WIE BUNT IST HANAU? Amin Khawari flüchtete vor sieben Jahren aus dem Iran

Dass er einmal mit dem Ex-Bundespräsidenten von Deutschland ein Foto machen würde hätte sich Amin Khawari im Jahr 2015 wahrscheinlich nicht träumen lassen. Damals flüchtete der heute 33-Jährige Afghane aus dem Iran nach Deutschland. In den Iran waren seine Eltern gegangen, bevor Khawari auf die Welt kam. Dort ist er zur Schule gegangen, hat sein Diplom – vergleichbar mit dem deutschen Abitur – gemacht und dann auf die Erlaubnis gewartet, studieren zu dürfen.
Hanau – „Es waren schlechte Lebensbedingungen. Es war sehr schwierig, dort 27 Jahre zu leben“, sagt der junge Mann. Und dass er gar nicht an die Zeit dort zurück denken möchte. Vater, Mutter, zwei Schwestern und er entschieden sich deshalb 2015 nach Deutschland zu gehen. Über die genauen Gründe will er nicht sprechen.
Zunächst kam Amin Khawari nach Bremen – in die Stadt, in der der Rest seiner Familie bleiben durfte und bis heute lebt. Er selbst wurde über Gießen nach Hanau geschickt. In der Hansestadt gab es für ihn keinen Platz.
„Ich kam auf Sportsfield unter. Wir waren neun Personen in einer Wohnung, jeweils zwei von uns teilten sich ein Zimmer, dazu hatten wir ein Wohnzimmer und eine Küche“, erzählt er in beeindruckend gutem Deutsch. „Wir waren fünf Afghanen und vier Iraner. Das war gut, denn wir konnten uns verstehen.“
Heute – es ist ein verregneter Sonntag im Februar – sitzt Khawari am Mittagstisch bei der Mittelbuchener Familie Schreiber. Das Ehepaar engagiert sich seit vielen Jahren in der Flüchtlingshilfe. „Amin haben wir besonders ins Herz geschlossen“, erzählen Ingrid und Werner Schreiber. So fleißig sei er, so besonnen und einfach sympathisch. „Er ist unser Freund geworden.“ Die Schreibers waren es auch, die ihn bei der Wohnungssuche unterstützt haben. Mit ihrer Hilfe konnte der Afghane nach fast drei Jahren auf Sportsfield eine Wohnung in der Hanauer Innenstadt beziehen.
Khawari, der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die „Zuerkennung des internationalen Schutzes der Flüchtlingseigenschaft“ erhalten hat, hat sich von Beginn an darum bemüht, die deutsche Sprache zu lernen. Die Sprachkurse belegte er zunächst drei Monate lang auf eigene Kosten. „Mir war bewusst, wie wichtig es ist, die Sprache zu lernen. Um Arbeit zu bekommen. Um mich zu integrieren.“ Khawari, so erzählen die Schreibers, habe sehr schnell gelernt. Anfangs habe er im Begegnungscafé Oase immer den Dolmetscher gemacht. „Alle waren immer ganz verblüfft, weil er so gut Deutsch sprechen konnte“, sagt Werner Schreiber.
Neben den Sprachkursen bemühte sich der junge Mann – ebenfalls mit Hilfe des Mittelbuchener Ehepaars – um eine Ausbildungsstelle. Bei der Beruflichen Integration von Flüchtlingen Frankfurt hat Khawari gelernt, einen Lebenslauf zu schreiben, hier bekam er Praktika bei drei verschiedenen Unternehmen vermittelt – von Zweien bekam er danach die Zusage für einen Ausbildungsplatz zum Elektroniker für Betriebstechnik.
Er entschied sich, seine Ausbildung bei der Fraport AG an deren Ausbildungszentrum in Langen zu absolvieren. Nach einer zehnmonatigen Einstiegsqualifikation und bestandenem Einstiegstest konnte Khawari 2018 die Ausbildung beginnen. Aufgrund seiner guten Leistungen hat er einen Antrag auf Verkürzung der Lehrzeit gestellt und war nach drei Jahren ausgebildeter Elektroniker.
Mittlerweile ist der Afghane bei einem großen Frankfurter Dienstleister angestellt. „Ich bin dort sehr zufrieden“, sagt er. In den vergangenen Jahren habe er unheimlich viel gelernt, das mache ihn stolz und zufrieden. Auch, weil er im Iran aufgrund der politischen Verhältnisse zunächst nicht studieren durfte. Als er damals schließlich die Erlaubnis erhielt, studierte er zwei Jahre Elektrotechnik. Mit der bestandenen Ausbilddung zum Elektroniker schließt sich für ihn damit ein Kreis.
Dankbar sei er, für die vielen netten Menschen, die er hier in Deutschland kennengelernt habe. Allen voran die Familie Schreiber. Dankbar ist er für alles, was ihm hier ermöglicht wurde. „Nach Deutschland zu kommen, war zu 100 Prozent die richtige Entscheidung. Ich will niemals wieder zurück nach Afghanistan oder in den Iran.“ Er sei hier so sehr zufrieden, alles laufe gut. „Das Leben in Deutschland ist überhaupt kein Vergleich zu meinem früheren Leben.“
Für Khawari steht fest, dass er hier bleiben wird. „Ich möchte mir hier ein Leben aufbauen. Ich möchte besser werden. Dafür arbeiten. Vielleicht irgendwann ein Haus haben“, sagt er zielstrebig.
Nachdem in den vergangenen Jahren wenig Zeit für Privates blieb, da er immer nur gelernt habe – die Sprache und für die Ausbildung – habe er jetzt erstmals etwas Zeit für sich übrig. Diese nutzt er zum Fußball schauen – Khawari ist Fan von Borussia Dortmund und Manchester United – vor allem aber, um seine Familie in Bremen zu besuchen.
„Ich fahre im Moment alle drei Monate zu ihnen, einmal in der Woche telefonieren wir.“ Von Vater, Mutter und Geschwistern getrennt zu sein ist nicht schön für den jungen Mann. „Mein Traum ist es, meine Familie aus Bremen zu mir nach Hanau zu holen, sie bei mir zu haben.“
Das Foto mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck hat der ausgebildete Elektroniker auf seinem Handy. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019. Damals kam Gauck mit seiner aus Hanau stammenden Lebensgefährtin Daniela Schadt zum Festakt anlässlich des 175. Jubiläums des Hanauer Geschichtsvereins. Zu diesem Festakt war auch eine Gruppe Geflüchteter eingeladen – unter ihnen Khawari. „Eine schöne Erinnerung an meine Anfangszeit in Deutschland“, sagt er.
„Wie bunt ist Hanau?“
Alle Teile unserer Serie „Wie bunt ist Hanau?“ sind nachzulesen im Internet unter hanauer.de. Die Serie, die das Miteinander in Hanau thematisiert, endet am Samstag, 19. Februar. Morgen lesen Sie über den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Hanau, Oliver Dainow.
Von Kerstin Biehl