„Wir sind im Tal der Ahnungslosen“ - Hanauer Seniorenbeirat kritisiert Informationspolitik

In Hanau fordert der Seniorenbeirat einen neuen Altenhilfeplan und bessere Informationspolitik.
Hanau – Manchmal passt es einfach nicht so recht. Wie zum Beispiel beim letztjährigen Bürgerfest. Da gab es einen Seniorennachmittag, bei dem unter anderem eine Rope-Skipping-Vorführung gezeigt wurde, also rasant-sportliches Seilhüpfen. Am Ende sollten die betagten Bürger das Seilspringen selbst probieren. „Das war ja gut gemeint“, sagt Lothar Hain. Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt, „aber eben alles andere als passend.“
Hanaus Seniorenbeirat will die Politik sensibilisieren
Hain erzählt die Geschichte beim Pressegespräch, weil in Sachen Seniorenarbeit und bei den Angeboten für ältere Bürger in der Brüder-Grimm-Stadt manches nicht so läuft, wie es sich der Beirat vorstellt. Darum hebt das Gremium, das sich vor gut einem Jahr neu formiert hat, den Finger und will die Politik sensibilisieren.
In einem immerhin 74-seitigen Bericht für die Jahre 2021/22 an die Stadtverordnetenversammlung sind unter anderem Anregungen und Empfehlungen formuliert, die Lothar Hain, seine Stellvertreterin Ursula Bräunlich sowie die Beiratsmitglieder Gabriele Bromboszcz, Karl-Heinz Voit und Helmut Adam im Redaktionsgespräch erläuterten.
Eine grundsätzliche Forderung des Beirats, der den Magistrat berät: Die Stadt soll einen Altenhilfeplan aufstellen. „Der bisherige datiert aus dem Jahr 1990“, erinnert Hain. Eine Fortschreibung habe es seitdem nicht gegeben. „Es existiert keine Übersicht, was es für ältere Menschen in der Stadt gibt. Wir sind da im Tal der Ahnungslosen“, formuliert Hain. In so einem Plan müsse auch die Versorgungssituation in Altersheimen und Krankenhäusern in Hanau dargestellt werden, ergänzt Karl-Heinz Voit.

Ein Viertel der Hanauer ist älter als 60
Seniorinnen und Senioren machen einen erklecklichen Anteil an der Bevölkerung aus: Von den 100 000 Einwohnern in Hanau sind immerhin 25000 älter als 60. Ein Manko, dass der Seniorenbeirat in vielen Bereichen sieht: Die mangelnden Informationen von und für Senioren - vor allem von denjenigen, die nicht digital mit Smartphone oder Laptop unterwegs sind. „Und davon gibt es viele“, betont Gabriele Bromboszcz.
Vorschlag des Beirats: Regelmäßige Informations- oder Flugblätter, die direkt an Senioren rausgehen oder beispielsweise in Arztpraxen oder Apotheken ausliegen, eben „überall dort, wo ältere Menschen hinkommen.“ Themen, so die Beiratsmitglieder, gebe es viele so wie es in Hanau auch viele Angebote und Einrichtungen für Senioren gebe. Allein, es fehlten gebündelte Informationen.
Das könne von einer Übersicht der Angebote von Nachbarschaftsinitiativen oder Nachbarschaftshilfen reichen über Serviceangebote des Stadtladens, Infos zur Beantragung von Hilfen oder zu Sportangeboten für Menschen 60plus bis zu einer Aufstellung all der Leistungen, die es für Senioren in Hanau kostenfrei oder vergünstigt gibt. Letzteres sei auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Altersarmut durchaus bedeutsam, sagt Lothar Hain.
Hanaus Seniorenbeirat fordert kostenlosen ÖPNV für einkommensschwache Rentner
Auch die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um den Hanau-Pass zu bekommen, sollten auf solchen Infoblättern erläutert werden, ergänzt Beirats-Vize Ursula Bräunlich. Der Hanau-Pass ist ein Sozialpass für Einkommensschwache, der etliche Vergünstigungen gewährt. In der Stadt sind aktuell 2200 Hanau-Pässe ausgegeben.
Der Seniorenbeirat geht bei diesem Thema einen Schritt weiter und fordert, dass die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs, respektive der HSB-Busse im Stadtgebiet für Hanau-Pass-Inhaber kostenlos sein sollte. In diesem Zusammenhang kritisiert Hain auch den sogenannten Komfortzuschlag, der bei Fahrten mit dem Rufbussystem „Mainer“ zu zahlen ist. Hain: „Der sollte unserer Meinung nach gestrichen werden, weil der Mainer schließlich die vorherige Buslinie zwischen Klein-Auheim und Großauheim ersetzt.“
Der Seniorenbeirat hat sich auch mit generationsübergreifenden Wohnprojekten befasst, setzt sich dafür ein, dass in Hanau ein genossenschaftlich organisiertes Projekt initiiert wird. Und er gibt den Verantwortlichen Ratschläge für die Erschließung künftiger Wohngebiete auf den Weg, etwa für das geplante „Main au Quartier“ auf dem 14 Hektar großen ehemaligen Bautz-Gelände in Großauheim. Man habe festgestellt, dass bei solchen Planungen nicht genügend öffentliche Pkw-Stellplätze vorgesehen seien. Die seien aber gerade auch wegen der Bedürfnisse von älteren Menschen notwendig, die auf Pflege- oder Lieferdienste angewiesen seien.
Seniorenbeirat Hanau: „Gespannt, was von der Politik aufgegriffen wird“
Nach wie vor aktuell ist aus Sicht des Beirats das Thema Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand. Dem komme sogar immer größere Bedeutung zu, weil die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Was der Übergang für die Betroffenen bedeutet, auch in psychologischer Hinsicht, werde meist zu wenig beachtet, so Ursula Bräunlich.
Der Seniorenbeirat hat unlängst Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung sich und seine Anliegen vorgestellt. Die Resonanz? Die Ausführungen seien zur Kenntnis genommen worden, berichtet Lothar Hain. Nun sei man „gespannt, was von der Politik aufgegriffen wird“. Dabei scheint es ein gerüttelt Maß an Skepsis zu geben. Denn zumindest bisher „werden das Alter und die Senioren zu wenig beachtet“, meint Ursula Bräunlich. (Von Christian Spindler)
Vorschläge für Nutzung der Kaufhof-Immobilie
Der Seniorenbeirat der Stadt hat sich auch mit der Schließung von Galeria Kaufhof befasst. In einem Brief an Magistrat, Stadtverordnetenversammlung und Ausländerbeirat heißt es, man begrüße die Bemühungen von Magistrat und Stadtparlament, das Gebäude des jetzigen Warenhauses am Marktplatz zu erwerben. Zugleich macht das Gremium Vorschläge für mögliche künftige Nutzungen. Dazu zählen eine Markthalle mit regionalen Frischeprodukten und internationalen Spezialitäten sowie ein Fachärztezentrum, das auf die Bedürfnisse von Senioren ausgerichtet ist.
Zudem sollten Begegnungsmöglichkeiten für Jugendliche und Senioren geschaffen und auch der Kulturbereich berücksichtigt werden. Idee des Seniorenbeirats: Eine Kleinkunstbühne nach Vorbild des „Neuen Theaters Höchst“. Auch eine Gastronomie oder ein Dachterrassencafé als Reminiszenz der ehemaligen Kaufhaus-Lokale seien ebenso eine Option wie Büroräume für Berufsstarter oder eine Einrichtung zur Hanauer Geschichte.
Wie berichtet, soll Galeria Kaufhof zum 31. Januar 2024 schließen. Die Stadt will das Gebäude kaufen und entwickeln, vorzugsweise zusammen mit einem privaten Partner. Als Nutzungen wurden bisher Wohnen, Büros, Arztpraxen und im Erdgeschoss Geschäfte genannt. (cs)