Ball plädiert für ausgewogene Mischung von Gewerbe und Wohnen

Wer sich der Stadtentwicklung widmet, sitzt oft zwischen den Stühlen. Besteht das Dilemma doch darin, einerseits genügend Gewerbeflächen zu ermöglichen, damit Geld in die Kasse der Kommune kommt. Andererseits gilt es, den ansteigenden Wohnbedarf zu befriedigen. Wie es in der Schlossstadt mit diesen beiden Notwendigkeiten aussieht, präsentierte Bürgermeister Steffen Ball bei einem Rundgang mit Interessierten.
Heusenstamm - Ziel des Spaziergangs waren drei Quartiere, bei denen noch nicht klar ist, was sie einmal werden sollen: Der Weg führte vom ehemaligen Fernmeldezeugamt an der Philipp-Reis-Straße zum Brückenbauhof an der Industriestraße bis zum Campus-Gelände.
Bereits an der ersten Station informierte Ball darüber, dass die dortigen Projektentwickler vier- bis fünfstöckige Wohngebäude hochziehen möchten. Aktuell ist der Bestand unterschiedlich genutzt. Neben einem Hort sind unter anderem der Rugby-Club und das Depot des Frankfurter Museums für Kommunikation untergebracht. „Die Frage ist also, was wir in Zukunft hier zulassen“, sagte der Bürgermeister. Grundlage sei immer der Flächennutzungsplan, steuern könne die Stadt über das Planungsrecht.
Dabei stellte Ball zwar fest, allein seit Anfang des Jahres sei Heusenstamm um rund 1000 Neubürger gewachsen, warnte aber zugleich davor, zunehmend Gewerbegebiete den Wohnentwicklern zu überlassen. So liege beim Fernmeldezeugamt seine eigene Präferenz eher bei einer gewerblichen Nutzung des Areals, eventuell gemischt mit Wohnen im Sinne eines urbanen Quartiers. Gewerbe im Heusenstammer Außenbereich anzusiedeln sei kaum noch möglich, man müsse also angesichts der leeren Stadtkassen und der zu zahlenden Pflichtaufgaben um jeden Quadratmeter für eine entsprechende Nutzung ringen.
Ähnliches gelte für den alten Brückenbauhof der Bahn an der Industriestraße. „Hier gab es die unterschiedlichsten Ideen bis hin zum Fachmarktzentrum“, berichtete der Bürgermeister. Derzeit Heimat einer Spedition, möchte auch der dortige Investor Wohnraum schaffen. „Es handelt sich aber um eine reine Gewerbefläche, die umgewidmet werden müsste“, so Ball. Ein solch großes Areal ausschließlich für Wohnen zu nutzen, halte er für schwierig. Vorstellbar sei eher eine Art „Handwerkerhof“ mit Fachbetrieben aller Art. „Wir werden mit Ideen, die wir selbst entwickeln, auf den Markt gehen“, kündigte Ball an. Eventuell mit Kompromissen zwischen Wohnen und Gewerbe. „Wir müssen das diskutieren, dabei gibt es kein Richtig oder Falsch.“
Recht zufrieden zeigte sich der Bürgermeister mit dem Fortschritt auf dem Campus, dem früheren Postbildungswerk, wo die Gebäude ebenfalls eine bewegte Geschichte haben. Dort wirkt seit einiger Zeit die Allegron-Group, bekannt dafür, leer stehenden Gebäuden neues Leben einzuhauchen. Geplant sind neben Büroflächen etwa ein Hotel und eine Kita mit 137 Plätzen, die der ASB betreiben wird. Einen großen Teil der Bauten übernimmt die Caritas unter anderem mit altersgerechtem Wohnen und einem Intensiv- und Pflegebereich. Auch an Wohnen ist gedacht, allerdings nicht en gros und im Block. Nach Aussagen Balls könnten 40 Tiny-Houses, also Mini-Häuser auf dem Flachdachgebäude entstehen. „Das wird ein lebendiges Quartier“, glaubt Ball. Auch wenn ein Teil des Geländes noch der Telekom gehöre und offen sei, was damit passiert. „Wir sind im Dialog und haben planungsrechtlich die Hand drauf, denn wir wollen nicht, dass hier hunderte Wohnungen gebaut werden.“
Von Barbara Scholze