Zugfahrt über die Alpen in Auheim

Hanau – Man kommt aus dem Staunen einfach nicht heraus. Etwa, wenn die Dampflok mit täuschend echtem Schnaufen vom Bahnhof Filisur aus an einem Holzfällerlager und einer Schafherde vorbei in eine Alpenlandschaft fährt. Wenn man auf einer der Anlagen einen Teil des Hanauer Hafens oder die Steinheimer Brücke entdeckt. Oder wenn Modellautos und Züge per Digitaltechnik so gesteuert werden, dass sie die Vorfahrt beachten oder anhalten, um Gegenverkehr vorbeizulassen.
An dem, was die Eisenbahnfreunde Hanau e.V. auf die Beine, respektive auf die mitunter stattlichen Holzrahmen von fünf großen Modelleisenbahnanlagen gestellt haben, kann man sich kaum sattsehen: Eine imposante Gebirgslandschaft, in die bald sogar noch eine Seilbahn installiert werden soll. Ein veritables Villenviertel auf einem Hügel, durch das ein Motorrad knattert, eine Kleingartenanlage oder einen Discounter mit einem großen Parkplatz und demolierten Autos davor. „Das ist unser sozialer Brennpunkt“, scherzt Bernd Laukel, Vorsitzender des Vereins, beim Rundgang durch dessen Domizil in der Kulturstätte Radwerk an der Gutenbergstraße in Klein-Auheim. Realitätsnahe Szenerien in ihren beeindruckenden Anlagen zu schaffen, das ist nur eines der Ziele, denen sich der rührige, 40 Mitglieder zählende Verein verschrieben hat.
Nachdem der Klub aus seinem Domizil im Nordbahnhof ausziehen musste und durch einige Turbulenzen gegangen ist, hat man vor drei Jahren im Radwerk eine neue Bleibe gefunden.
Fünf Anlagen auf 220 Quadratmetern
Auf 220 Quadratmetern findet man in mehreren Räumen fünf Anlagen in unterschiedlichen Größen: von der nur neun Millimeter breiten N-Spur bis zur Spur 1 im Maßstab 1:32. Letzteres ist „die Königsklasse“, sagt Vereins-Vize Ingo Kleeberg beim Blick auf die Anlage, die die 2006 gegründete Interessengemeinschaft Größere Spuren Rhein-Main im Radwek gebaut hat und die die frühe Zeit der Bundesbahn repräsentiert – auf 150 Metern Gleisen und mit 31 Weichen.
Die Vielfalt der Anlagen sei für einen Modellbauklub durchaus ungewöhnlich, sagt Bernd Laukel. Die Vereinsanlage der großen LGB-Spur (die Abkürzung für Lehmann-Garten-Bahn geht auf den Nürnberger Modellbahnhersteller Ernst Paul Lehmann Patentwerk OHG zurück) hat gleich vier Ebenen, auf denen Züge fahren – vom tiefsten Tal bis in die Höhen einer aufwendig modellierten Gebirgslandschaft.
Züge durch digitale Technik in Bewegung gesetzt
Die Züge werden bei allen Anlagen mittels digitaler Technik in Bewegung gesetzt, mit der jede Lok einzeln angesteuert werden kann. Das Analoge bei Modelleisenbahnen hat längst ausgedient. Sogar GPS hat Einzug gehalten bei den Eisenbahnfreunden. Über das Navigationssatellitensystem können die Züge noch genauer aufeinander abgestimmt werden.
In Sachen Digitalisierung ist die kleine N-Spur-Anlage im Radwerk spitze. Die Fahrdaten werden alle im Computer einprogrammiert. Noch sind die Aufbauten im Entstehen. Die Anlage ist auch in Sachen Modellbau etwas Besonderes. „Der lange Bahnsteig ist ausschließlich am 3-D-Drucker entstanden“, erklärt Ingo Kleeberg. Das gilt ebenso für spezielle Teile auf anderen Anlagen, etwa eine Tunneleinfahrt.
Auch wenn einzelne Gruppen im Verein vorwiegend an „ihren“ jeweiligen Anlagen bauen und es Spezialisten etwa für Fahrtechnik oder Landschaftsbau gibt, so sei das gemeinsame Werkeln im Radwerk das Verbindende des Vereins, unterstreicht Bernd Laukel. Das gelte auch für die Jugendarbeit, auf die man ein ganz besonderes Augenmerk richtet. Immerhin ein halbes Dutzend der Mitglieder sind junge Leute. „Unser jüngstes Mitglied ist acht Jahre alt“, sagt Kleeberg, „unser ältestes 82“.
Fast alle, die regelmäßig an den Vereinsanlagen bauen, haben auch eine eigene Modelleisenbahn daheim, üben ihr Hobby quasi zweigleisig aus. In der Regel gehören die Gleisanlagen im Radwerk dem Verein, die Züge den Mitgliedern selbst. Und die Loks, die auf den Schienen fahren, kosten schnell ein paar Hundert Euro. Umso mehr achtet man darauf, dass bei den Eisenbahnfreunden alle mitmachen können. Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 180 Euro im Jahr, Jugendliche zahlen sogar nur 30 Euro.
Nicht nur Züge, auch Autos fahren
Auf der großen HO-Anlage, auf der man neben Szenerien aus Hanau beispielsweise auch ein imposantes Modell der Casella-Farbwerke findet, fahren übrigens nicht nur Züge, sonders auch Autos. Und das zum Teil mit besagter GPS-Technik, damit sie sich nicht ins Gehege kommen.
Weitere Infos
Einmal im Monat bieten die Eisenbahnfreunde Fahrtage an, bei denen man die Anlagen in Betrieb erleben kann, das nächste Mal am Wochenende 7. und 8. Januar jeweils von 13 bis 17 Uhr im Radwerk, Gutenbergstraße 7. Weitere Infos im Internet unter eisenbahn freunde-hanau.de (Von Christian Spindler)



