„Zu einer Gesellschaft der Egoisten geworden“

Dieses Mal stand ein Heusenstammer Herzstück im Mittelpunkt der Diskussion. Zum fünften Treffen unter dem Motto „Mobiles Rathaus“ hatte Bürgermeister Steffen Ball in die Frankfurter Straße eingeladen. Für die Zusammenkunft von Bürgern und Vertretern der Verwaltung hatte er den „Dalles“, den kleinen Platz neben dem Torbau, ausgesucht.
Heusenstamm – Etwa zwölf Anwohner, darunter auch Geschäftsleute, nutzten die Gelegenheit, Wünsche und Kritik anzubringen. Indes fiel es allen Beteiligten schwer, konkrete Maßnahmen anzudenken. Zu groß scheint die Gemengelage in der Hauptader der Schlossstadt. „Ad hoc habe auch ich keine Lösung, wir beschäftigen uns aber planerisch intensiv mit der Frankfurter Straße“, betonte Ball. So konnte er ankündigen, dass die Stadt 160 000 Euro aus dem Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“ beantragt hat. Zu Fragen wie der Aufenthaltsqualität und dem Straßenbild seien verschiedene Moderationsprozesse geplant. „Ein Großteil der Summe wird in die Planung fließen“, kündigte Ball an.
Momentan sei die Straße eher eine Art „Auto-Moloch“, stellte der Bürgermeister fest. „Und wir sind uns sicher alle einig, dass sie von ihrer Art her keine Fußgängerzone werden wird.“ Heusenstamm habe mittlerweile mehr Autos als Einwohner, notwendig sei aber immer der Blick auf alle Beteiligten.
Entsprechend entpuppten sich die Interessenskonflikte rund um die Frankfurter Straße in den Schilderungen der Anwohner. Da war die Rede von zunehmendem Müll, von unsicheren Fahrradfahrern, die auf den Gehweg ausweichen und von Autofahrern, die an der Post vorm Briefkasten halten und beim Einwerfen noch nicht einmal aussteigen. „Wir müssen hier mehrere Funktionen nebeneinander ermöglichen“, fasste der Bürgermeister zusammen. Da sei etwa der Einzelhandel, der Kunden und damit auch Parkplätze brauche, und ebenso gehe es um die Fußgänger. Dazu müsse die Verkehrswende mit neuen Formen der Mobilität wie E-Scootern, Lastenfahrrädern oder Rollern bedacht werden.
Indes wurde im Laufe des Gespräches die Situation auch als derzeit gesellschaftliches Problem ausgemacht. „Wir sind zu einer Gesellschaft der Egoisten geworden, in der keiner mehr auf den anderen Rücksicht nimmt“, schimpfte einer der Anwohner. Dabei könne jeder Einzelne bereits jetzt zu einer Veränderung beitragen, rief Ball zu bewusstem Handeln auf.
Wer auf einen Wandel dränge, könne nicht immer nur den anderen im Blick haben. „Wir selbst müssen auch die Bereitschaft zur Veränderung haben.“ Etwa öfter vom Auto auf das Fahrrad umsteigen oder auch die großen Parkplätze nutzen und ein paar Schritte laufen. Das gelte ebenso für Händler oder Mitarbeiter, die Plätze für Kunden freilassen könnten.
Indes gehe es auch konkret darum, andere Frequenzen als nur Handel in der Straße zu etablieren. „Unser Kernziel muss das Wohlfühlen sein“, sagte Ball. Auch beim Dalles könne die Aufenthaltsqualität erhöht werden, allerdings zeige sich auch an dem Platz, wie viele Belange unter einen Hut zu bringen seien. So würden die aufgestellten Bänke mit ihrem Standort direkt an der Straße nicht gerade zum Verweilen einladen, fielen sie weg, werde alles zugeparkt. Auch der eingebrachte Ruf nach verstärkter Kontrolle und mehr Härte sei nicht die Lösung, müsse doch immer auch die Verhältnismäßigkeit bedacht werden.
Gegen Ende des Gespräches sprach Ball noch die Anschaffung neuer Funktechnologien an, „damit könnten wir Prozesse in der Stadt messen und etwa die Parkplätze mit einem Sensor für Haltezeiten belegen.“ Geduldig beantwortete er auch individuelle Fragen und Beschwerden zu Beschilderungen, zu Blumenkübeln und hochgedrückten Wurzeln in den Heusenstammer Straßen. Dabei versprachen der Bürgermeister und sein Team manche Abhilfe, unter anderem kündigte Ball an, es solle wieder ein „Straßenbegeher“ eingestellt werden. (Barbara Scholze)