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Nur 270 Kilo statt drei Tonnen Gold: Heusenstammer bringt Anleger um Erspartes

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Der frühere Geschäftsführer des mittlerweile insolventen Goldhändlers PIM (links) ist zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden.
Der frühere Geschäftsführer des mittlerweile insolventen Goldhändlers PIM (links) ist zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. © Sebastian Gollnow/dpa

Der ehemalige Geschäftsführer des Heusenstammer Goldhändlers PIM hat Anleger um ihre Erspartes gebracht. Dafür hat ihm das Landgericht eine saftige Strafe verpasst.

Heusenstamm/Darmstadt – Der frühere Geschäftsführer des insolventen Goldhändlers PIM aus Heusenstamm ist am Montag vom Landgericht Darmstadt zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Die Kammer sah in ihrem Urteil die Vorwürfe des Betruges und der vorsätzlichen Geldwäsche gegen den 51-Jährigen als erwiesen an. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gesamtfreiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren, die Verteidigung fünf Jahre und neun Monate gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Beide Seiten wollen prüfen, ob sie in Revision gehen werden.

Die PIM Gold GmbH in Heusenstamm soll von 2016 bis September 2019 mit Kunden Lieferverträge einschließlich Bonusversprechen über Gold abgeschlossen, diese dann aber nicht erfüllt haben. Zinsen sollen nach einer Art Schneeballsystem mit dem Geld neu angeworbener Kunden ausgezahlt worden sein. Der 51 Jahre alte Ex-Geschäftsführer sitzt seit mehr als drei Jahren in Untersuchungshaft.

Haftbefehl gegen Ex-PIM-Geschäftsführer außer Vollzug: Er verließ das Gericht als freier Mann

„Die Anleger sind nach unserer Überzeugung getäuscht worden“, sagte der Vorsitzende Richter Felix Diefenbacher bei der Urteilsbegründung. Der angeklagte 51-Jährige nahm den Richterspruch gefasst hin und folgte der fast zweistündigen Urteilsbegründung konzentriert. Er konnte das Gericht erst einmal als freier Mann verlassen. Die Wirtschaftsstrafkammer setzte den Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug.

Nach drei Jahren und drei Monaten Untersuchungshaft unter erschwerten Bedingungen wegen der Corona-Pandemie erlegte ihm das Gericht bis zum Antritt der Reststrafe Meldepflichten auf. „Dass er erstmal freikommt, war ihm sehr wichtig“, sagte Verteidigerin Stefanie Schott.

Scheitern nicht eingestanden: Ex-Geschäftsführer von Goldhändler PIM muss in Haft

„Es war nicht von Anfang an betrügerisch angelegt“, sagte Richter Diefenbacher über die Geschäfte der PIM. Der Angeklagte habe in seinem Geständnis angegeben, 2017 die Schieflage des Geschäfts bemerkt zu haben. Nach Auffassung der Kammer sei dies bereits 2016 der Fall gewesen. Trotzdem habe der 51-Jährige die Geschäfte weiter laufen lassen. „Sie hätten sich eingestehen müssen, gescheitert zu sein“, sagte der Richter.

Schon 2016 habe der Beschuldigte nicht mehr ernsthaft daran geglaubt, dass das Unternehmen noch erfolgreich geführt werden könne. Schon da habe es einen gravierenden Fehlbestand beim Gold gegeben, der sich immer weiter vergrößert habe.

Gläubiger von Goldhändler PIM aus Heusenstamm warten auf 140 Millionen Euro

Nach der Aussage des Insolvenzverwalters im Prozess hätten rund drei Tonnen Gold irgendwo in Tresoren liegen müssen. Gefunden wurden allerdings nur 270 Kilo Gold und weitere 180 Kilo Schmuck. Rund 7000 Gläubiger hätten berechtigte Ansprüche in Höhe von rund 140 Millionen Euro. Die tatsächliche Höhe liege insgesamt bei den rund 140 Millionen, bestätigte auch Diefenbacher. „Wir können das nicht genau beziffern.“

Anleger verloren durch die Versprechen von PIM-Gold und durch ihre Investitionen ihre Altersversorgung, lösten Bausparverträge auf und legten Erbschaften an im Hoffen auf hohe Renditen. Doch das Hoffen auf Gewinne nahm 2019 ein jähes Ende.

Das Verfahren ins Rollen brachte 2017 ein ehemaliger Mitarbeiter, der sich mit dem Angeklagten überwarf und Anzeige erstattete. Im September 2019 wurde dann ein Haftbefehl gegen den 51-Jährigen vollstreckt und die Firma ging in die Insolvenz.

Der Fall sorgte dafür, dass Heusenstamm im Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Osthessen bei der Kriminalitätsstatistik zwischenzeitlich auf dem dritten Platz hinter Offenbach und Hanau landete. (dpa)

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