1. Startseite
  2. Region
  3. Hanau

Wie viel Rücksicht nehmen in Hanau Verkehrsteilnehmer aufeinander?

Erstellt: Aktualisiert:

Von: David Scheck

Kommentare

Gefährlich: Ein Radfahrer fährt über die Antoniterstraße – bei roter Ampel. Es war nicht die einzige brenzlige Situation am Vormittag der Verkehrszählung des Auto-Clubs.
Gefährlich: Ein Radfahrer fährt über die Antoniterstraße – bei roter Ampel. Es war nicht die einzige brenzlige Situation am Vormittag der Verkehrszählung des Auto-Clubs. © Privat

Hinter dem Begriff „Vision Zero“ verbirgt sich das ambitionierte Ziel der EU, die Zahl der Verkehrstoten in Europa bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren. Ohne Frage ein ambitioniertes Ziel, das sich wahrscheinlich nie wird wirklich umsetzen lassen. Doch schon im Hier und Jetzt ließen sich viele gefährliche Situationen im Straßenverkehr, die zu Beinahe-Zusammenstößen oder sogar zu Unfällen führen, vermeiden, würden die Verkehrsteilnehmer einfach nur rücksichtsvoller miteinander umgehen – auch in Hanau. Der Auto-Club Main-Kinzig/Wetterau hat kürzlich beispielhaft zwei gefährliche Stellen im Stadtgebiet unter die Lupe genommen.

Hanau - Es ist ein normaler Vormittag während der Woche an der Lamboystraße. Nicht die klassische Rushhour, dennoch ist es laut, Pkw passieren in nicht enden wollenden Reihen die beiden ACE-Mitglieder Jens Womelsdorf und Anton Hofmann. Die Ehrenamtler haben sich für rund zwei Stunden an zunächst unterschiedlichen Punkten positioniert und beobachten das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer – Autofahrer, Fahrradfahrer, Fußgänger.

Womelsdorf steht an der Ecke Lamboystraße/Paul-Ehrlich-Straße, wo sich eine Tankstelle befindet, Hofmann nimmt an der Ecke Lamboystraße/Antoniterstraße alles ins Visier. Den Kugelschreiber gezückt, halten die beiden ihre Beobachtungen in einer vorbereiteten Checkliste fest. In dieser Liste gibt es jeweils Rubriken und Spalten mit bestimmten Begriffen. In der Rubrik Autofahrer zum Beispiel Begriffe wie „Kein Blinker“ oder „Smartphone“, was bedeutet, dass der Fahrer während des Fahrens sein Mobiltelefon benutzt. In der Rubrik Radfahrer finden sich Bemerkungen wie „Nutzt Straße statt Radweg“ oder „Rotlicht“ für das Fahren über die Straße bei roter Ampel.

Brenzlige Situationen an Einfahrten

Das Fazit des ACE fällt – insgesamt – positiv aus, weil die meisten Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen. Allerdings führen die Ehrenamtler das auch darauf zurück, dass vergleichsweise wenige Radfahrer unterwegs sind – Hanaus Fahrradfreundlichkeit hat bekanntlich Nachholbedarf. So notiert Womelsdorf an der Ecke Lamboystraße/Paul-Ehrlich-Straße bei 98 Abbiegevorgängen von Pkw in eineinhalb Stunden 75 mit „ohne Fehler“, bei den Radfahrern 22 von 36. Dennoch: Zu vier brenzligen Situationen kommt es an der Tankstellenauffahrt und an der Einfahrt Paul-Ehrlich-Straße, zweimal wäre jeweils ein Radfahrer beinahe von nicht blinkenden Autos erfasst worden. Die Radwege an der Lamboystraße sind, abgesehen von der roten Pflasterung, baulich nicht vom Gehweg getrennt, was keine optimale Situation darstellt. Dennoch seien bauliche Veränderungen nicht immer die Lösung: „Wenn die Verkehrsteilnehmer rücksichtsvoller miteinander umgingen, würde auch weniger passieren“, sagt Womelsdorf. Neben Rücksicht spielt auch Vorsicht einer Rolle – etwa im Falle der Fußgänger, die, auf ihr Smartphone schauend, unkonzentriert die Lamboystraße überqueren.

Der Auto-Club Europa

Der Auto-Club Europa, kurz ACE, wurde 1965 von Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gegründet. Anders als der Name vermuten lässt, steht für den ACE nicht nur das Auto im Vordergrund, sondern er wirbt, wie es in der Satzung heißt, „für nachhaltige zukunftsfähige Verkehrssysteme unter Einbeziehung aller Verkehrsmittel“. Der ACE hat seinen Sitz in Stuttgart und zählt nach eigenen Angaben über 630 000 Mitglieder. das

Dagegen wäre eine Änderung der Verkehrsführung an der Ecke Lamboystraße/Antoniterstraße eine denkbare Lösung. Zumindest stellten die ACE-Vertreter bei ihrer Erprobungszählung ein Kernproblem fest: Radverkehr und Pkw haben gleichzeitig Grün, abbiegende Autos müssten warten. Das, so hat es Womelsdorf in seinem Protokoll notiert, „klappt nicht sehr gut“. Dass sieben Autofahrer im Prüfzeitraum von einer Dreiviertelstunde zudem nicht einmal den Blinker gesetzt hatten, einer über Rot fuhr, macht das Ergebnis nicht besser. Auch nicht das Verhalten der Pedaleure, von denen immerhin vier leichtsinnig bei roter Ampel über die Straße fuhren.

Prüfer bemängeln fehlenden Radweg

Die beiden Prüfer bemängeln in diesem Zusammenhang auch, dass es an der Antoniterstraße in Richtung Alter Rückinger Weg keinen Radweg gibt, Fahrradfahrer daher den Gehweg, die Straße oder den Radweg auf der gegenüberliegen Seite benutzen müssen. Auf jeden Fall sei die neuralgische Ecke so interessant, dass der ACE-Kreisverband die Verkehrssituation im kommenden Jahr bei Fahrradwetter noch einmal unter die Lupe nehmen will.

Von David Scheck

Den Verkehr im Blick: Jens Womelsdorf (links) und Anton Hofmann vom ACE Main-Kinzig/Wetterau.
Den Verkehr im Blick: Jens Womelsdorf (links) und Anton Hofmann vom ACE Main-Kinzig/Wetterau. © Privat-

Auch interessant

Kommentare