Verwitterte Mahnmale vor dem Gedenktag an die NS-Opfer aufpoliert

Es dämmert bereits an diesem Dienstagnachmittag, als sich die kleine Gruppe von Freiwilligen vom zivilgesellschaftlichen Ausschuss des Bundesförderprogramms „Demokratie leben!“ mit Schwämmen, Lappen und Eimern ausgerüstet auf den Weg zum Reinigen der Heusenstammer Stolpersteine macht.
Heusenstamm – Insgesamt 27 Stolpersteine sollten es eigentlich in der Altstadt sein, zur Stunde seien jedoch nur 16 Steine an sieben Orten verlegt worden. „Das liegt zum Teil daran, dass manche Hausbesitzer das nicht wollen,“ erzählt der Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Roland Krebs. Einige würden sich Sorgen machen, dass Passanten aufgrund der Gedenksteine denken würden, man habe sich dort an der Deportation der jüdischen Familien aus Heusenstamm bereichert.
Die besorgten Eigentümer davon zu überzeugen, dass es bei dem Projekt der Stolpersteine nicht um Schuldzuweisungen an die jetzigen Besitzer, sondern um einen aktiven Beitrag zum Gedenken an die Gräuel des Nationalsozialismus gehe, ist man seitens der Heusenstammer Gruppe von „Demokratie Leben!“ bemüht. „Natürlich nehmen wir die Bedenken der Hausbesitzer ernst. Allerdings glauben wir, dass sich diese Bedenken durch Kommunikation ausräumen lassen,“ sagt die Koordinatorin des Projekts, Hella Rabien. Dazu habe man mit der Stadt vereinbart, das Gespräch mit den Hausbesitzern zu suchen, um so von offizieller Seite den Bedenken zu begegnen und sie ausräumen zu können, berichtet Rabien.
Die bereits verlegten Steine in Heusenstamm haben die Politur mittlerweile bitter nötig. Kaum erkennen lassen sich bei einigen die Namen der deportierten Heusenstammer Jüdinnen und Juden und der Ort ihrer Ermordung. Mit viel Geduld und etwas Ellenbogenschmalz machen die Freiwilligen von „Demokratie leben!“ sie wieder sichtbar. Das Gedenken an die verschleppten und ermordeten jüdischen Heusenstammerinnen und Heusenstammer aufrecht zu erhalten, sei ein aktiver Prozess, sagt Hans-Jürgen Schwald. Von Berufs wegen sei er bei der Awo, an der Reinigung der Stolpersteine würde er aber als engagierter Bürger teilnehmen. „Wir wollen besonders jüngere Menschen dazu bewegen, sich mit der Aufarbeitung der NS-Geschichte Heusenstamms zu beschäftigen,“ sagt er.
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sei der virtuelle Stadtrundgang „Heusenstamm in der NS-Zeit“. An verschiedenen Orten in der Heusenstammer Altstadt seien dafür QR-Codes angebracht, die einfach mit dem Smartphone gescannt werden können und über die man sich zur Geschichte des jeweiligen Ortes und deren ehemaliger Bewohner informieren könne. Einige Stationen des Rundgangs würden sich mit den Orten der Stolpersteine decken. Andere, wie zum Beispiel ein Eintrag zur ehemaligen Heusenstammer Synagoge, darüber hinaus gehen.
Schließlich ist es schon dunkel in den Straßen der Heusenstammer Altstadt. Die Temperaturen sind weit unter null gefallen, als die letzten der Messingplatten mit dem Poliertuch glatt gerieben werden. Zeit auch für die Freiwilligen von „Demokratie leben!“ nach Hause zu gehen.
Am Freitag, zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“, um 16.30 Uhr, werden sie wiederkommen und die Stolpersteine mit Blumen und Kerzen schmücken. Alle interessierten Heusenstammerinnen und Heusenstammer sind herzlich dazu eingeladen, sich ihnen dabei anzuschließen. Treffpunkt ist am Haus der Stadtgeschichte in der Eckgasse 5. (Philipp Bräuner)
