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Tödliche Schüsse durch Haustür: Angeklagter schweigt

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Hanau - Als der Mann in Handschellen in den Saal A 215 des Hanauer Landgerichts geführt wird, stellen sich seine beiden Verteidiger schützend zwischen ihn und die auf ihn gerichteten Kameraobjektive. Seit gestern wird gegen den 52-Jährigen verhandelt. Er ist angeklagt, am 7. September 2013 in Hanau seinen Schwager getötet zu haben. Von Laura Hombach

Der Angeklagte soll am Abend der Tat gegen 23.30 Uhr an der Haustür seines Schwagers geklingelt haben. Als dieser an die Tür kam und schemenhaft durch die verglaste Eingangstür zu erkennen war, soll der 52-Jährige vier Schüsse aus einer Browning-Pistole auf seinen Schwager abgefeuert haben. Zwei der Projektile trafen den Bauch des Opfers, eines davon durchtrennte die Aorta. Der Niedergeschossene starb kurze Zeit später an inneren Blutungen. Hintergrund der Tat soll eine erbrechtliche Zivilklage gewesen sein, die die Existenz des Angeklagten gefährdet hätte.

Während die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift von einer heimtückischen Tötung aus niederen Beweggründen sprach, fordern die beiden Verteidiger des Angeklagten Freispruch. Bei der Anklageschrift handle es sich um eine schiere Vermutung, argumentierte Verteidiger Andreas von Dahlen beim gestrigen Prozessauftakt. Nach Ansicht der Verteidigung ist der Umstand, dass die Tatwaffe in Österreich - wo auch der Angeklagte zuletzt lebte - aufgefunden wurde, überbewertet und habe dazu geführt, dass zu sehr in eine Richtung ermittelt worden sei. Der Angeklagte selbst, dem während des Prozesstages keine Gefühlsregung anzumerken war, machte auf Anraten seiner Anwälte von seinem Schweigerecht Gebrauch.

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Keine Miene verzog der 52-Jährige auch während der ausführlichen Aussage seiner Schwester, der Frau des Opfers, zu den vorangegangenen Streitigkeiten und ihren Beschreibungen seiner Person. Sichtlich bewegt machte die 57-Jährige ihre Aussage, eine der drei Anwältinnen, die sie und ihre vier Kinder - sie alle treten als Nebenkläger auf - vertreten, als Beistand an ihrer Seite. Sie und ihr Mann hätten eine „perfekte“ Ehe geführt, in der das Wohl der vier Kinder über alles ging, so die gelernte Arzthelferin. Zu ihrem jüngeren Bruder habe sie zunächst ein gutes Verhältnis gehabt, das sich nach dem Tod des Vaters und später dem der Mutter zusehends verschlechtert habe. Nach Angaben der Zeugin habe der Bruder nach dem Tod des Vaters über das gesamte, nicht unerhebliche Familienvermögen verfügt, während sie selbst leer ausging. Seit 2009 führt sie deshalb eine Zivilklage um ihren Pflichtteil am elterlichen Erbe. Dieses Verfahren soll nach Dafürhalten der Staatsanwaltschaft auch der Grund für die Tat gewesen sein.

Ihr Bruder habe immer auf großem Fuß gelebt, sei aber die meiste Zeit arbeitslos gewesen, schilderte die Schwester. Groß geworden in einer Familie von Hobbyjägern, habe auch er schon früh diese Leidenschaft übernommen. Ihr Bruder sei ein Choleriker, so die 57-Jährige. Auch übermäßiger Alkoholkonsum, ein gefälschtes Abiturzeugnis, Lügengeschichten und aggressive Ausfälle gehörten zum unschönen Charakterbild, das die Zeugin von ihrem Bruder zeichnete. Das Leben ihres Bruders sei ein einziges Lügengebäude, dass ihr Mann zum Einsturz habe bringen wollen.

Vernommen wurde am gestrigen Verhandlungstag auch ein Nachbar, der eine Person in der Nähe des Tatorts hatte wegrennen sehen. Er hatte in zwei ersten Aussagen von einem jungen Mann mit hellen blonden Haaren gesprochen, dann wieder davon, dass der Mann eine Kapuze getragen habe. Der 21-Jährige erklärte bei seiner gestrigen Aussage, die Alterseinschätzung aufgrund der Laufgeschwindigkeit und der Kleidung getroffen zu haben. Der andere Widerspruch ließ sich nicht klären. Der Prozess wird nächsten Dienstag fortgesetzt.

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