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Przewalski-Pferde in Hanau bekommen Zuwachs

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Anfassen lassen sich die Wildpferde nicht gerne - auch nicht von Biologin Dr. Riccarda Wolter. Ein hohes Gatter mit Elektrozaun verhindert, dass die Tiere ihr Gelände verlassen.
Anfassen lassen sich die Wildpferde nicht gerne - auch nicht von Biologin Dr. Riccarda Wolter. Ein hohes Gatter mit Elektrozaun verhindert, dass die Tiere ihr Gelände verlassen. © Michael Prochnow

Die Przewalski-Pferde haben eine Aufgabe in Hanau: Sie sind natürliche Rasenmäher. Nun soll die Wildpferd-Herde weiter wachsen.

Hanau – Prrr, Prrr, Prsche... Wer nicht gerade über einen Nachbarn aus Russland, einen polnischen Zweig im Stammbaum oder Sprachtalent verfügt, der muss seine Zunge trainieren. Der gemeine Hesse hat nämlich mehr Probleme mit der Aussprache ihres Namens als mit ihnen selbst. Hanauer dagegen sind im Vorteil, denn sie leben jetzt schon zwölf Jahre mit den Przewalski-Pferden.

„Fressen für den Naturschutz“ lautet die Aufgabe der besonderen Tiere. Auf dem Gelände zwischen dem Großauheimer Waldfriedhof und Wolfgang, B8 und Bahnlinie preschte lange das US-Militär mit Panzern über den Sand-Magerrasen. Der bildet ein wertvolles Biotop, klärt Biologin Dr. Riccarda Wolter auf, weil er durch viel Sonneneinstrahlung seltener Fauna und Flora Lebensraum eröffnet. Und damit das so bleibt, lässt das Umweltzentrum der Brüder-Grimm-Stadt die Wildpferde dort weiden.

Die Przewalskis halten Gras, Büsche und auch Bäume in Schach, weil sie fast alles Grünzeug auf dem offenen Gelände und an den Hainen futtern. Sieben Artgenossen bearbeiten so zwei mit einem Korridor verbundene Pferdekoppeln von je 26 Hektar Fläche. Das Projekt startete 2009 mit fünf Tieren, mittlerweile sind es sieben: Hengst Fury, der Vater von Pawel, sowie die Stuten Galinka, Ginger, Jana, Janine und Marie. Noch in diesem Monat sollen weitere Artgenossen einziehen.

Die Przewalskis bewegen sich in der Herde. In Großauheim wohnen derzeit sieben Pferde.
Die Przewalskis bewegen sich in der Herde. In Großauheim wohnen derzeit sieben Pferde. © Michael Prochnow

Przewalski-Pferde in Hanau werden zu Stars der Besucher

Riccarda Wolter kennt sie alle, auch die in der Mongolei ausgewilderten und die verstorbenen Familienangehörigen. „Aufgeschlossen und zutraulich, manchmal etwas zickig, sehr eng mit Ginger befreundet“, beschreibt sie Jana. Marie ist „selbstbewusst und charakterstark, neugierig und aufgeschlossen, verhält sich rangniedrigeren Tieren gegenüber sehr dominant“. Galinka hingegen ist das rangniedrigste Pferd und hält sich oft etwas abseits der Herde auf.

Allen gemein sind Neugierde und Zutraulichkeit. Damit haben sie sich zu Stars der Besucher gemausert. Wer durch Gate 1 mit dem Fotoapparat und der Sorge eintritt, keinen der Paarhufer vor die Linse zu bekommen, weil die irgendwo auf dem weitläufigen Gelände verstreut grasen, der irrt: Die Herde bewegt sich fast immer geschlossen. Ihre Mitglieder kennen den Geländewagen ihrer Betreuerin, und wenn sie den Motor hören, versammeln sie sich zügig am Zaun beim Heulager.

Anfassen lassen sie sich nicht gerne, das verhindert obendrein ein hohes Gatter mit Elektrozaun, der die Truppe vor gefährlichen Ausflügen bewahren soll.

Alte Wildpferdrasse in Hanau: Przewalski-Pferde sind Steppen gewohnt

Knochenfunde und Höhlenmalerei belegen, dass die Rasse schon vor 700 000 Jahren in Kanada verbreitet war. Durch die Eiszeit gelangte sie nach Asien und ist heute in China, Kasachstan und der Mongolei daheim. In menschlicher Obhut können sie 30 Jahre alt werden, weiß die Wissenschaftlerin von den Zoos in Stuttgart, München und Salzburg, von denen einige der Exemplare stammen.

In dunklen Waldabschnitten fühlen sie sich nicht so wohl, sind sie doch die Übersicht der Steppe gewohnt. Auch den eigens gezimmerten Unterstand „haben sie eigentlich noch nie genutzt“, weiß die Biologin von ihren allmorgendlichen Kontrollfahrten am Gatter entlang.

Die Vierbeiner „haben die Ruhe weg“, bewegen sich meistens tiefenentspannt und galoppieren selten. Zweimal im Jahr werden sie entwurmt, und wenn sich wirklich mal ein Tier verletzt, eilt eine Tierärztin aus dem Frankfurter Zoo herbei.

Typisch für die Przewalskis sind der eselförmig gedrungene Körper mit dem Fell in hellbrauner Tarnfarbe.
Typisch für die Przewalskis sind der eselförmig gedrungene Körper mit dem Fell in hellbrauner Tarnfarbe. © Michael Prochnow

Przewalski-Pferde in Hanau beliebt bei Schulklassen

„Tagsüber halten sie sich auf der Ostseite auf, abends gehen sie durch den Korridor auf die andere Fläche“, beobachtet sie. „Somit sind beide Areale gleichmäßig beweidet.“ Ginger sei als Leitstute sehr durchsetzungsfähig, Fury trabt ganz hinten, treibt Nachzügler an. „In freier Wildbahn böte er Schutz vor Feinden, die es in Hanau freilich nicht gibt“, erläutert Riccarda Wolter. Das Konzept hat sich bewährt, es erhielt das europäische Naturschutzsiegel Natura 2000 als Flora-Fauna-Schutzgebiet für seltene Arten.

Nach Corona kann sich das Umweltzentrum kaum retten vor Anfragen von Schulklassen, die sich die Wildtiere in ihrem Reservat ansehen wollen. Dr. Wolter und ihr Team haben mehrere Programme entwickelt, die zum Forschen und Experimentieren einladen. Studierende interessieren sich auch für die Fledermaus-Population, für Rehe, Füchse, Heuschrecken und die Kreuzkröte auf dem Gelände. 100 Vogelarten haben sie schon gezählt. (Michael Prochnow)

Besuch bei den Pferden

An jedem ersten Sonntag im Monat ist Campo Pond ab 14 Uhr für Interessierte geöffnet. Anmeldung: 06181 30 49 148, E-Mail: umweltzentrum@hanau.de

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