Sieben Jahre nach Überfall in Hanau: Mutmaßlicher Haupttäter geht ins Netz

Hanau/Buenos Aires –Mehr als sieben Jahre nach dem Überfall auf die Commerzbank an der Nürnberger Straße haben Polizei und Staatsanwaltschaft einen mutmaßlichen Räuber in die Untersuchungshaft gebracht. Der 36-jährige Juan Q. ist vor wenigen Wochen in Argentinien festgenommen und nun von Buenos Aires ausgeliefert worden.
Wie Staatsanwalt Markus Jung auf Anfrage des HANAUER ANZEIGER erklärte, soll der Chilene zusammen mit drei weiteren Komplizen im Juli 2015 die Bankfiliale überfallen und dabei einer Kundin rund 2700 Euro geraubt haben. Am Tresor scheiterten die Verbrecher und verschwanden zunächst spurlos. Das Quartett könnte jedoch noch für weitere Überfälle in Europa verantwortlich sein.
Wenn es nötig ist, reicht der Arm der Justiz sehr weit über die Staatsgrenzen hinaus. In diesem Fall sind es von der Staatsanwaltschaft an der Katharina-Belgica-Straße in Hanau rund 12 000 Kilometer – über fünf Zeitzonen hinweg – fast einmal um die halbe Welt.
Die Landung der Lufthansa- Linienmaschine auf dem Frankfurter Flughafen, die in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires gestartet ist, interessiert im Hanauer Justizzentrum vor allem einen Staatsanwalt besonders: Markus Jung. Denn den Mann, der in Begleitung von Fahndern des Polizeipräsidiums Südosthessen im Flugzeug sitzt, hat er lange gesucht.
Staatsanwalt Jung: Internationaler Haftbefehl aus Hanau führt zum Erfolg
„Zunächst hatten wir gegen diesen Mann einen bundesweiten Haftbefehl erwirkt, dann einen internationalen Haftbefehl“, sagt der Pressesprecher der Hanauer Anklagebehörde, der nun kurz davor steht, einen spektakulären Fall aufzuklären – und einen mutmaßlichen Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Er heißt Juan Q. ist 36 Jahre alt und chilenischer Staatsbürger.
Rückblende, 8. Juli 2015: Vier Männer betreten gegen 12.15 Uhr die Filiale der Commerzbank an der Nürnberger Straße. Sie kommen in böser Absicht, mindestens einer hat eine Waffe dabei. Drei der Männer stellen sich in die Warteschlange, einer steht am Eingang Schmiere. Neben den Bankmitarbeitern befindet sich eine damals 27-jährige Kundin am Schalter. Sie ist gerade dabei, rund 2700 Euro in bar einzuzahlen. Einer der Täter raubt das Geld der Frau, es kommt zu einem Handgemenge. Bei dieser Auseinandersetzung wird auch ein 52-jähriger Bankangestellter, der mutig eingreift, leicht verletzt.
Die Räuber fordern mehr, wollen, dass der Tresor aufgemacht wird. Einer von ihnen soll „Open the box!“ gerufen haben, heißt es später im Protokoll der Polizei. Am Tresor wird gerüttelt, doch die Tür lässt sich nicht öffnen. Nur wenige Sekunden später ergreifen die Räuber die Flucht.
Die Polizei leitet zwar sofort eine Fahndung ein, ein Hubschrauber kreist lange über der Hanauer Innenstadt. Zu einer Festnahme kommt es jedoch nicht. Alles, was übrig bleibt, ist die Beschreibung der Verbrecher: Der erste Täter trägt bei dem Überfall eine beigefarbene Jacke, Jeans und weiße Turnschuhe, der zweite ein weißes Sweat-Shirt und eine Jeans. Der dritte Flüchtige ist mit einem dunklen Pullover mit weißer Aufschrift und der vierte mit einem schwarzen Basecap, einem roten Pullover und einer Jeans bekleidet. Die Spur führt über den Kurt-Blaum-Platz in Richtung Grüner Weg. Dann sind die Räuber verschwunden, vermutlich in einem bereitstehenden Fluchtauto.
Banküberfall in Hanau: Steckt das Organisierte Verbrechen dahinter?
„Dieses Auto ist kurz danach in einem anderen Kriminalfall in Belgien aufgetaucht“, sagt Staatsanwalt Jung rückblickend. Er hat anhand der Ermittlungsergebnisse der Hanauer Kriminalpolizei den Verdacht: Die vier aus Chile stammenden Männer könnten nicht nur für den Überfall in Hanau, sondern auch für weitere Straftaten in Europa verantwortlich sein. Keine zufälligen Taten – möglicherweise steckt sogar das organisierte Verbrechen dahinter.
Argentinische Polizei schnappt mutmaßlichen Räuber aus Hanau
„Wir haben Beweise, um diesen Fall aufklären zu können“, sagt Staatsanwalt Jung, ohne weitere Details zu nennen. Schließlich wird sich wohl bald das Landgericht Hanau mit dem Überfall vor sieben Jahren beschäftigen. Doch der Ankläger ist überzeugt: Bei dem Festgenommenen handelt es sich um den bewaffneten Anführer des Räuber-Quartetts.
Der Chilene geht den Behörden unter kuriosen Umständen ins Netz. Denn er ist nach Argentinien eingereist. Die dortige Polizei hat jedoch immer noch den internationalen Haftbefehl aus Hanau in den Computern – und schreitet zur Tat. Der 36-Jährige wird nach Buenos Aires in die Auslieferungshaft gebracht.
Der Rest ist dann Routine für Fahnder, Bundespolizei und Justiz: Nach der Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen wird ihm der Haftbefehl des Amtsgerichts Hanau eröffnet, danach geht es vom Terminal aus direkt ins Untersuchungsgefängnis.
Staatsanwalt Jung rechnet damit, dass es nicht lange dauern dürfte, bis der Prozess vor einer der Strafkammern beginnen kann. „Der Fall ist von der Polizei sehr gut ausermittelt worden. Die Anklage wird zügig erfolgen.“ Q. soll wegen schweren Raubs vor Gericht gestellt werden. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm zwischen fünf und 15 Jahren Gefängnis. Von Thorsten Becker