Individuelle Teilhabe ermöglichen

In der Küche des Cafés Pause duftet es nach frischen Äpfeln, Zucker und Eiern mit Speck, Eine kleine Schülergruppe bereitet belegte Brötchen, Pfannkuchen und frische Smoothies zu. Andere bewirten im Nebenraum die Gäste, servieren Snacks und schreiben Rechnungen. Es ist ein typischer Nachmittag in der Schule am Goldberg. 95 Schüler mit geistiger Beeinträchtigung lernen in der inklusiven Einrichtung ihren Alltag selbstständig zu gestalten und bereiten sich auf ihr späteres Arbeitsleben vor.
Heusenstamm – Schulleiterin Manuela Klein und ihr Fachkräfteteam aus Förderschullehrern, Heilpädagogen, Erziehern, Teilhabeassistenten, Logopäden sowie Physio- und Ergotherapeuten unterstützen die Kinder und Jugendlichen von der Grundschule bis zur Berufsorientierungsstufe dabei, ihren individuellen Weg zur Teilhabe an der Gesellschaft zu finden. Das fängt schon beim gemeinsamen Frühstück an: „Es geht bei uns nicht nur um Mathe und Deutsch, sondern auch um die Lebenspraxis“, sagt Klein. „Die Schüler lernen, sich selbst ein Frühstück zuzubereiten und ordentlich zu essen.“ Das reicht von grundlegenden Fähigkeiten wie das Benennen des Essens bis hin zum eigenständigen Einkaufen und Kochen nach Rezept.
Nach der ersten Mahlzeit setzen sich die Fachkräfte mit den Schülern in einen Kreis und besprechen, was sie an diesem Tag erwartet. „Diese kleinen Rituale geben gerade unseren autistischen Kindern Sicherheit“, erklärt die Schulleiterin das Ritual.
Im Laufe des Tages, der an der Ganztagsschule um 9 Uhr beginnt und um 15.20 Uhr endet, bekommen die Schüler viel Zeit, um sich frei zu beschäftigen. Die Grundschüler spielen und toben, während die Jugendlichen in freien Arbeitsphasen lernen. „Der Alltag hört ja nicht beim Frühstück auf. Die Schüler lernen auch, ihre Freizeit für sich selbst zu nutzen und sich in den Räumen zu orientieren“, sagt Klein. In der Schule gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Beschäftigung zu finden, die den Kindern Freude bereitet und ihre Fertigkeiten fördert. Im Werkraum, in dem sogar ein Brennofen steht, können sie nach Lust und Laune töpfern, schnitzen und basteln. Das stärke die Feinmotorik der Schüler, sagt Klein.
Im Klanggarten können die Kinder auf Hölzer klopfen und gemeinsam singen. Pausenhof und Turnhalle laden zum Rutschen, Fußballspielen, Gokartfahren und Turnen ein. Ebenfalls im Außenbereich ist der Schulgarten, in dem Gemüse und Blumen angepflanzt werden können. „Im Gartenhäuschen können wir im Frühling hoffentlich auch ein paar Eidechsen bei uns begrüßen“, sagt die Schulleiterin. Kinder, die fließend lesen können, leihen sich in der Schulbibliothek Bücher aus oder lernen im Computerraum den Umgang mit der Technik. Auch bei den farbenfrohen Dekorationen in den Gängen haben die Schüler mitgeholfen und Mosaikbilder angefertigt.
„Der Grad der Beeinträchtigung und somit der Leistungsstand unserer Schüler ist sehr unterschiedlich. Manche Kinder sprechen nicht, manche haben Gendefekte, Autismus oder das Down-Syndrom. Manchmal wissen wir aber auch nicht, welche Beeinträchtigungen sie haben.“ Doch der Bedarf an der Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung wächst. In den letzten drei Jahren hat sich die Schule um vier Klassen vergrößert. Aus Mühlheim, Obertshausen, Rödermark, Dietzenbach und Heusenstamm werden die Schüler von Zuhause abgeholt und zur Schule gebracht.
Nach der Mittagspause gibt es häufig Entspannungsphasen. „Es ist auch wichtig, dass die Kinder mal runterkommen“, sagt Klein. Das können sie auch im sogenannten Snoezelenraum. Dort gibt es ein Wasserbett, Effektlampen und ruhige Musik, um die Körperwahrnehmung zu verbessern. Manuela Klein ist nicht nur Schulleiterin und unterrichtet selbst in einer Klasse. Immer wieder ist sie auch in alltäglichen Krisen für Schüler, Lehrer und Eltern emotional nahbar: „Ich versuche, die Fäden zusammenzuhalten. Das wichtigste ist, dass sich alle hier wohlfühlen.“ (von Lisa Mariella Löw)