Mit Klarheit und Kraft bei der Arbeit

„Den Spessart mag ich sehr gern. Da bin ich sehr oft. Der hat so eine Unberührtheit. Da kann man lange gehen, ohne auf Zeichen menschlicher Zivilisation zu stoßen. Man kann sich dort sehr lange wie in einer Art Wildnis fühlen.“ Von Astrid Biesemeier
Das passt zur leicht rau klingenden Stimme der Schauspielerin Constanze Becker, der ungeschminkten hellen Haut und ihren langen dunklen Haaren. Wenn sie Zeit hat, fährt sie in die Natur. Sie erzählt, dass sie Brombeeren gepflückt und Marmelade daraus gekocht hat. Und mit leicht aufgesetzter Kennermiene fügt sie hinzu: „Dieses Jahr ist ein gutes Jahr für Brombeeren“ – um dann selbst über ihren Frau-Becker-empfiehlt-Ton zu lachen. Heute (19 Uhr) steht die Mimin in Michael Thalheimers Inszenierung von Sophokles’ Tragödien-Doppel „Ödipus / Antigone“ erstmals auf der Bühne des Großen Hauses im Frankfurter Schauspiel.
Es hat etwas gedauert, bis sie im Gespräch zum ersten Mal lacht. Irgendetwas an Constanze Becker vermittelt das Gefühl, dass es unangebracht wäre, sie zu ihrem Erfolg zu befragen, dass sie das möglicherweise gar nicht interessiert. Dabei wurde die gerade mal 30-Jährige im vergangenen Jahr von der Zeitschrift „Theater heute“ für ihre Rolle der Jelena in „Onkel Wanja“ zur Schauspielerin des Jahres gewählt, galt als einer der Stars am Deutschen Theater Berlin und zählt zu den beeindruckendsten jüngeren deutschen Schauspielerinnen.
Die Ruhe und Konzentration, mit der sie über einen Beruf spricht, in dem es um Emotionen geht, vermittelt den Eindruck als ginge es ihr in erster Linie um Arbeit und Erkenntnisse. Immer wieder fallen die kein bisschen mystifizierenden Begriffe Beruf oder Handwerk. Doch dass da jenseits dieser Ruhe eine Kraft schlummert, die ihre kluge Klarheit befeuert, eine Kraft, die immer wieder an ihrer Arbeit gerühmt wurde, merkt man im Gespräch, wenn die Augen flackern, die Hände anfangen zu gestikulieren.
In Ibsens „Hedda Gabler“, die schon vorab bei den Ruhrfestspielen zu sehen war und am 9. Oktober in Frankfurt Premiere hat, spielt Becker die Titelrolle. An Hedda, die ihre Jugendliebe abblitzen ließ und in der Hoffnung auf gesellschaftlichen Aufstieg den Kulturhistoriker Tesman geheiratet hat, reizt sie „eine gewisse Ziellosigkeit. Diese Inhaltsleere dieses Lebens und Gefühlskälte und wie sich das äußert in Bezug auf ihre Mitmenschen. Und der Versuch, dagegen anzukämpfen und irgendeinen Sinn zu finden, ohne dass es gelingt. Ihn austesten, reizen, spielen, zerstören, provozieren, um irgendwie am Leben teilhaben zu können und nicht das Gefühl haben zu müssen, sie sei kein aktiver Teil in diesem Leben.“
Unwillkürlich fragt man sich, ob eine Schauspielerin, die seit ihrem neunten Lebensjahr wusste, dass sie diesen Beruf ergreifen möchte, Gefühle wie Ziellosigkeit und Inhaltsleere kennt. „Ja, mein Gott, wir haben doch alle mal Momente, in denen wir nicht wissen, was das alles für einen Sinn hat.“ Das ist so einer der Sätze, aus denen das Leben spricht, ohne dass sie privat wirkt.
Und dann geht es Constanze Becker bei der Schauspielerei „nicht darum, nur Sachen zu spielen, die man selbst gerade durchlebt. Mir macht es immer viel mehr Spaß, Menschen zu verkörpern, deren Erfahrungsbereich sich mit meinem überhaupt nicht deckt. Sonst könnte ich mich auch auf die Straße stellen und von mir erzählen. Das wäre allerdings nicht besonders interessant. Ich finde es viel interessanter, wenn ich mich in andere Welten hineindenken kann, die ich mir privat überhaupt nicht vorstellen kann.“