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Demenzparcours bei der Awo Heusenstamm zeigt, wie Betroffene mit der Krankheit leben

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Gar nicht so leicht: Carsten Müller, Sozialdezernent des Kreises Offenbach, muss ein Auto nur mithilfe eines Spiegels zum Ziel führen.
Gar nicht so leicht: Carsten Müller, Sozialdezernent des Kreises Offenbach, muss ein Auto nur mithilfe eines Spiegels zum Ziel führen. © bär

Der Kreis Offenbach möchte auf Demenz aufmerksam machen. Mithilfe eines Demenzparcours im Awo-Seniorenzentrum in Heusenstamm zeigt er Angehörigen, wie sich Betroffene mit der Erkrankung fühlen.

Heusenstamm – Einen Tisch decken, mit dem Auto fahren oder eine Bluse zuknöpfen. Für Menschen mit Demenz sind einfache Dinge oft mühsam. Wie schwer es Betroffenen fällt, Alltägliches zu vollbringen, zeigt das Seniorenheim der Awo in Heusenstamm bei einem Parcours im Horst-Schmidt-Haus.

Demenzparcour zeigt, wie schwer es für Betroffene ist, sich Frühstück zu machen

Wie viele Handgriffe sind nötig, um sich ein Frühstück mit Käsebrötchen und löslichem Kaffee zuzubereiten? 42. So viele Karten hat Yasmin Altmann vor sich auf dem Tisch gestapelt. Auf der Vorderseite sind die einzelnen Handlungsschritte abgebildet, auf der Rückseite stehen Nummern. Die Aufgabe: Die einzelnen Schritte in der richtigen Reihenfolge hinlegen. Was einfach klingt, benötigt Zeit und ein gutes Auge. „Ich weiß die Reihenfolge selbst nicht genau, obwohl das heute schon zwei Teilnehmer gemacht haben“, gibt Altmann zu. Die 21-Jährige absolviert derzeit eine Ausbildung zur Altenpflegerin und zeigt an diesem Tag Besuchern, wie schwer es für Menschen mit Demenz sein kann, sich allein ein Frühstück zu machen.

Die Aufgabe ist Teil des sogenannten Demenzparcours, den die Leitstelle Älterwerden des Kreises Offenbach entwickelt hat. Bis 2030 rechnet der Kreis mit rund 10 000 Erkrankten. „Da ist eine Steigerung von etwa einem Drittel“, sagt Leitstellen-Mitarbeiterin Anja Breitenbach. Der Parcours soll Pflegeeinrichtungen wie Angehörigen dabei helfen, zu verstehen, wie sich Demenzkranke fühlen.

Demenzparcours des Kreises Offenbach fordert Konzentration und Geduld

An den Stationen ist Konzentration und Ruhe gefragt – sowie ein hohes Maß an Frusttoleranz. Viele Betroffene würden selbst ungeduldig, wenn sie Aufgaben, die sie vor wenigen Tagen oder Wochen noch ohne Mühe bewältigt hätten, nicht mehr ausführen können, betont Roza Bering, Leiterin des Seniorenzentrums. Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch die Angehörigen angemessen reagieren können, sei es wichtig, dass sie wüssten, wie sich ihr Gegenüber fühlt. Sie ist daher froh über das Angebot.

Auch Frank Wagner ist dankbar, dass es den Parcours gibt, denn er weiß, wie schwierig der richtige Umgang mit Demenzkranken ist. Seine Mutter ist seit sechs Jahren im Seniorenzentrum, und noch heute mache er immer wieder dieselben Fehler. „Ich frage sie zum Beispiel, was es an dem Tag zu essen gab und wenn sie es nicht weiß, frage ich sie weiter, obwohl ich sie damit unter Druck setze und sie sich verschießt.“ Der Parcours helfe ihm dabei, sich in die Situation seiner Mutter zu versetzen. „Man wird aufgeklärt, wie es ist, mit dieser Krankheit zu leben.“

Sozialdezernent des Kreises Offenbach Carsten Müller: „Wichtig, Einblick in die Krankheit zu geben.“

An einer weiteren Station steckt Carsten Müller, Sozialdezernent des Kreises Offenbach, mit seiner Hand in einer von oben teilweise einsehbaren Holzbox und versucht, ein Spielzeugauto auf einem gezeichneten Plan zum gewünschten Ziel zu bewegen. Das Problem: Er muss beim Navigieren in einen an der Holzbox befestigten Spiegel schauen, sieht das Geschehen daher nur spiegelverkehrt. „Ich finde es wichtig, dass wir Menschen einen Einblick in die Krankheit geben können“, sagt er. Denn obwohl sich die Angehörigen richtig verhalten wollten, wüssten viele nicht, was zu tun sei. „Wer die Krankheit versteht, die Alltagsprobleme kennt und Empathie entwickelt, sorgt für mehr Lebensqualität auf beiden Seiten“, betont Müller. Damit dies auch in Zukunft möglich sei, werde der Parcours ein fester Bestandteil der Leitstelle Älterwerden, versichert der Sozialdezernent.

Alle Informationen zur Leitstelle Älterwerden und dem Demenzparcours gibt es bei Anja Breitenbach unter 06074 8180-5320 oder per Mail an: a.breitenbach@kreis-offenbach.de. (Joshua Bär)

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