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Sie retten Streuner aus den Trümmern

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Von: Lisa Mariella Löw

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Nachhaltiger Tierschutz: Markus Hegen von der Tiernothilfe Ukraine leistet medizinische Grundversorgung.
Nachhaltiger Tierschutz: Markus Hegen von der Tiernothilfe Ukraine leistet medizinische Grundversorgung. © P

In der ukrainischen Stadt Saporischschja steckt ein blinder Hund in einem tiefen Krater fest. Seit Tagen liegt er dort. Schwach, abgemagert und blind. Aus eigener Kraft kommt er nicht mehr heraus. Doch der Tierrettungsdienst entdeckt ihn und bringt den Vierbeiner in eine Pflegestelle nach Kiew. Der Verein Tiernothilfe Ukraine übernimmt die Verantwortung für den verletzten Hund, päppelt ihn auf und trägt die Klinikkosten.

Heusenstamm – Mittlerweile reagiert er schon auf seinen Namen „Diego“ und spielt mit den anderen Katzen und Hunden in der Pflegestation. Es sind solche „Herzenshunde“, denen Markus Hegen, Vorsitzender der Tiernothilfe Ukraine, immer wieder bei seiner ehrenamtlichen Tierschutzarbeit in der Ukraine begegnet.

Als er 2017 Urlaub in Tschernobyl macht, begegnet ihm der Streunerhund Toskar auf einer verlassenen Straße. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt der Tierschützer aus Heusenstamm. Durch Toskar wird Markus Hegen bewusst, wie viele Straßenhunde in der Ukraine leben. Das liege unter anderem daran, dass es dort keine staatlichen Tierheime wie in Deutschland gibt, erzählt damals seine Touristenführerin Ludmilla. Die Herrchen müssten Geld bezahlen, um die Tiere abzugeben. Die Ukrainerin und der Rembrücker freunden sich an. Da Ludmilla die Sprache spricht, knüpft Hegen über sie 2017 erste Kontakte mit ukrainischen Tierheimen. Gemeinsam mit der Tiernothilfe Ukraine sammelt er Spenden, damit sich lokale Tierschützer um die streunenden Hunde kümmern können.

Fünf Jahre später bricht der Krieg aus. „Ich war erst mal in einer Schockstarre. Aber dann war es für mich selbstverständlich, dass ich weitermache und helfe, wo ich kann“, sagt Hegen. Viele Ukrainer mussten ihre Tiere auf der Flucht zurücklassen, oder sind nicht mehr in der Lage, die Tiere zu versorgen. Deswegen kümmern sich Markus Hegen und seine neun ehrenamtlichen Mitglieder der Tiernothilfe Ukraine um unzählige Futterstellen, an denen die verlassenen Tiere Nahrung finden. Bis zu zwei Tonnen Futtertransport organisiert der Verein im Kriegsland. Außerdem bringen sie verletzte Tiere und Streuner wie Diego aus den Kriegsgebieten.

Damit sich die Tiere nicht vermehren, hat die Tiernothilfe Ukraine eine Kastrationspraxis in Kiew eingerichtet, in der Hunde und Katzen für kleines Geld kastriert werden. Denn Markus Hegen möchte nachhaltigen Tierschutz betreiben. Sein Tierärzteteam zeigt den Ukrainern, wie sie die Tiere kastrieren und operieren können: „Wir helfen den Helfern vor Ort, damit sie es irgendwann ohne uns können“, sagt Hegen.

Das zehnköpfige Team reist aber auch in unmittelbare Kriegsgebiete, zuletzt nach Lyman. „Ich habe jeden Tag die Artilleriegeschosse gehört“, berichtet der Rembrücker. Tagelang hatten sie kein Internet, kein Strom und kein warmes Wasser. „Es war beeindruckend, zu sehen, was die Menschen dort aushalten“, sagt Hegen.

Die Ukrainer brachten ihre Tiere in Säcken und Pappkartons zur Kastration und freuten sich über die medizinische Grundversorgung ihrer Vierbeiner. In vier Tagen hat die Tiernothilfe Ukraine über 440 Hunde und Katzen kastriert und gegen Tollwut geimpft. Manchmal sei es auch bedrückend gewesen, eine Ukrainerin kümmere sich mit ihrer zehnjährigen Tochter um 14 Katzen, die im Flur ihres Hochhauses leben. „Ich fahre zurück in mein sicheres Deutschland und sie harrt dort mit ihren Tieren aus“, sagt Hagen.

Ludmilla ist mittlerweile aus ihrer ukrainischen Heimatstadt geflüchtet und wohnt jetzt bei Markus Hegen. Sie hilft ihm dabei, Hilfstransporte zu organisieren. Auch Streunerhund Toskar hat in der Rembrücker Wohnung Unterschlupf gefunden, ebenso wie „Pudelchen“. Den kleinen Pudel haben die beiden an einer Mülltonne in der Ukraine gefunden. „Sie ist dem Tod schon oft von der Klinge gesprungen“, sagt Hagen. Allerdings sei es sehr schwer, Tiere nach Deutschland zu bringen, da die Ukraine „ein nicht gelistetes Drittland ist und zum Beispiel Welpen erst drei Monate nach ihrer Tollwutimpfung ausreisen dürfen“, erklärt der Tierschützer. Das Adoptieren der Hunde und Katzen sei aber nicht sein Ziel, sondern die Stärkung des Tierschutzes vor Ort. Neben dem Kriegsende wünscht er sich vor allem ein Bewusstsein für die Wichtigkeit einer Kastration, denn nur so werde es langfristig weniger Streuner geben.

Auch nach dem Krieg wird die Tiernothilfe Ukraine weiter in das Land fahren und sich um die Tiere kümmern: „Ich helfe, so lange ich kann“, sagt Markus Hegen. (von Lisa Mariella Löw)

Infos im Internet: tiernothilfe-ukraine.de

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