Warum die Umsetzung der Impfpflicht in Hanau und im Main-Kinzig-Kreis Probleme bereitet

Ab dem 15. März soll bundesweit die Impfpflicht in Pflegeberufen gelten. Über die Auslegung dieser Impfpflicht bestehen in Hanau und dem Main-Kinzig-Kreis noch Fragen.
Hanau/Main-Kinzig-Kreis – Ob man Patienten im Krankenhaus pflegt, sich um demenzkranke Menschen im Altenheim kümmert, in einer Behinderteneinrichtung tätig ist oder im Rettungsdienst – für alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen gilt in fünf Wochen eine Impfpflicht. Das bringt Unwägbarkeiten für manche Einrichtung mit sich und den Gesundheitsämtern noch mal Mehrarbeit.
Außerdem sind viele Fragen offen. Es gebe noch „eine Vielzahl von Problemen und Unschärfen, die der Auslegung durch das Bundesgesundheitsministerium, die Gesundheitsbehörden auf Landesebene oder den Öffentlichen Gesundheitsdienst bedürfen“, sagt Susanne Simmler (SPD), Gesundheitsdezernentin im Main-Kinzig-Kreis.
Kommt es wegen der Impfpflicht, wie Kritiker befürchten, zu einem weiteren Personalmangel in einem Bereich, in dem Fachkräfte seit Langem fehlen? Werfen deswegen Mitarbeiter das Handtuch? Eher unwahrscheinlich, meint die Bundesagentur für Arbeit (BA). Zwar hätten sich im Dezember und Januar 25 000 mehr Menschen im Gesundheits- und Sozialsektor arbeitssuchend gemeldet als üblich – ungefähr 12 000 davon aus der Pflege. Die Zunahme befinde sich jedoch auf einem Niveau, „was uns allen keine Sorgen machen muss“, so Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur.
Impfpflicht: „Vereinzelte Kündigungen“ im Klinikum Hanau
Im städtischen Klinikum Hanau – das Haus der Maximalversorgung hat etwa 2 000 Mitarbeiter – habe man „lediglich vereinzelte Kündigungen beobachtet, die vermutlich im Zusammenhang mit der Impfpflicht stehen“, so Janina Sauer von der Unternehmenskommunikation. Da Mitarbeiter Kündigungen gegenüber dem Arbeitgeber nicht begründen müssen, ist es schwer, das genau festzustellen.
Die Ankündigung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht habe aber „bei vielen der ungeimpften Mitarbeiter zu großer Verunsicherung geführt“, meint Reinhold Walz, Chef der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises (APZ-MKK). „Wir haben bereits drei Kündigungen aufgrund der angeordneten Impfpflicht erhalten und weitere Mitarbeiter haben mitgeteilt, dass sie aufgrund der neuen Verpflichtung ebenfalls darüber nachdenken, dem Beruf den Rücken zu kehren.“
Auch Reiner Salomon vom Pflegedienst Wolf befürchtet, dass sich die Situation mit fehlendem Fachpersonal weiter zuspitzen wird, wenn die Impfpflicht gilt. Der Einzugsbereich des ambulanten Pflegedienstes erstreckt sich von Langenselbold über Erlensee, Rodenbach und Ronneburg bis nach Neuberg. In seinem Unternehmen seien allerdings bis auf eine Person alle geimpft. „Wir hoffen, dass bis Mitte März alle geimpft sein werden“, sagt Salomon.
Impfquote im Gesundheitswesen schon vor Impfpflicht hoch - auch in Hanau
Überhaupt ist die Impfquote im Gesundheitswesen deutlich höher als bei der restlichen Bevölkerung, wo sie derzeit bei gut 74 Prozent liegt. Das Klinikum Hanau meldet aktuell etwa 93 Prozent, die APZ-MKK mit insgesamt 1 100 Mitarbeitern in einem Dutzend Einrichtungen mehr als 88 Prozent sowie zwei Prozent an Mitarbeitern, die als genesen gelten. Für ihre Senioren- und Pflegeeinrichtungen gibt die Vereinte Martin Luther + Althanauer Hospital Stiftung Hanau die Impfquote mit mehr als 80 Prozent an. „Unserer Einschätzung nach gehen wir derzeit auch nicht von einer erhöhten Anzahl an Kündigungen wegen der Impfpflicht aus“, sagt Vorstandsvorsitzender Thorsten Hitzel.
Im ambulanten Pflegedienst „Mainterrasse“ in Steinheim, den Daniel Schneider leitet, liegt die Impfquote gar bei 98 Prozent. Nur zwei Mitarbeiter von insgesamt 104 seien ungeimpft. Diese Quote habe man mit einer guten Aufklärung, Arztgesprächen und vielen Impfangeboten erreicht. Schneider: „Es war ein Kraftakt, aber das Ergebnis lässt sich sehen.“
Auch Manfred Maaß, Chef des Pflegezentrums „Mainterrasse“, zu dem auch der Pflegedienst gehört, berichtet, er habe Arbeit und Zeit investiert, um sein Personal von einer Impfung zu überzeugen. Mittlerweile seien nur zwei Mitarbeiterinnen aus der Verwaltung nicht geimpft. „Was passiert, sollten sie sich weiterhin nicht impfen lassen, ist noch ungewiss. Aber wir brauchen die Arbeitskräfte“, sagt Maaß.
Impfpflicht für Einrichtungen im Gesundheitswesen
Das „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19“ ist am 12. Dezember 2021 in Kraft getreten. Im Infektionsschutzgesetz heißt es, dass die Beschäftigten in Einrichtungen im Gesundheitswesen bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber „einen Nachweis über eine abgeschlossene Impfung, einen Genesenennachweis, oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können“ vorlegen müssen. Fehlt der Nachweis, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Ab dem 16. März sei dann für die Beschäftigten „ohne Vorlage eines entsprechenden Nachweises keine Aufnahme der Tätigkeit in den betroffenen Einrichtungen mehr möglich“. Da es aber noch etliche offene Fragen bei der Umsetzung gibt, könnte der „Ermessensspielraum“, den Gesundheitsämter bei ihrer Entscheidung über Tätigkeitsverbote von ungeimpften Beschäftigten haben, nach Recherchen des ARD-Magazins „Panorama“ in vielen Fällen dazu führen, dass die Impfpflicht nicht durchgesetzt wird. Aus der Politik gibt es derweil vermehrt Forderungen, bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen nachzuschärfen. (cs/dpa)
Impflicht ab März: Ungeimpfte Mitarbeiter sollen gemeldet werden
Den vergleichsweise hohen Impfquoten zum Trotz – es bleibt eine erkleckliche Zahl an Ungeimpften im Gesundheitswesen. Was geschieht (mit) ihnen, wenn am 15. März die Impfpflicht in Kraft tritt?
Die Einrichtungen müssen nach jetzigem Stand am 16. März die Mitarbeiter, die bis zum 15. März keinen gültigen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorgelegt haben, beim Gesundheitsamt melden, erklärt Janina Sauer vom Klinikum Hanau. Dort soll dann im Einzelfall entschieden werden, ob für die betroffenen Mitarbeiter ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird – oder ob sie vorerst weiter arbeiten können, weil beispielsweise der Betrieb gefährdet wäre. „Diese Entscheidung müssen wir als Klinikum dann abwarten“, heißt es.
Impfpflicht in der Pflege: Offene Fragen zur Umsetzung
Für die Gesundheitsämter bedeutet das eine zusätzliche Belastung. Ämter in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin haben bereits bemängelt, mit der Umsetzung der Impfpflicht im Gesundheitssektor angesichts schon bestehender Corona-Maßnahmen überfordert zu sein. „Selbst bei einer Anordnung von einem Beschäftigungs- oder Betretungsverbot bleibt die Frage, welche Rechte der Freigestellte hat und wie es weitergeht“, gibt Main-Kinzig-Gesundheitsdezernentin Simmler zu bedenken. Wünschenswert seien daher „möglichst einheitliche Landesregelungen, damit es hier nicht noch verschärft zu einer Verzerrung kommt“.
Derweil versuchen viele Einrichtungen, ihre Impfquoten weiter zu erhöhen. Die Alten- und Pflegenzenten des Kreises haben jeden nicht geimpften Beschäftigten persönlich angeschrieben, um über die Sach- und Rechtslage zu informieren und über Impfangebote aufzuklären. „Die Führungskräfte sprechen parallel jeden einzelnen nicht geimpften Mitarbeiter persönlich an“, heißt es. Zwar werde die Personalplanung strategisch angepasst. „Im Extremfall kann dies zum Schutz der Bewohner aber bedeuten, dass wir über einen Aufnahme- bzw. Belegungsstopp oder gar die Schließung einzelner Wohnbereiche nachdenken müssen.“ (Christian Spindler, Theresa Ricke Und Jan Lucas Frenger)