Spielzeugladen feiert Neueröffnung - Beispiel städtischer Interventionspolitik

In Hanau feiert der Spielzeugladen Brachmann seine Neueröffnung. Die Stadt engagiert sich bei dem traditionsreichen Geschäft in besonderer Weise.
Hanau - Kaum eine Geschäftseröffnung dieser Größe dürfte mit solch einem Aufwand erfolgt sein wie der jetzige Neustart des Spielzeugladens Brachmann an der Ecke Rosenstraße in der Hanauer City. Das Geschäft, in dem seit 176 Jahren Spielzeug verkauft wird, gehört nicht nur zu den traditionsreichsten in Hanau. Es sorgte in der jüngsten Zeit auch für Schlagzeilen, weil sich die Stadt dort in besonderer Weise engagiert. Die Eröffnung wurde von der städtischen Marketing-GmbH mit einer Pressekonferenz, einer aufwendigen Pressemappe und auch mit Videofilmen auf Internetplattformen begleitet.
Für die Verantwortlichen im Rathaus ist der Spielzeugladen ein Beispiel für kommunale Innenstadt-Initiativen, die Hanau mit gehörigem Aufwand betreibt. Und mit einem Instrument, das die Stadt wie keine andere einsetze, um Entwicklungen zu steuern, sagt Martin Bieberle, zuständiger Fachbereichsleiter im Rathaus: die Vorkaufsrechtssatzung. Damit will man unliebsame Geschäftsansiedlungen wie die von Billigläden ebenso verhindern wie Immobilienspekulationen.
Stadt Hanau macht von Vorkaufsrecht Gebrauch - Spielzeugladen Brachmann erhalten
Bei zehn Immobilien in Hanau hat die Stadt laut Bieberle das Vorkaufsrecht bis dato ausgeübt und für rund zwölf Millionen Euro Gebäude erworben, darunter am Kanaltorplatz, an der Nürnberger Straße oder auch in Großauheim. Im Fall von Brachmann hatte sich der Immobilienbesitzer und Betreiber freilich von sich aus an die Stadt gewandt, weil er keinen Nachfolger fand und verhindern wollte, dass die Immobilie in prominenter Lage zum Spekulationsobjekt wird.
Die Eigentümerfamilie hätte auf dem Markt einen deutlich höheren Preis erzielen können, sagt Martin Bieberle. „Ich bin sicher, dass dann aber kein Spielzeugladen hier eröffnet worden wäre.“ Rund 1,9 Millionen Euro soll die städtische Baupro, eine Tochter der Baugesellschaft, nach Informationen unserer Zeitung für das Gebäude bezahlt haben, zu dem auch Mietwohnungen gehören.
Hanau: Name Brachmann steht seit Generationen als Synonym für Spielzeug
Für Schlagzeilen sorgte der Kauf auch, weil es zwischenzeitlich hieß, die Stadt wolle den traditionsreichen Laden, der in Hanau seit Generationen als Synonym für Spielzeug steht, in Eigenregie weiterführen. Dafür gab es Kritik und auch Spott.
Die Stadt als Spielzeughändler – dazu kam es dann aber doch nicht, nachdem sich Alexandra und Ralph Glück im Rathaus meldeten. „Zunächst mit einem zweizeiligen Schreiben“, erzählte Ralph Glück gestern. Das Ehepaar, das vor 16 Jahren mit einem Online-Handel ins Spielzeug-Geschäft eingestiegen ist, betreibt in Nidderau und Karben bereits zwei Läden. Der gestern von ihnen in Hanau eröffnete dritte Laden, der komplett umgebaut und neu strukturiert wurde, firmiert weiter unter Brachmann, dem Namen des Traditionshauses.
Oberbürgermeister Kaminsky: Innenstadt in Hanau nicht schicksalhaft dem Lauf der Dinge überlassen
Dass die Stadt mit der Anwendung der Vorkaufsrechtssatzung und den Immobilienkäufen in den Markt eingreift, rechtfertigt OB Kaminsky: „Man darf die Innenstadt nicht schicksalhaft dem Lauf der Dinge überlassen.“ Das steuernde Eingreifen sei im Sinne sozialer statt reiner Marktwirtschaft. Mit der Anwendung der Steuerungsinstrumente „haben wir bessere Chancen als die, die glauben, dass sich das von selbst regelt.“ Die Immobilienkäufe seien zudem „keine finanziellen Abenteuer“, sondern refinanzieren sich laut Kaminsky und Bieberle durch die Mieteinnahmen. Das, was die neuen Betreiber des Spielzeugladens an der Rosenstraße zahlen, sei „ein fairer, aber kein subventionierter Preis“, beteuert Bieberle.
Offenbar stehen weitere Immobilienverkäufe an, bei denen die Stadt eingreifen und ihr Vorkaufsrecht geltend machen will, um unerwünschte Entwicklungen in der Innenstadt und so genannte Trading-down-Effekte durch Billigläden zu verhindern, darunter in prominenter Lage in der Fußgängerzone. Durch den Online-Boom, Corona-Krise und gestiegene Immobilienpreise sind die Innenstädte allenthalben weiter unter Druck geraten.
„Schicksalsjahrzehnt“: Oberbürgermeister Claus Kaminsky will in Hanau Einzelhandel stärken
Rathauschef Kaminsky spricht von einem „Schicksalsjahrzehnt“, in dem sich die Zukunft der Innenstädte entscheiden werde. Hanau habe darum ein Paket an Maßnahmen geschnürt, um Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen – von der Unterstützung von Geschäftsgründern bis zu Immobilienkäufen. Rund eine Million Euro fließen derzeit pro Jahr in Hanau, um Einzelhandel und Gastronomie zu stärken, so Stadtentwickler Bieberle gegenüber unserer Zeitung. Geld von Stadt, Land und Bund.
Und auch wenn der Aufwand beachtlich war, mit dem die Stadt Hanau den Brachmann-Neustart und ihre Stadtentwicklungsmaßnahme medienwirksam dargestellt hat – auch als Hauseigentümer werde man nicht in den Wettbewerb eingreifen und etwa mit der städtischen Marketing-GmbH besondere Werbung für Geschäfte in städtischen Immobilien machen, beteuert Bieberle auf entsprechende Fragen: „Wir behandeln alle gleich.“ (Christian Spindler)
In Hanau soll auf dem Parkplatz an der Langstraße hinterm Rathaus ein Stadtstrand anlegt werden.