Beliebter Laden mit großer Tradition gerettet – Stadt geht besonderen Weg

Das Spielwarengeschäft Brachmann in Hanau stand vor dem Aus. Nun springt die Stadt ein. Das 1846 gegründete Geschäft hat wieder eine Zukunft.
Hanau – Die Stadt Hanau geht neue Weg bei der Innenstadtentwicklung: Sie will sich als Einzelhändler betätigen und das alteingesessene Spielwarengeschäft Brachmann an der Ecke Rose-/Salzstraße in Hanau übernehmen und weiterführen. Das ungewöhnliche Projekt, dem der Magistrat bereits zugestimmt hat, ist ein weiterer Schritt in den Bemühungen der Stadt zur Stärkung des Einzelhandels („Hanau aufLADEN“).
Unter anderem wurden sogenannte Pop-up-Stores eingerichtet, und durch die Ausübung des Vorkaufsrechts sollen unliebsame Entwicklungen, etwa die Ansiedlung von Ein-Euro-Läden, verhindert werden. Im Fall von Brachmann geht die Stadt weiter: Sie will nicht nur das Gebäude kaufen, sondern zusätzlich den Laden selbst betreiben.
Hintergrund: Die Inhaber konnten offenbar keinen Nachfolger finden, wollten die Immobilie zum Verkauf anbieten. Für das Wohn- und Geschäftshaus sollen indes Leerstand und ungewollte Nutzung abgewendet, die Kündigung der betroffenen Mitarbeiter vermieden und eine Tradition fortgeführt werden, sagt Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Es gehe darum, eine „zukunftsfähige Innenstadt“ zu gestalten und „Spekulantentum abzuwenden“.
Laden in Hanau gerettet: „Großartiges Beispiel, welche Wirkung das Vorkaufsrecht hat“
Die Familie Lülow, die das Traditionshaus bis dato führt, hatte sich angeblich an die Stadt gewandt und das Gespräch gesucht – ausgelöst durch die Vorkaufssatzung, betont man im Rathaus. „Ein großartiges Beispiel, welche Wirkungen das Vorkaufsrecht hat, schon bevor es überhaupt ausgeübt wird. Unser Ziel war und ist es, über dieses Instrument frühzeitig in den Dialog mit Verkäufern und Käufern zu kommen“, sagt Rathauschef Kaminsky. Damit beweise Edgar Lülow, Initiator des Hanau Marketing Vereins und ehemaliger Sprecher des Einzelhandelsverbands, dass ihm Hanau und die Innenstadt sehr am Herzen liege.
Vereinbart wurde nach Informationen unserer Zeitung, dass die BauPro, eine Tochter der städtischen Baugesellschaft, die Immobilie für 1,9 Millionen Euro erwirbt und dann mit der Hanau Marketing GmbH (HMG) der Stadt ab 1. Juli einen Mietvertrag abschließt. Die HMG soll das 300 Quadratmeter große Geschäft weiterführen und mit neuen Konzepten und Ideen den Laden, der seit 175 Jahren besteht, an heutige Anforderungen anpassen.
Spielwarengeschäft Brachmann in Hanau: Personal soll übernommen werden
Dazu will die HMG einen sogenannten Storemanager einsetzen und das Personal der bisherigen Heinrich Brachmann GmbH übernehmen. „Uns kommt dabei die Erfahrung mit dem äußerst erfolgreichen Kunstkaufladen Tacheles zugute“, sagt Martin Bieberle, Chef der Hanau Marketing GmbH. Den Kunstladen hatte die HMG in einem leer stehenden Laden an der Nürnberger Straße aufgemacht.
Mit dem mittlerweile prämierten Entwicklungsprogramm „Hanau aufLADEN“ will die Stadt Trading-down-Effekten entgegensteuern. Neben der zunehmenden Konkurrenz durch große Online-Anbieter haben etliche inhabergeführte Geschäfte auch Probleme, Nachfolger zu finden. Schließung und Leerstand drohen – und angesichts steigendender Immobilienpreise eine Nachnutzung, die nicht im Sinne einer Einkaufsstadt ist. Durch Anmietung oder Kauf entsprechender Einzelhandelsimmobilien durch die Stadt soll ein „attraktiver Mix aus inhabergeführtem Handel und Filialisten, aus Gastronomie, kulturellen Veranstaltungen, Märkten und neuen Konzepten wie Pop-up-Läden geschaffen beziehungsweise erhalten werden“, so die Stadt. Die Immobilien seien dabei „der Schlüssel zur Stadtentwicklung, denn überlassen wir sie allein dem Markt, treten Entwicklungen entgegen unserer städtebaulichen Ziele ein“, so OB Kaminsky.
Stadt geht bei Spielwarengeschäft Brachmann „kein finanzielles Risiko“ ein
Mit dem Erwerb der Brachmann-Immobilie gehe die Stadt kein finanzielles Abenteuer ein: „Die Kostenkalkulation zeigt, dass bei einer Gegenüberstellung der Finanzierungskosten zu den Bestandsmieten ein Liquiditätsüberschuss erzielt wird.“ Das Stadtparlament soll dem Gebäudekauf und der Geschäftsübernahme in seiner nächsten Sitzung zustimmen. (Christian Spindler)
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