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Vor Gericht: Angriff aus heiterem Himmel

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Der Vorfall, der vor Gericht verhandelt wurde, ereignete sich am Langener Bahnhof. (Symbolbild)
Der Vorfall, der vor Gericht verhandelt wurde, ereignete sich am Langener Bahnhof. (Symbolbild) © Rolf Poss/Imago

„Ich kann mich keinen Meter mehr daran erinnern“ – so die Aussage einer 27-jährigen Arbeitslosen, die sich am Montag vor dem Amtsgericht für ihre Entgleisungen am 19. September 2020 auf dem Langener Bahnhofsvorplatz verantworten musste. Ihr Opfer: eine 13-Jährige, die mit einer Gruppe Freunden unterwegs war.

Langen – Richter Volker Horn zählt eine kleine Serie an Straftatbeständen bei der Urteilsverkündung auf: Körperverletzung und Beleidigung Minderjähriger, Widerstand, tätlicher Angriff und Bedrohung von Vollstreckungsbeamten inklusive noch mal Beleidigung. Die Sanktionen für die Langenerin: Zehn Monate Haft auf Bewährung, Prozesskosten und 150 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Ohne Erinnerung und ohne Verteidiger: Ziemlich verloren sitzt die 27-Jährige in der Platzreihe für die Angeklagten im großen Saal D. Sie wäre nicht die Erste auf diesen Stühlen, die als Schutzbehauptung einen Blackout vorschiebt. Doch hört man die Auswertungen der Blutprobe, nimmt man ihr diesen vermeintlichen Vorwand ab.

Angeklagte war alkoholisiert

Laut Abnahmeprotokoll und Rückrechnung betrug die Alkoholkonzentration in der Tatzeit zwischen 2,4 und 2,8 Promille. Hier ist von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit auszugehen, darin sind sich Staatsanwaltschaft und Gericht einig. Spuren von Cannabis-Abbauprodukten finden sich ebenfalls im Blut. Beides kann die Mutter zweier Kinder aber trotz Gedächtnislücken erklären: „Ich rauche regelmäßig einen Joint gegen Schmerzen. Und an dem Tag hatte ich eine Flasche Wodka geleert“.

Vier Zeugen berichten von den Vorgängen, an die sich die Angeklagte nicht erinnert. „Wir standen in einer Gruppe vor dem Bahnhof, als eine uns unbekannte Frau dazu kam und nach Patrizia fragte. Es kam zum Streit mit ein paar Jungs, ich hab mich eingemischt. Sie ohrfeigte, bespuckte und beschimpfte mich“, schildert die 14-jährige Egelsbacherin. Begriffe wie Nutte, Schlampe und Hurentochter seien gefallen. „Ich flüchtete in den Kiosk, doch sie lief mir hinterher.“ Daraufhin habe die Angeklagte sie ins Gesicht geschlagen, dann ihren Kopf gepackt und gegen die Glastür des Getränkekühlschranks geknallt. Mehrere Flaschen fielen um. Dann sei der Kioskbesitzer dazwischen gegangen.

Richter Horn fragt: „Hatten Sie danach noch Beschwerden?“ Das Mädchen antwortet: „Kopfschmerzen und Schwindel.“ Beim Arzt sei sie nicht gewesen. Ihre Freundin, eine 15-jährige Langenerin, bestätigt die Vorgänge fast übereinstimmend.

Beleidigung und Handgreiflichkeit gegenüber Polizisten

Dann kommt der Part um die Festnahme. „Wir wurden zum Bahnhof gerufen, dort zeigte der Kioskinhaber uns ein Video, was passiert war“, erklärt die 37-jährige Polizeihauptkommissarin. „Die Beschuldigte verhielt sich zunächst ganz ruhig. Dann wollte sie ihre Jacke anziehen und bat dafür um ihre Handtasche. Ich gab sie ihr und da kippte die Stimmung.“ Daraufhin habe die Frau der Polizistin das Kleidungsstück unter einer Beleidigung ins Gesicht geschleudert. „Gegen die nun zwangsläufig folgende Fesselung wehrte sie sich vehement, schlug mir die Hände weg. Alleine schaffte ich es nicht.“ Auf dem Weg zum Revier habe sie sich weitere Beleidigungen und Drohungen anhören müssen, wie: „Wenn ich heute jemanden umbringe, dann dich!“

„Bei der Vernehmung auf der Wache blieb sie nicht auf dem Stuhl sitzen, wir wurden dazu gerufen, weil zwei Beamte nicht ausreichten“, erinnert sich ein 22-jähriger Polizeikommissar. Die Angeklagte habe die Beamten permanent beleidigt. „Als wir sie zu zweit auf den Stuhl drückten, hat sie gegen mein Schienbein getreten.“ Deshalb habe man ihr noch mit vereinten Kräften Fußfesseln anlegen müssen. Die Kollegin ergänzt: „Irgendwann war sie plötzlich ganz ruhig. So, als habe jemand einen Schalter umgelegt.“ Die 27-Jährige ist der Justiz nicht unbekannt. Vier Einträge ins Bundeszentralregister hat sie seit 2013 bereits angesammelt.

Von Silke Gelhausen

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