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Michael Kern referiert über das Kriegsende in Heusenstamm

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Von: Claudia Bechthold

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Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand dieses Luftbild von Heusenstamm. Auf der linken Seite, am unteren Ende, ist das Schloss als markantes Gebäude zu erkennen.
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand dieses Luftbild von Heusenstamm. Auf der linken Seite, am unteren Ende, ist das Schloss als markantes Gebäude zu erkennen. © StAH / aus dem Buch „Heusenstamm 1945“ von M. Kern

Bei einem Vortrag im Heusenstammer Haus der Stadtgeschichte erinnert Michael Kern an das Kriegsende in der Schlossstadt am 26. März 1945.

Heusenstamm – Es muss eine Mischung zwischen Bangen und Hoffen gewesen sein, die die Heusenstammerinnen und Heusenstammer an jenem 26. März des Jahres 1945 begleitete. Bangen vor möglichen Angriffen der US-amerikanischen Truppen, die den Rhein vier Tage zuvor überschritten hatten und allmählich gen Osten vorrückten. Und die große Hoffnung, dass dieser furchtbare Krieg endlich zu Ende sein möge. Am 26. März 1945 besetzten die Amerikaner die Schlossstadt.

Eigentlich hatte der Heusenstammer Michael Kern seinen Vortrag zum Kriegsende genau 75 Jahre nach diesem Tag halten wollen, im ersten Jahr der Pandemie. Nun hat er – zum 78. Jahrestag – sein Vorhaben umgesetzt. Vor mehr als 80 Zuhörern berichtete der Pädagoge im Haus der Stadtgeschichte von diesem letzten Kriegstag in der Schlossstadt. Sein Buch „Heusenstamm 1945“ war aus einer Projektarbeit des Adolf-Reichwein-Gymnasiums entstanden.

Fünf Menschen haben an diesem Tag in Heusenstamm noch ihr Leben verloren. Darunter die junge Karoline Elbert. Vermutlich zur Ankündigung des unmittelbar bevorstehenden Einmarschs hatten die Amerikaner gegen 11 Uhr am Vormittag drei Granaten in Richtung Heusenstamm abgeschossen. Eine war zwischen den Häusern Kirchstraße 43 und 45 niedergegangen und explodiert. Genau zu dieser Zeit befand sich Karoline Elbert im ersten Stock des Hauses Kirchstraße 45, um für ihren Sohn warme Kleidung zu holen, denn im Bunker auf dem Grundstück war es kalt. Sie starb durch die Splitter der Granate, die die Hauswand getroffen hatten.

Dabei hatte der Tag dramatisch begonnen, als gegen 9 Uhr ein Oberleutnant mit etwa 25 jungen Soldaten im Ort erschien, um Heusenstamm zu verteidigen. Im Schulhaus an der Frankfurter Straße wollten sie sich verschanzen. Der katholische Pfarrer Franz Rau bat den Ortsgruppenleiter Karl Zeiger, diesen Trupp zum Abziehen zu bewegen. Dies gelang auch, nachdem er ihnen ein Frühstück organisiert hatte. Hätten die Soldaten die Schlossstadt verteidigt, ist sich Michael Kern sicher, hätte dies ein Bombardement für den Ort bedeutet.

Gegen 13 Uhr hätten die ersten US-amerikanischen Soldaten Heusenstamm erreicht. Sie kontrollierten viele Häuser auf der Suche nach deutschen Soldaten und Waffen, aber auch nach Essbarem wie eingemachtes Obst und Konserven. Als sich die Menschen wieder auf die Straßen trauten, begegneten ihnen die Soldaten freundlich. Den Kindern gaben sie Schokolade und Kaugummi.

Am frühen Nachmittag aber kam es noch einmal zu einem Zwischenfall. Beim Sägewerk Kaltner – neben dem heutigen Jugendzentrum – leistete eine kleine Gruppe Soldaten Widerstand. Die Amerikaner erwiderten das Feuer, vier deutsche Soldaten starben, darunter Baptist Stumpf aus Kronach in Franken, der genau an diesem Tag 18 Jahre alt geworden war. Nach gut einer Stunde Schusswechsel ergaben sich die Deutschen, sie wurden gefangen genommen.

Von 18 Uhr an galt an jenem Tag eine Ausgangssperre. Doch nicht alle Bürgerinnen und Bürger konnten dazu in ihre eigenen Häuser zurück, denn die Amerikaner hatten einige beschlagnahmt. Auch sie benötigten eine Unterkunft. Dennoch konnten die Heusenstammer in jener Nacht zum ersten Mal seit langer Zeit ruhig schlafen. Die meisten Menschen seien erleichtert gewesen, schloss Michael Kern seinen Vortrag, mancher aber habe diesen Tag auch als Niederlage empfunden.

Dem Referat war die Jahreshauptversammlung des Heimat- und Geschichtsvereins vorausgegangen. Vorsitzender Dr. Roland Krebs konnte aus diesem Anlass Gisela Cabo für 25-jährige Mitgliedschaft ehren. Weitere Jubilare waren verhindert. In seinem Rückblick berichtete er von drei Konzerten und einer Ausstellung. Weitere Schauen werden folgen.

Eindringlich brachte Krebs die Nachwuchssorgen zum Ausdruck. So müsse etwa jemand gefunden werden, der das Bildarchiv des Vereins vom erkrankten Horst Graf weiterführen könne und wolle. Die Versammlung erteilte dem Vorstand Entlastung und wählte einstimmig Dr. Hartmut von Kienle vom Bürgerforum Rembrücken als weiteren Beisitzer in den Vorstand des Vereins. (Von Claudia Bechthold

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