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Deckengemälde in der St. Cäcilia-Kirche: Meisterwerk vor Verfall gerettet

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Die Heusenstammer St. Cäcilia-Kirche beeindruckt ihre Besucherinnen und Besucher durch die großartigen Deckengemälde von Christoph Thomas Scheffler.
Kunstkenner und Retter: Herbert Margraf in „seiner“ von Balthasar Neumann geschaffenen St. Cäcilia-Kirche. © Gries, Reinhold

Balthasar Neumanns barocke Grabkirche in Heusenstamm für Gräfin Maria Theresia von Schönborn-Montfort – die heutige St. Cäcilia.Kirche – gehört zu den schönsten Sakralbauten Hessens. Zum Denkmal nationalen Ranges wird sie durch die Synthese des schön geschwungenen Kirchenschiffs mit der 1641 auf Decke und Zwickel aufgebrachte Secco-Malerei von Christoph Thomas Scheffler (1699-1756).

Heusenstamm – Vor 25 Jahren wurde dieses Gesamtkunstwerk buchstäblich vor dem Absturz gerettet, vor allem von Herbert Margraf und den von ihm im März 1996 gegründeten Förderverein Balthasar-Neumann-Heusenstamm, dessen Ehrenvorsitzender er jetzt ist. Schon Anfang der 90er Jahre entdeckte Margraf während der Gottesdienste in seiner Kirche Erschreckendes: Details der Deckengemälde waren immer schlechter zu erkennen, in ölhaltiger Tempera aufgemalte Bilder schienen sich von der Decke zu lösen. 1995 hinzugezogene Fachleute und die Denkmalbehörde schlugen Alarm.

Finanziert vom Förderverein wie von der Denkmalstiftung und der Kirchengemeinde, machte sich die Fuldaer Restauratoren-Firma Jean Kramer 1997 ans Werk und brauchte bis November 1998 fast eineinhalb Jahre zur Sicherung, Säuberung und Retusche der wertvollen Gemälde. Margraf erinnert sich: „Quadratzentimeter für Quadratzentimeter wurden die Malereien auf das Gewölbe getupft, unterspritzt und fixiert, eine Geduldsarbeit.“ Der kunstsinnige Förderer hatte sich mit Schefflers Freskomalerei in Süd- und Südwestdeutschland befasst, auch vor Ort. Er wundert sich: „Ich verstehe nicht, warum dieser großartige Maler nicht bekannter ist.“ Margraf kennt sich aus mit der Biografie des barocken Meisters, der im niederbayerischen Mainburg in eine Künstlerfamilie hineingeboren wurde, erst bei seinem Vater und dann bei den Künstlerbrüdern Asam eine erstklassige Ausbildung erhielt.

„Bis heute“, sagt Margraf, „wird Scheffler, der von Augsburg aus wirkte, nicht in seiner Bedeutung erkannt. Er war sein Leben lang Lernender, auch als er einige Jahre als Laienbruder zu den Jesuiten ging, um sich über seine Kunst klar zu werden. Danach widmete er sich völlig der Freskomalerei.“ Ähnliches liest man in Heiner Martinis Scheffler-Lebensroman „Himmel und Hölle auf Decken und Wänden“, in welcher der Autor feststellt: „Eigentlich blieb vom Leben dieses tüchtigen und bescheidenen Künstlers wenig bekannt.“ Martini findet eine plastische Sprache für Schefflers harmonisch abgestimmte, warme Farbigkeit, geniale Raumansichten und sowie packende Körper- und Gruppendarstellungen. Passend dazu spricht Kunsthistorikerin Simone Hartmann in ihrer Scheffler-Doktorarbeit von „meisterhafter Visualisierung barocker Frömmigkeit“.

Freilich ist zu Schefflers vielleicht genialster Arbeit in Heusenstamm anzumerken: Hätte er seine Zyklen, statt in trockener Secco-Technik, als Fresko in feuchten Putz gemalt, wäre sie haltbarer geworden. Margraf hat dafür eine Erklärung: „Man hatte in Heusenstamm zu wenig Geld. Die Kirchenausmalung war zunächst bei Baumeister Neumann und den Würzburger Schönborn-Fürstbischöfen nicht erwünscht. Aber Maria Theresia ließ sich nicht von ihrem Wunsch abbringen und erhielt für die Gestaltung ihrer Grabkirche finanzielle Unterstützung von ihren Brüdern bis hin ins Bistum Trier.“ Bei Scheffler konnte sie dann drei Deckenmalereien bestellen. Sie selbst legte die Themen fest: fürs Langhaus ein Bild von der Auferweckung des Lazarus, für die Vierung ein Gemälde vom Ostergeschehen mit dem Sieg Christi über Tod, Teufel und Sünde, für den Chor eine Darstellung zur Anbetung des Lammes aus der Geheimen Offenbarung des Johannes. Margraf dazu: „Maria Theresia wünschte sich ein bisschen mehr Himmel auf dieser Erde…“. Das sieht man. Vielleicht war es aber auch gut, dass die Deckenbilder - bis hin zu Figuren in Grau- und Goldtönen beziehungsweise Grisaille-Technik hinter dem Altar und den Frauengestalten zu Glauben, Liebe und Hoffnung in den Zwickeln – mit Öltempera gemalt wurden. Denn das eröffnete künstlerisch mehr Möglichkeiten. Mit dem Fernglas sieht man gut, wie Scheffler diese Technik auskostete und die barocke Gesamtwirkung mit fast modernen, expressiven Pinselschlägen steigerte.

Betrachtet man das biblische Programm zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten in sich veränderndem Licht, gibt es immer neue Wirkungen. „Man kann sich hinstellen, wo man will, immer kommen andere Geschichten zum Vorschein,“ beschreibt Margraf die Wirkung der Gemälde. Für ihn ist klar: „Scheffler hat die Asams überholt, hat hier kein barockes Vielerlei geschaffen sondern ein stimmiges Ganzes, ohne schreiende Farben. Alles wirkt lebendig, aber Überfülle ist vermieden.“

In der Tat, wo sieht man in vergleichbaren barocken Kirchen derart packende Motive wie beim Bild zum Auferstandenen, als er auf Adam zugeht? Geht es nicht auch heute unter die Haut, mit den Augen dem langen Blutstrahl des Opferlammes auf dem Buch mit den sieben Siegeln zu folgen? Wie dramatisch hat Scheffler in der Vierung das Ostergeschehen kombiniert mit Luzifers Höllensturz und dem Trio Infernale, das den Kartuschenrahmen sprengt und in den Zwickel hineindrängt. Seine visionäre Sicht auf Biblisches wie auf Irdisches öffnet den Blick – auch in eine andere Welt. (Reinhold Gries)

Die Auferstehung Christi steht im Mittelpunkt des Hauptgemäldes in der Vierung der Kirchendecke. Dem Betrachter eröffnen sich eine Fülle von Details.
Die Auferstehung Christi steht im Mittelpunkt des Hauptgemäldes in der Vierung der Kirchendecke. Dem Betrachter eröffnen sich eine Fülle von Details. © Gries, Reinhold

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