fast 30 Meter in die Tiefe gestürzt. Ob er in Panik sprang oder vom Vater hinuntergestoßen wurde, ist eine der offenen Fragen dieses spektakulären Prozesses.

Prozess um Kindermord in Hanau: Die Reihe der Verletzungen ist lang

Nach Erkenntnissen der Gerichtsmediziner stürzte der Junge zunächst auf einen Rohrbügel im Hof, ehe er mit dem Kopf aufschlug. Die Reihe der vielen Verletzungen, die bei der viereinhalbstündigen Obduktion festgestellt wurden und die die Sachverständige gestern vor Gericht erläuterte, ist lang. „Todesursächlich waren die Kopf- und Hirnverletzungen“, sagte Niess. Als um 7.28 Uhr an jenem Morgen der Notarzt eintraf, lebte der Junge noch. Alle Versuche, sein Leben zu retten, blieben aber vergebens. Der Elfjährige starb um 9.06 Uhr im Stadtklinikum.

Mehrere Verhandlungstage gab es in dem Prozess vor der 1. Schwurgerichtskammer bereits. Unter anderem wurde ein sogenanntes Blutspurenverteilungsgutachten vorgestellt, frühere Nachbarn wurden gehört, auch eine Sozialarbeiterin, die die Familien betreut hat. Auch gestern waren nochmals Nachbarn als Zeugen geladen.

Die 38 Jahre alte Mutter war im Februar 2022 mit ihren beiden Kindern nach Hanau gezogen, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Das Familiendrama eskalierte immer mehr. Der Mann wollte wohl, dass seine Frau und die Kinder zu ihm zurückkehren. Laut Zeugenaussagen soll es unter anderem Streit um Unterhaltszahlungen gegeben haben, auch Drohungen des 47-Jährigen gegen die Familie. Zudem ist von Gewalttätigkeit die Rede.

Kindermord-Prozess am Landgericht Hanau: Mutter war auf dem Weg zur Arbeit

Laut Staatsanwaltschaft wartete der Angeklagte am Tattag vor der Wohnung an der Römerstraße, bis die Kinder herauskamen, um in die Schule zu gehen. Dann verübte er mutmaßlich die Bluttat. Die Mutter war da im Bus auf dem Weg zur Arbeit.

Nach der Tat flüchtete der Mann. Drei Tage später wurde er in Frankreich festgenommen.

Zum Tatverlauf hat sich der 47-Jährige bisher nicht geäußert. Schwarzer Pullover, den Kopf gesenkt, das Gesicht die meiste Zeit in den Händen vergraben oder mit einer schwarzen Wollmütze bedeckt – so verfolgte er bisher den Prozess. Auch gestern. Wortlos.

„Es könnte einfacher sein“, meinte Staatsanwalt Dr. Oliver Piechaczek nach der Darlegung der belastenden Details am gestrigen Prozesstag. „Schließlich war nur einer noch dabei“, sagte er und blickte zum Angeklagten.

Das Verfahren wird am 24. April fortgesetzt. Dann geht es vor allem um den tödlichen Sturz des Jungen. (Christian Spindler)

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