„Lebensgefährlich für Radfahrer“: Harsche Kritik am geplanten Verkehrsversuch auf der Industriestraße

Der vom Heusenstammmer Magistrat geplante Verkehrsversuch an der Industriestraße sorgt noch vor dessen Beschluss für Unmut.
Heusenstamm – Der vom Magistrat geplante Verkehrsversuch an der Industriestraße sorgt noch vor dessen Beschluss für Unmut. In den sozialen Netzwerken wird vor allem der angedachte veränderte Verkehrsfluss harsch kritisiert. Und auch aus der Opposition sind Zweifel an dem wissenschaftlichen Versuch zu hören.
Es soll ein in Hessen bisher einmaliger Verkehrsversuch werden. Der Magistrat plant, auf der Fahrbahn der Industriestraße zwischen der Lessingstraße und der Philipp-Reis-Straße in beiden Richtungen Schutzstreifen für Fahrräder zu markieren (wir berichteten). „Das ist eigentlich dort gar nicht erlaubt, weil die Fahrbahn zwischen den beiden Schutzstreifen dann zu schmal ist“, erklärt Bürgermeister Steffen Ball das Novum. Daher sei der Versuch vom Regierungspräsidium Darmstadt sowie der Polizei abgesegnet worden.
Ball wolle einen Verkehr auf Augenhöhe schaffen und die Radfahrer besser schützen. Zudem hätten die Stadtverordneten dem Anbringen der Schutzstreifen schon vor Jahren zugestimmt, meint der Rathauschef. Beginnen soll der Verkehrsversuch im Frühjahr – sofern die Stadtverordneten diesem in ihrer kommenden Sitzung am 15. Februar zustimmen.
Am Sinn des Vorhabens mehren sich allerdings schon vor dessen Beginn die Zweifel. Im sozialen Netzwerk Facebook ist die Entrüstung groß. „Meiner Meinung nach eine ziemlich schwachsinnige und unnütze Geldverschwendung!“, schreibt ein Nutzer. „Wir fahren dort seit Jahren mit dem Fahrrad und mit dem Auto. An der Straßenführung sollte überhaupt nichts geändert werden.“
Auch andere Nutzer kritisieren das Vorhaben. Eine Frau kommentiert: „Ich finde die Idee ziemlich unsinnig.“ Für sie sei der Gehweg, den Radfahrer derzeit mitnutzen dürfen, „so breit, dass alle Platz haben.“ Ein Mann bemängelt indessen: „Wenn ich dort mit dem Rad unterwegs bin, fühle ich mich auf der Gehweg/Radweg-Kombination definitiv sicherer als auf einem Streifen auf der Autofahrspur.“
Mancher Nutzer hält den Ort des Versuchs für falsch gewählt. „Es ist und bleibt die Straße ins Industriegebiet, da fahren sehr viele Autos, auch Lkw“, meint eine Frau. Es sei daher gefährlich, dort den Radverkehr auf die Straße zu verlagern, selbst bei einer geringeren Höchstgeschwindigkeit. Zuspruch erhält sie von einer weiteren Heusenstammerin. Sie sieht den geplanten Verkehrsversuch als „lebensgefährlich für die Radfahrer“ an.
Ein anderer Nutzer ist sich sicher, dass die Fahrbahn nur optisch verengt werde, die Autofahrer an ihrem Fahrverhalten allerdings nichts ändern würden. Er schreibt: „Diverse Autofahrer werden den farblich abgesetzten Fahrradweg immer wieder mit zwei Rädern zumindest kurzzeitig befahren.“ Dies sei auch bei ähnlichen Konzepten in anderen Städten zu beobachten.
Kritik kommt auch aus der Opposition. „Die Industriestraße ist nicht der richtige Ort für so einen Versuch“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Lang. Die Straße werde als Zubringerstraße für Gewerbe und Einkaufsmärkte viel von Autos und Lkw befahren, zudem nutzen diese Pendler, die nach Offenbach oder Dietzenbach müssten. Lang verweist zudem auf ein Sicherheitsaudit aus dem September 2020. Schon damals hatte der Verkehrsplaner Marcell Biederbick auf der Industriestraße sowie der Schillerstraße unter anderem „keine sichere und stetige Radverkehrsführung“ festgestellt.
Biederbick monierte ebenfalls, dass die eingerichteten und ausgewiesenen Radwege nicht den geltenden Regeln entsprächen. „Es liegt keine sichere und stetige Radverkehrsführung vor“, resümierte der Verkehrsplaner 2020. „Offenbar ignoriert man die Analyse der Situation Industriestraße und die dazu dargestellten Lösungsvorschläge eines Sicherheitsaudits“, kritisiert Lang den Magistrat. Darüber hinaus wirft der Sozialdemokrat dem Gremium vor, unnötige Kosten zu produzieren. (Von Joshua Bär)