Wie der Hanauer Hafen auch durch Krisenzeiten kommt

Der Mainhafen Hanau beweist sich trotz Coronavirus-Pandemie und Ukraine-Krieg als stabiles Glied in der weltweiten Lieferkette. Das gelingt vor allem durch eine Flexibilität - und den Blick in die Zukunft.
Hanau - Die Corona-Pandemie und aktuell der Ukraine-Krieg haben eindringlich gezeigt, wie fragil die globale Vernetzung der Wirtschaft sein kann, wenn Lieferketten gestört oder sogar unterbrochen werden. Der Hanauer Hafen bleibt von den Auswirkungen der weltweiten Krisen nicht verschont – auch wenn auf ihn als Warenumschlagsplatz selbst in unsicheren Zeiten Verlass ist.
„Es kommt ein Schiff, geladen“ – den bekannten adventlichen Choral werden Hafen-Geschäftsführer Markus Menzen und Betriebsleiter Gerhard Einhoff wahrscheinlich nicht anstimmen, wenn beispielsweise ein voll beladener Tanker den Mainhafen Hanau erreicht. Freuen wird es sie trotzdem. Schließlich bedeutet das: Umsatz. Im Zusammenspiel der großen Lieferketten sieht sich der Hafen der Brüder-Grimm-Stadt in erster Linie als Dienstleister. „Wir stellen die Infrastruktur zur Verfügung. Aber wir haben keinen Einfluss auf die Lieferketten“, sagt Menzen.

Trockener Sommer und Sanktionen gegen Russland und Belarus schwächen den Umsatz
Konnte der Hafen der Pandemie noch gut trotzen und im ersten Corona-Jahr 2020 seinen Umschlag gegenüber 2019 sogar um 4,6 Prozent steigern, wird das Geschäftsjahr 2022 schlechter ausfallen als das Jahr davor. Konkrete Zahlen liegen zwar noch nicht vor, aber mit zehn bis 15 Prozent weniger Einnahmen im Jahresergebnis müsse gerechnet werden, sagt Menzen. Die Einbußen betrafen hauptsächlich das Kali-Segment – neben Öl, Sand und Getreide eines der Hauptumschlagsgüter – wegen der Sanktionen gegen Firmen beziehungsweise Firmenbesitzer aus Russland und Belarus. Ein anderer Aspekt war der extrem trockene Sommer 2022. Aufgrund des wochenlangen Niedrigwassers im Rhein konnten die Transportschiffe zum Teil nur mit 25 Prozent Auslastung fahren.

Grundsätzlich gelte auch im Hanauer Hafen: „Alles ist lieferbar, es ist nur eine Frage des Preises“, wie es Betriebsleiter Einhoff formuliert. Was das heißt, wurde bei der Nachfrage nach Kohle deutlich. Der von der Politik eigentlich schon aufs Abstellgleis beförderte fossile Energieträger erlebte durch den Ukraine-Krieg eine Renaissance. In Verbindung mit einer Knappheit an Binnenschiffen trieb das die Preise nach oben, wodurch es für Reedereien teils lukrativer war, die Schiffe leer fahren zu lassen, als andere Güter außer Kohle zu befördern.
Standortvorteil durch Kombination von Schifffahrt und Bahnwesen
Doch trotz oder besser gesagt ungeachtet solcher Preis- oder auch Lieferschwankungen sagt Einhoff: „Wir sind da, egal, ob viel oder wenig Güter kommen.“ Um das zu gewährleisten, muss freilich die Infrastruktur in Schuss gehalten werden. So werden jedes Jahr rund 500 Meter Gleise erneuert. Denn die schweren Güterzüge verursachen entsprechende Abnutzung. Außerdem müssen das Hafenbecken und die Kaimauer instand gehalten, die Grünflächen gepflegt werden. Demnächst stehe die Erneuerung des Spundwandkastens an. Das soll den Kali-Umschlag sichern.

Die Verantwortlichen des Hanauer Hafens sehen vor allem in der Kombination der beiden Verkehrsträger Schiff und Bahn ihren Standortvorteil. Für reibungslos funktionierende Lieferketten müssen allerdings alle beteiligten Dienstleister miteinander harmonieren. Doch das Schienennetz in Deutschland ist veraltet und überlastet, zudem hat sich die Bahn in den vergangenen Jahrzehnten stark aus der Fläche zurückgezogen, das heißt, manche potenzielle Endkunden des Mainhafens haben keinen Bahnanschluss (mehr). Und Lkw? Die stehen auf den Autobahnen im Stau – wenn überhaupt: Laut Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) fehlen bundesweit derzeit etwa 60 000 bis 80 000 Berufskraftfahrer.
Verbesserungen im Bahnverkehr zwischen Hauptbahnhof und Hanau
Bezüglich Verbesserungen im Schienenverkehr zwischen Hanauer Hafen und Hauptbahnhof sei man im regelmäßigen Austausch mit der Deutschen Bahn. Dabei gelte, gemeinsam zu besprechen, was besser werden könne, statt mit dem Finger auf die anderen zu zeigen, sagen Einhoff und Menzen.

Doch klar ist: Weder kurz- noch mittelfristig werden sich diese Defizite bei der Bahn und auf der Straße lösen lassen. Beim Gütertransport ist deshalb Flexibilität gefragt. Bei der Logistik müsse man weg vom in den Neunzigerjahren geprägten Mantra „just in time“, sagt Einhoff. Dabei spielten auch die Erfahrungen aus der Pandemie eine Rolle. Corona habe zu Demut geführt, macht Menzen deutlich: „Früher hieß es ‚Geiz ist geil’, heute ist man froh, dass man was bekommt.“
Wasserstoff-Infrastruktur wichtig für die Zukunft des Hanauer Hafens
Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen sich Anliegerfirmen wie Oiltanking, aber auch der Hafen selbst schon heute Gedanken machen, wie die Infrastruktur in Zukunft angepasst werden kann beziehungsweise muss. Beispiel Wasserstoff, für Betriebsleiter Einhoff einer der Energieträger der Zukunft: Die Hafen-Verantwortlichen sind Teilnehmer am Wasserstoff-Stammtisch des Fraunhofer-Instituts, haben ihr „Ohr am Markt“ etwa beim Thema Wasserstofftankstellen für Binnenschiffe.

Zahlen und Fakten
Abgefertigte Schiffe pro Jahr: 1100
Hafenbecken: 1
Länge des Hafenbeckens: 950 m
Breite des Hafenbeckens: 65 m
Tiefe des Hafenbeckens: 3,10 m
Flusshäfen: 2
Länge der Flusshäfen: 300 und 350 m
Wasserfläche des Hafens: 8 ha
Ausgebaute Uferlänge: 2,8 km
Portalkran: 1
Be- und Entlade-Anschlüsse für Tankschiffe: 3
Getreide-Verladeanlagen: 2
Band-Förderanlagen: 1
Mobilbagger: 3
Abgefertigte Waggons pro Jahr: 20 000
Länge der Hafenbahn-Gleise: 10 km
Weichen: 25
Bahnübergänge: 6
Privatanschlüsse: 2
Mitbenutzer: 5
Länge der Kranbahn: 840 m
Be- und Entlade-Anschlüsse für Kesselwagen: 16
Schüttgossen: 3
David Scheck