Ausstellung in Heusenstamm: Ex-Athletin erinnert sich an Münchner Olympia-Attentat von 1972

Die ehemalige Athletin Silvia Schenk erinnert sich im Rahmen der Olympia-Ausstellung in Heusenstamm an ihre Teilnahme bei den verhängnisvollen Spielen in München.
Heusenstamm – Noch immer erinnert sich Silvia Schenk an das Geräusch der Rotorblätter. 30 Jahre konnte die ehemalige Leichtathletin nicht in einen Hubschrauber steigen. Zu präsent sind die Erlebnisse des 6. September 1972. Wie Hunderte Athleten ist Schenk damals im Olympischen Dorf, als eine palästinensische Terrorgruppe ein Attentat auf die israelische Mannschaft verübt. Es hatte alles so gut begonnen. Als amtierende Deutsche Meisterin über die 800 Meter reiste Schenk – damals für die SG Eintracht Frankfurt startend – im August 1972 nach München, um an ihren ersten Olympischen Spielen teilzunehmen.
„Ich hatte damals keinen großen Druck, denn obwohl ich Deutsche Meisterin war, hat niemand eine Medaille von mir erwartet“, berichtet Schenk, während sie im Heusenstammer Haus der Stadtgeschichte die Erinnerungsstücke an die Spiele in München betrachtet. Roland Krebs, Vorsitzender des dortigen Heimat- und Geschichtsvereins, hat sie als Ehrengast zur Eröffnung der Ausstellung „50 Jahre Olympiade in München“ geladen.
Ein tolles Erlebnis seien die Spiele gewesen. „Es war eine wunderschöne Zeit, das ganze Land hat damals mitgefiebert.“ Ihre Familie ist bei den Spielen ebenfalls dabei. Der Vater als Bundeswehrarzt, die Mutter als Betreuerin. In Erinnerung ist Schenk auch die Eröffnungsfeier geblieben – besonders die damals ausgefallene Teamkleidung. „Wir Frauen trugen gelbe Mäntel und dazu Hüte, die oben blau und unten gelb waren.“ Nur die dreieinhalb Stunden Wartezeit bis zum Einmarsch – der Gastgeber war damals als Letzter an der Reihe – seien etwas lang gewesen.
Die Wettkämpfe selbst sind für Schenk schnell vorüber. Bereits im Vorlauf scheidet die damals 20-Jährige mit der neuntschnellsten Zeit aus. „Eine Hundertstel hat mir gefehlt.“ Enttäuscht sei sie aber nicht gewesen „Ich war sehr zufrieden mit meiner Leistung. Wäre ich im anderen Vorlauf gestartet, hätte ich es ins Finale geschafft.“
Die Euphorie soll wenige Tage später jedoch dem Entsetzen weichen. Wann und wie sie von dem Anschlag auf die israelische Delegation erfahren hat, weiß Schenk 50 Jahre danach nicht mehr. Woran sie sich aber genau erinnert, sind die Hubschrauber, die über das Dorf kreisen. „Ich konnte nach den Spielen nicht mehr in einen Helikopter steigen“, sagt sie. Zu traumatisch sind die Erlebnisse. Erst 2002 überwindet sie das Trauma – bei einem Rundflug um die Strecke des Radrennens um den Henniger Turm. Das Schlimmste sei jedoch die Hilflosigkeit gewesen. „Wir wollten helfen, doch konnten nichts tun.“
Die Spiele, sagt sie, sind danach im Grunde vorüber. „Das Unbeschwerte war weg, es war ein totaler Schock für uns.“ Nach Hause will Schenk dennoch nicht fahren. „Meine Eltern haben ja immer noch dort ihren Job gemacht, da wollte ich nicht heim, wo ich allein mit meinen Gedanken gewesen wäre.“ Verarbeiten kann sie das Erlebte aber auch im Dorf kaum. „Mit den Athleten hat niemand darüber gesprochen.“
Sie selbst lässt das Erlebte lange nicht los. Immer wieder treibt es sie um. „Es ist damals sehr viel verkorkst worden“, meint Schenk, die heute als Rechtsanwältin arbeitet und sich für Menschenrechte engagiert. Besonders geärgert habe sie, dass in dieser Zeit viel auf die Möglichkeit eines solchen Attentates hingedeutet habe. „Wir müssen ja nur mal daran denken, dass die RAF zu dieser Zeit sehr aktiv war.“ Dennoch hätten die Veranstalter zu wenig an die Sicherheit gedacht. Dass die Spiele nach dem Attentat weitergingen, sei aber die richtige Entscheidung gewesen. „Uns haben auch die Athleten aus Israel gesagt, dass wir weiter machen sollen.“
Trotz der schlimmen Ereignisse: Die Spiele hätten auch viel Positives bewirkt. Schenk: „Für die Stadt München war das ein Sprung in die Zukunft, man denke nur an die ganze Infrastruktur, die dadurch entstanden ist.“ Die Spiele seien ein großer Zusammenschluss von Kulturen, Sport und Bildung gewesen. Sie habe viele Menschen aus anderen Nationen getroffen, was ihr sonst verwehrt geblieben wäre. „Ich habe magische Momente erlebt, gesehen, was Menschen zu leisten im Stande sind, nicht nur, wenn es um Medaillen geht.“ Ihr Fazit der Spiele von München: „Es waren tolle Spiele und wir können noch heute von ihnen lernen.“ (Joshua Bär)