Gemeinsamer Heiligabend bei der evangelischen Gemeinde

Damit Menschen ohne Angehörige Heiligabend nicht allein verbringen müssen, organisiert Heidemarie Eickmeier von der evangelischen Gemeinde in Heusenstamm ein Zusammensein.
Heusenstamm – Die Tische zieren Teelichter in eckigen Gläsern, Schalen mit Lebkuchen und Becher mit langem, salzigem Gebäck. Zur Begrüßung stoßen kaum zwei Dutzend Gäste mit Wasser, Apfelsaft oder alkoholfreiem Hugo an und erinnern sich an alte Zeiten, „als sich die Kinder über Nüsse gefreut haben“, erzählt Heidemarie Eickmeier. Sie führt durch den „Heiligen Abend in Gemeinschaft“, der zum zweiten Mal im Gemeindezentrum neben der Gustav-Adolf-Kirche gefeiert wird.
Der 51-jährige Michael aus Rodgau packt bei dem Treffen mit an. Mit einer geöffneten Flasche geht er die beiden Tischreihen ab, schenkt Hugo nach. Seine Frau und die zwei Töchter seien ausgezogen, ohne das Treffen säße er an Heiligabend allein daheim. „In Rodgau gibt es ein solches Zusammensein nicht“, sagt er, darum habe er in der Schlossstadt seine Hilfe angeboten.
Leiterin Eickmeier hat ein ganzes Heft mit Geschichten und Gedichten erstellt, aus dem sie in Kerzenschein und dem Licht einer Leselupe rezitiert. Sie liest Verse von Hermann Hesse und Friedrich Silcher vor, „Die Weihnachtsmaus“ von James Krüss, Liedtexte wie „Vom Himmel hoch“, das Martin Luther verfasst hat, und die biblische Weihnachtsgeschichte.
Immer wieder kommen die Anwesenden, meist ältere Menschen, ins Plaudern. „Heute gibt’s keine Wunschzettel mehr, das sind ja Bestelllisten“, kritisiert eine Frau aus Obertshausen den Wandel. Sie ist mir ihrer Freundin gekommen, beide haben ihre Männer schon beerdigt, berichten die beiden später.
Ein Herr, der mit Frau und erwachsener Tochter gekommen ist, zeigt Bilder von Weihnachten in der verschneiten ostpreußischen Heimat. Sie seien mit Eickmeier befreundet, wohnten früher in Heusenstamm, seien jetzt in Offenbach zu Hause und in der Gemeinde in Obertshausen aktiv. „Wir wollten einfach hier sein“, sagt der Ehemann. Die älteste Teilnehmerin wird bald 93 Jahre alt und ist wie jedes Jahr mit dem Fahrrad gekommen. Die Idee des Treffens stammt von einem Studenten aus der Gemeinde, er hat sie erstmals vor sieben Jahren mit einigen Freunden und dem damals noch in Heusenstamm aktiven Pfarrer Sven Sabary im Familienzentrum verwirklicht.
„Menschen geben ungern zu, dass sie einsam sind“, erklärt die Vereinsvorsitzende, dass nur wenige Leute aus der ursprünglichen Zielgruppe dabei sind. Doch die Anwesenden unterhalten sich angeregt und in familiärer Atmosphäre bei Lachsschnittchen, Frikadellenbällchen und Trauben-Käse-Spießen. (Von Michael Prochnow)