Mit Drillingen im Bauch: Flucht aus der Ukraine nach Hanau - „Sind sehr dankbar“
Eine Familie flüchtet aus der Ukraine nach Deutschland. Mit dabei: Drillinge im Bauch der werdenden Mutter. Sie landen in Hanau.
Hanau – Sabina, Makka und Numan liegen geborgen und sicher auf dem Tagesbett im Wohnzimmer. Hier, im fünften Stock des Gloria-Palais am Westbahnhof in Hanau, ist das erste Zuhause der Drillinge. Auf die Welt kamen die beiden Mädchen und der Junge Mitte Juni im Klinikum Höchst – in der 28. Schwangerschaftswoche und damit viel zu früh.
„Wenn ich nicht mit den Drillingen schwanger gewesen wäre, wäre ich heute noch in Kiew“, sagt Rehina Holovata in perfektem Englisch. Die 29-Jährige hatte von ihren Ärzten prognostiziert bekommen, dass ihre Babys wohl zu früh auf die Welt kommen würden. „Die Situation daheim war sehr unsicher. Ich wusste, dass meine Babys als Frühgeborene eine intensive engmaschige medizinische Versorgung brauchen. Keiner konnte mir versichern, dass diese bis zu ihrer Geburt daheim in der Ukraine gegeben sein wird“, sagt die junge Frau. Also entschlossen sie und ihr Ehemann Mwafaq Abushanab sich zur Flucht.
Ukraine-Flüchtlinge in Hanau: Von Kiew über Instanbul bis Frankfurt - mit Drillingen im Bauch
„Wir haben schon von der Ukraine aus geschaut, welche Krankenhäuser auf Frühchen-Versorgung spezialisiert sind. Unser Ziel war das Klinikum in Höchst.“ Rehina fuhr mit dem Bus nach Istanbul, von dort aus ging es mit dem Flugzeug weiter nach Frankfurt. Dort konnte sie sich in einem Aufnahmelager an der Messe registrieren. Am 25. Mai war das. Am 11. Juni kamen ihre drei Kinder zur Welt. Im Klinikum Höchst, wie geplant – allerdings fast drei Monate vor dem vorgesehenen Geburtstermin.
„Sie mussten intubiert werden, wurden intensivmedizinisch überwacht und wogen nicht einmal ein Kilo“, erzählt die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin. Die Sorge um die Kleinen sei enorm gewesen. Mwafaq traf drei Tage nach der Geburt seiner Kinder in Frankfurt ein. Ihre ersten beiden Lebensmonate mussten Makka, Numan und Sabina im Krankenhaus verbringen. Getrennt von ihrer Mutter und ihrem Vater, die sie lediglich besuchen durften. „Ich konnte nach der Geburt nur fünf Tage im Krankenhaus bleiben, dann musste ich gehen“, so die junge Mutter, die in der Ukraine als Englischlehrerin gearbeitet hat. Papa Mwafaq habe sich, so erzählt er, in der Klinik überhaupt nicht erwünscht gefühlt. Es sei keine gute Zeit gewesen.

Während die Drillinge in der Klinik lagen, konnten Rehina und Mwafaq dank der Hilfe der Freundin eines Arztes in einem nahe gelegenem Appartement unterkommen. Durch Hilfe aus Frankfurt fanden die jungen Eltern auch ihre jetzige Wohnung im Gloria-Palais in Hanau. „Als klar war, dass unsere Babys entlassen werden, wussten wir immer noch nicht wohin. Das Flüchtlingscamp wäre die einzige Lösung gewesen. Mit drei Neugeborenen“, beschreibt der 33-jährige Mwafaq Abushanab die schwierige Lage zu diesem Zeitpunkt.
Ukraine-Flüchtlinge in Hanau: Vormieter überlässt Möbel - „Glücklich und froh, hier zu sein“
Nun sind die jungen Eltern, die 2015 geheiratet hatten, sehr dankbar, dass sie in der kleinen Wohnung im Gloria-Palais untergekommen sind. Direkt vom Krankenhaus konnten die Drillinge samt Eltern einziehen. Der Vormieter hat ihnen den größten Teil der Möbel überlassen. Rehina zeigt den Drillingswagen, der ihnen zur Verfügung gestellt wurde. „We are so so lucky – so glücklich und froh, hier zu sein. Das Krankenhaus ist zu Fuß nur wenige Minuten entfernt. Das war für uns sehr wichtig, falls etwas mit den Babys ist.“

Im Vordergrund stehen nun die Kinder. Das benötigt viel Kraft. „Eines von ihnen ist eigentlich immer wach. Und oft ist es so, dass, wenn eines wach wird, es die andern mit aufweckt. Dann dauert es zwei Stunden, bis sie wieder eingeschlafen sind. Wir schlafen sehr wenig. Wir können uns auch nicht ausruhen. Heute zum Beispiel haben wir noch nichts gegessen, und es ist 12.45 Uhr“, beschreiben die Eltern eine anstrengende Zeit, für die sie sich eigentlich die Unterstützung ihrer Familie erhofft hatten. Doch der Krieg hat alles anders kommen lassen.
Zwar hat das junge Paar mittlerweile die Hilfe einer Doula, die ein bis zweimal pro Woche für rund drei Stunden vorbei schaut, beim Füttern hilft oder mit den Babys spazieren geht. „Doch die Hilfe einer Oma kann das natürlich nicht ersetzen. Meine Mutter würde gerne herkommen und uns unterstützen, aber wo soll sie schlafen? Hier ist kein Platz. Da bräuchten wir ein zusätzliches Zimmer“, sagt Rehina erschöpft.
Ukraine-Flüchtlinge in Hanau: Mwafaq Abushanab sucht Job - Familie muss ernährt werden
Mwafaq Abushanab ist aktuell auf Jobsuche. In der Ukraine arbeitete er als im Managementbereich einer Technologiefirma. Zwei Bewerbungsgespräche hat er bereits geführt, bei beiden ist er in die jeweils zweite Runde gekommen. „Ich hoffe, schnellstmöglich einen Job zu finden“, sagt er.
Die Situation ist für die junge Familie alles andere als einfach, doch im Vordergrund, da sind sich Rehina und Mwafaq einig, stehen die Sicherheit und optimale medizinische Versorgung für Makka, Numan und Sabina. „Dafür sind wir sehr dankbar.“ (Kerstin Biehl)