„Uns fehlt es eigentlich an allem“: Apotheken in der Region kämpfen mit Lieferengpässen

Bei den Heusenstammer Apotheken gehen die Vorräte von Fiebersäften und -zäpfchen langsam zur Neige. Neue Ware ist derweil nicht in Sicht.
Heusenstamm - Besorgt blickt Jeanett Wetzel auf das Fach für Fiebersäfte. Dort, wo sonst die Flaschen mit der heilenden Flüssigkeit stehen, herrscht derzeit gähnende Leere. „Unseren Vorrat haben wir nur noch in unserem Automaten, alles andere ist aufgebraucht“, berichtet die Inhaberin der Cäcilien Apotheke auf der Frankfurter Straße. Vor allem Fiebermittel für Kinder seien knapp, sagt Wetzel, die Vorstandsmitglied beim Hessischen Apothekerverband ist. Ein Grund: die Zahl der Kranken. „Wir haben derzeit mehr Patienten als sonst.“
Auch bei den Hustensäften leert sich das Regal zunehmend, Nachschub ist derzeit nicht in Sicht. Wetzel verdeutlicht am Beispiel des Hustensaftes Mucosolvan, wie schwierig die Lage ist: So produzierten derzeit acht Hersteller die für Kinder geeignete Dosierung. Bei keinem sei es möglich, neue Ware zu bestellen. Ein gutes Dutzend Flaschen habe sie noch, wenn die verkauft sind, sei der Vorrat aufgebraucht.
Apotheken kämpfen mit Engpässen: Auch in Heusenstamm ist der Mangel an vielen Stellen sichtbar
Engpässe gebe es aber nicht nur bei diesem Produkt, sondern bei allen Fiebersäften, die aus Ibuprofen oder Paracetamol hergestellt würden, meint die Apothekerin. Überrascht ist Wetzel davon nicht: „Der Mangel, gerade bei Medizin für Kinder, hat sich schon im Sommer angekündigt.“ Sie habe daher 50 Flaschen auf Vorrat bestellt. Mehr nicht? „Ich wollte ja nicht horten.“
Fiebersätze sind aber nicht das einzige fehlende Medikament. 341 Lieferengpassmeldungen listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) derzeit. Darunter fallen neben Antibiotika, Insulinen und Antidepressiva auch Fieberzäpfchen – sowohl für Kinder, wie auch für Erwachsene. Ältere Menschen könnten Tabletten als Alternative einnehmen, bei kleinen Kindern sei das nicht möglich, „sie können keine Tabletten schlucken“, erklärt die Apothekerin. Ist das gewünschte Medikament ausverkauft, biete sie jedem Kunden eine Alternative an, sagt Wetzel. Dies geschehe bei Bedarf auch in Absprache mit dem behandelnden Arzt.
In der Linden-Apotheke zeigt sich dasselbe Problem. Auch dort werden die Medikamente knapp. „Uns fehlt es eigentlich an allem“, meint eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Wie bei anderen Apotheken seien kaum noch Fiebersäfte und -zäpfchen vorhanden – das gelte vor allem für Mittel, die Kinder einnehmen. „Wir schauen dann, welche Alternative wir anbieten können“, sagt sie und versichert, „ohne Medikament verlässt kein Kunde unsere Apotheke.“
Heusenstamm: Woher kommen die Lieferengpässe bei den Apotheken?
Doch woher kommen die Lieferengpässe? Die fehlenden, größtenteils in China und Indien produzierten Wirkstoffe seien nur ein Teil des Problems, meint Miriam Oster, Vorstandssprecherin des Hessischen Apothekerverbandes. Hauptverantwortlich sei ihrer Meinung nach das Rabattsystem, nachdem die gesetzlichen Krankenkassen mit den Herstellern Verträge abschließen. „Ein Hersteller produziert keinen Fiebersaft, wenn er diesen nur für rund zwei Euro verkaufen kann.“ Das könnten sich viele Unternehmen nicht leisten, viele Hersteller hätten bereits ihre Produktion eingestellt. „Das Gesundheitssystem wurde kaputtgespart“, meint Oster. Viele Hersteller verkauften ihre Produkte daher ins Ausland.
Die geplante Gesetzesänderung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach der Krankenkassen für Kindermedikamente mehr bezahlen sollen, begrüßt sie. „Es ist zwar nur ein Eckpunktepapier, aber ein Schritt in die richtige Richtung“. Kurzfristig werde der Engpass dadurch aber nicht beseitigt. (Joshua Bär)
Neue Aufgabe, neue Heimat, neues Glück: Für Zahet Mhanayeh hat die Flucht aus Syrien ein gutes Ende genommen. „Ich fühle mich Zuhause“, sagt der Apotheker.