1. Startseite
  2. Region
  3. Heusenstamm

Tschüss, Frau Heusenstamm

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Lena Jochum

Kommentare

Überraschung zum Abschied: Mit einem Empfang im Schloss würdigten Ex-Bürgermeister Peter Jakoby (links) und der aktuelle Amtsinhaber Steffen Ball (rechts) die Arbeit unserer langjährigen Redakteurin Claudia Bechthold.
Überraschung zum Abschied: Mit einem Empfang im Schloss würdigten Ex-Bürgermeister Peter Jakoby (links) und der aktuelle Amtsinhaber Steffen Ball (rechts) die Arbeit unserer langjährigen Redakteurin Claudia Bechthold. © joko

Wer sich über das Normalmaß hinaus mit seiner jeweiligen Aufgabe identifiziert, ist vor Spitznamen nicht gefeit. Aber es schwang stets Anerkennung fürs Engagement mit, wenn die lieben Kollegen über die Frau Bieber, die Feuerwehrhauptfrau und die Frau Heusenstamm gefrotzelt haben: Die Redakteurin Claudia Bechthold hat nie halbe Sachen gemacht. Heute ist ihr letzter Arbeitstag. Der Ruhestand ruft.

Heusenstamm – Claudia Bechthold ist eines der Gesichter der Offenbach-Post, das viele Leserinnen und Leser seit Jahrzehnten kennen und schätzen, sie ist eine unverkennbare Stimme der lokalen Berichterstattung. 1982 begann ihr Werdegang bei unserer Zeitung, im Laufe dessen sie nie weniger als 100 Prozent gab. Egal, ob sie für die Stadtredaktion aus Offenbach berichtete oder, wie seit 2007, für Heusenstamm verantwortlich zeichnete; egal, ob es um Lokalpolitik, Vereinsgeschehen oder Feuerwehreinsätze ging.

Bevor sie uns verlässt, gibt’s ein Gespräch zum Abschied. Auskunft gebend die gestandene Journalistin. Neugierig und notierend die Redakteurin der nächsten Generation, die in den vergangenen Jahren bereits mehr als einmal von der Erfahrung der Kollegin profitiert hat, die den Rat der Älteren schätzt, nicht zuletzt, weil die weiß, welche Herausforderungen im Berufsalltag es insbesondere als Frau zu meistern gilt.

Die Beinahe-Ruheständlerin erinnert sich zurück an die Zeit, als sie 15, vielleicht 16 war, noch zur Schule ging. „Da hatte ich den Plan, zu studieren, um danach fürs Feuilleton einer Zeitung zu schreiben“, erzählt die gebürtige Offenbacherin. Daraus ist nichts geworden, zu groß die Bedenken, dass nach dem Studium doch kein Job wartet. Nach dem Abitur fällt dann die Entscheidung – ganz pragmatisch – für Betriebswirtschaftslehre. „Aber nur ganz kurz.“ Nach einem Praktikum in einem Hotel steigt sie dort fest ein, bleibt zwei Jahre, bis sie merkt, dass wohl auch dort nicht ihre Zukunft liegt.

„Ich war 25, als ich dann einen Journalisten kennenlernte, der mich fragte, ob das nichts für mich wäre“, erinnert sich Claudia Bechthold. Sie habe abgewunken in der Meinung, mit ihrem „Halbwissen“ fehl am Platz zu sein. „Dann sagte der Mann etwas, was ich auch heute noch so unterschreibe: Wer zu viel weiß, hört auf zu fragen.“ Für sie sei das ein ausschlaggebender Punkt gewesen, sich auf den jugendlichen Berufswunsch zu besinnen. Sie schreibt Bewerbungen, landet gleich bei der Zeitung ihrer Heimatstadt einen Treffer und beginnt am 1. März 1982 ihr Volontariat.

Mehr als 40 Jahre ist der erste Arbeitstag bei der OP nun also her. Doch nach dem Volontariat folgten Stationen in der Presseabteilung der Deutschen Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft, dann beim Offenburger Tagblatt.

Anderthalb Jahre bleibt sie in der badischen Fremde. „Dann rief mich der damalige Chefredakteur der Offenbach-Post, Lothar R. Braun, an, weil eine Stelle in der Stadtredaktion frei wurde.“ Am 1. Januar 1986 bezieht sie wieder einen Schreibtisch in der OP-Redaktion. Und ist bis heute geblieben.

Gemäß ihrem Wissen-Fragen-Motto erarbeitet sie sich dort im Laufe der Jahre unter anderem den Status der geschätzten Feuerwehr-Fachfrau, ist zunächst bei den Offenbacher Brandschützern tief in der Materie, nun seit ihrem Wechsel nach Heusenstamm dort ebenso daheim. Keine wisse so viel wie sie über Einsatzfahrzeuge, C-Rohre, Löschvorgänge, lobt ein früherer Kollege und grinst: „Und keine kann sich so schön gegen die von den Kameraden gehasste Bezeichnungen ,Blauröcke’ und ,Floriansjünger’ verwahren.“

„Mein erstes Feuer war 1987“, erinnert sich Claudia Bechthold noch ganz genau. Offenbach, Kaiserstraße. Es wurde eines von vielen, zu denen sie die Einsatzkräfte bald schon rufen sollten. Ihr Engagement bringt ihr einen eigenen Feuerwehrhelm ein, für den sie auch Jahre später noch in der Redaktion Hochachtung genießt.

„Das hat mir dann auch in Heusenstamm ein Stück weit die Türen geöffnet“, erzählt die Redakteurin, die zunächst wenig angetan war von der Idee, künftig nicht mehr aus und für Offenbach zu berichten, sondern ab 2007 aus Heusenstamm.

Doch ihre Begeisterung für die neue Wirkungsstätte ist schnell gewachsen und seither ungebrochen. „Ich habe immer mehr Menschen kennengelernt, mich immer wohler gefühlt“, sagt Claudia Bechthold und erzählt von Heusenstammerinnen und Heusenstammern, die längst Freunde sind, von einer Stadt, die mittlerweile Heimat ist. Denn schon wenige Jahre nach ihrem Start als Heusenstamm-Redakteurin hat es die Offenbacherin auch privat in die Schlossstadt gezogen.

Das klingt doch, als ob die Bilanz des nun zurückliegenden Berufslebens reichlich positiv ausfalle, oder? „Auf jeden Fall! Ich verdanke einige der größten Abenteuer meines Lebens dem Job bei der Zeitung.“ Da gibt es zum Beispiel die Pressereise in die damalige DDR, nach Leipzig, wo Claudia Bechthold und die Journalistenkollegen behandelt werden wie Königinnen und Könige, man sie aber gleichzeitig rund um die Uhr überwacht. Oder die Fahrt ins russische Orjol, durch Polen und die Ukraine, um dort die Spenden der traditionellen Offenbach-Post-Weihnachtsaktion zu überbringen.

Sie ist wohl zu bescheiden, um im finalen Gespräch all das hervorzukehren, in das sie sich über das Erwartbare hinaus reingeschafft hat. Der alte Kollege füllt die Lücken in der Bechtholdschen Arbeitsbiografie: Die Claudia sei ja auch Frau Tommy, Frau Krankenhaus und – siehe Orjol – Frau Weihnachtsaktion gewesen. Ob Musical, Klinikum oder Spendensammlung für gute Zwecke, sie habe sich dafür nicht nur das Fachwissen angeeignet, sondern sei den jeweiligen Akteuren bei aller gebotenen Distanz immer ganz nah gewesen.

„Eigentlich war kein Tag wie der andere“, resümiert sie. Genauso würde sie es wieder machen, sagt Claudia Bechthold. Trotzdem freut sich die leidenschaftliche Journalistin, die stets ihre Standpunkte auch auf die Gefahr von Auseinandersetzungen mit „Wichtigen“ hin entschieden verteidigte, jetzt auf den Ruhestand, der morgen offiziell beginnt.

Viel lesen will sie und sich außerdem in zahlreichen Vereinen engagieren. Eben all das machen, wofür im Berufsalltag mit Abendterminen, Sitzungen von Ausschüssen und Stadtverordnetenversammlung, Sonn- und Feiertagsdiensten keine Zeit blieb.

Es sei dir gegönnt, Claudia. Lass es dir gut gehen! (Lena Jochum und Thomas Kirstein)

Auch interessant

Kommentare