„Impfdocs“ aus Langen betreiben Aufklärung auf Augenhöhe

Der Impf-Fortschritt stagniert nahezu. Gleichzeitig gehen jeden Montag Menschen auf die Straße, die die Corona-Impfung ablehnen oder ihr skeptisch gegenüberstehen. Wie kann man in einer solchen Phase noch jemanden für die Schutzimpfung begeistern? Diese Frage haben sich Tariq Qazi und Ahmad Ashraf gestellt. Die beiden Assistenzärzte an der Asklepios Klinik Langen wollen mit Impfaktionen an ungewöhnlichen Orten und direkter Ansprache – on- und offline – gegen die Impfmüdigkeit vorgehen.
Langen – Die beiden jungen Mediziner haben die Initiative Impfdocs gegründet. Sie setzen auf mobiles Impfen, um auch Menschen zu erreichen, an denen die bisherige Aufklärung versagte – zum Beispiel wegen Sprachbarrieren. Die andere große Zielgruppe sind junge Erwachsene, die Corona teilweise unterschätzen. Aber natürlich impfen Qazi und Ashraf alle, die das möchten. „Jede Impfung ist wichtig und ein Beitrag für die Gesellschaft““, sagt Qazi. Bei den Impfdocs kann man sich während des Einkaufsbummels jede Impfung gegen Corona abholen. Auch wer erst jetzt zur Erstimpfung kommt, müsse nicht befürchten, auf Vorbehalte zu stoßen, sondern solle das Gefühl haben, „wohl aufgehoben zu sein“, betont Qazi.
Der 38 Jahre alte Facharzt für Innere Medizin und Notarzt ist als Assistenzarzt an der Langener Klinik tätig und hat unter dem Motto „Zusammen gegen Covid-19“ mit seinem Kollegen Ashraf die Initiative Impfdocs gegründet. Mit coolem Namen und einer Impfstation in einem Einkaufszentrum – momentan auf der Frankfurter Zeil (siehe Kasten) – wollen sie Menschen impfen, die Scheu vor dem Gang zum Arzt oder ins Impfzentrum haben.
Sprachbarrieren sind eine Hürde bei der Impfkampagne
Ein Problem sei, dass die Impfkampagne Menschen, die nicht gut Deutsch sprechen, schlecht erreicht, wissen die beiden Assistenzärzte. Sprachbarrieren können eine Hemmschwelle sein, die die sie auflösen möchten. Deshalb haben Qazi und Ashraf, deren Familien beide aus Pakistan stammen, für ihr Projekt weitere Ärzte gewonnen, die ebenfalls Migrationshintergrund haben. „Das macht es leichter, Menschen anzusprechen, die bislang wegen Verständigungsschwierigkeiten beim Kampf gegen Corona noch nicht zu erreichen waren und folglich noch nicht geimpft werden konnten“, meinen die Ärzte. Das Team kann so aktuell nicht nur in gängigen Fremdsprachen wie Englisch und Französisch, sondern auch in Urdu, Hindi und Punjabi, in bosnischer, kroatischer, arabischer, türkischer und marokkanischer Sprache mit Patienten kommunizieren und Fragen zur Corona-Impfung beantworten. Wenn Menschen mit Migrationshintergrund sich mit Ärzten austauschten, die ihre Sprache sprechen, gebe es schneller einen „gemeinsamen Nenner“, meint Qazi. Man könne das Thema eher und offener angehen. Das Angebot der Impfdocs werde bisher von Menschen mit Migrationshintergrund sehr gut angenommen. Mehrere Tausend Impfdosen wurden auf der Zeil schon verabreicht.
Die Asklepios Klinik habe die Initiative unterstützt und den beiden Gründern ermöglicht, sich Urlaub zu nehmen, um die organisatorischen Strukturen und das dafür nötige EDV-System aufzubauen, berichtet Qazi.

Das zweite Standbein sind die sozialen Netzwerke, denn auch hier lassen sich viele Menschen erreichen, die bisher durchs Raster fallen. Besonders Tariq Qazi hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Netz über die Impfung aufzuklären, Ungewissheiten zu beseitigen und Fragen zu beantworten. Er veröffentlicht regelmäßig eigene Posts und Videos. Damit angefangen hat er zu Beginn der Impfkampagne gegen Corona, als auch einige Klinik-Mitarbeiter Bedenken hatten, sich impfen zu lassen. Damit wollte Qazi sich nicht abfinden: „Ich arbeitete auf der Coronastation und musste miterleben, wie Patienten an Corona starben. Andere, auch junge, trugen Langzeitfolgen durch Long-Covid davon.“ Qazi hielt auf Video fest, wie er seine erste Corona-Impfung bekam, und stellte den Film auf Instagram und WhatsApp ein. Die Zuschauer konnten mitverfolgen, dass es bei ihm kaum Impfreaktionen gab. Über mehrere Tage schilderte Qazi, wie er sich fühlte. Das sei auf großes Interesse gestoßen: „Die Leute in der Klinik haben gesehen, wenn sich die Ärzte impfen lassen, hat das seinen Hintergrund, dann machen wir das auch.“
Ein Kollege empfahl ihm, die Informationen auch auf TikTok zu verbreiten. Dort hat Qazi als „Doc.Tary“ inzwischen mehr als 12 000 Follower. Bei Live-Schaltungen können ihm Nutzer direkt Fragen stellen. Er spricht auch über andere medizinische Themen wie Herzinfarkt oder Fasten. „Ich will Leuten die Ängste nehmen, Vorurteile abbauen und Fake News etwas entgegenhalten“, sagt Qazi. Er glaubt, es macht für viele einen großen Unterschied, „wenn die Informationen aus direkter Hand kommen und jemand aus der Klinik berichten kann, wie die Verläufe sind, als wenn sie es aus den Nachrichten erfahren“. Nicht jeder Krankheitsverlauf sei schließlich mild: „Davor muss man sich einfach schützen.“ Bei seinen Einsätzen als Impfdoc lernt Qazi natürlich auch Menschen kennen, die solchen Argumenten nicht zugänglich sind: „Die kann man teilweise gar nicht mehr erreichen.“ Dennoch hoffen beide Ärzte, möglichst viele Menschen von der Notwendigkeit der Corona-Impfung zu überzeugen – aber am meisten, dass die Impfstation bald nicht mehr nötig sein wird. (Von Julia Radgen)
Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der Impfdocs.