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Neues Langener Aktionsbündnis hält erste Mahnwache ab

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Von: Julia Radgen

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Rund 80 Menschen sind dem Aufruf des neuen Langener Aktionsbündnisses am Montagabend gefolgt.
Rund 80 Menschen sind dem Aufruf des neuen Langener Aktionsbündnisses am Montagabend gefolgt. © Strohfeldt

In kleinen Grüppchen, mit Maske und Abstand, stehen sie zusammen, manche halten Pappschilder in die Höhe, einige haben ihre Botschaften noch mit blinkenden Lichtern verziert. Eine Frau hat sich einen Leuchtkasten umgehängt, auf dem die Worte prangen „Gemeinsam aus der Krise“. So heißt das neu gegründete Aktionsbündnis, das sich am Montagabend erstmals am Lutherplatz versammelt – als Gegengewicht zu den „Spaziergängern“, die sonst um diese Zeit in der Langener Innenstadt unterwegs sind.

Langen – Von den Kritikern der Corona-Maßnahmen, die organisiert, aber nicht angemeldet, marschieren und oftmals die Schutzmaßnahmen missachten, ist an diesem Abend nichts zu sehen. Das heißt aber nicht, dass sich die rund 80 Aktivisten am Lutherplatz keine Parolen aus dieser Ecke anhören müssen. Gleich zu Beginn der Mahnwache fährt ein Auto um den Kreisel: Die Männer darin kurbeln das Fenster runter und rufen den Demonstranten „Scheiß-Impfung!“ und „Impfopfer“ zu.

„Wir wollen den Montagsspaziergängern etwas entgegensetzen“, erklärt Mitinitiator Rainer Bicknase (SPD). Am Rande einer Ausschusssitzung sei die Idee entstanden, einen Gegenpol zu setzen. „Deshalb sind die vier Parteien mit im Boot, aber das ist reiner Zufall“, sagt Bicknase. Daraufhin habe man sich mit den Naturfreunden Egelsbach-Erzhausen zusammengetan, die schon die erste Gegendemo gegen Montagsspaziergänge organisiert hatten (wir berichteten) und noch die anderen Akteure wie Jugendforum, Ausländerbeirat und die weiteren Fraktionen im Stadtparlament angesprochen. „Wir wollen zeigen, was wir wollen und was wir nicht wollen“, sagt Bicknase.

Seine Parteikollegin Klaudia Schweig-Eyrich betont: „Es geht darum, Gesicht zu zeigen und zu demonstrieren, dass wir die Mehrheit sind.“ Denn in der Pandemie sei es nicht damit getan, sich und seine Liebsten zu schützen, man müsse sich solidarisch gegenüber allen anderen verhalten. Nicht zuletzt will das Aktionsbündnis mit den Mahnwachen an die vielen Todesopfer durch die Pandemie erinnern.

Zusammenschluss aus Langener Parteien und Organisationen

Der FDP-Vorsitzende Rolf Diefenthäler ist zufrieden mit der Resonanz. „Die Anzahl der Leute hier spricht für sich“, meint er. Dass die „Spaziergänger“ sich nicht am Lutherplatz blicken lassen, ist für ihn irrelevant: „Es geht darum zu zeigen, dass wir das hier nicht wortlos geschehen lassen. Nichts zu tun, wäre nicht das richtige Zeichen.“

Auch Klaus Göbel (Grüne) freut sich über die gemeinsame Aktion, bei der er sogar ein paar neue Gesichter entdecken konnte. „Wir zeigen so, dass die Leute in Langen diese Spaziergänger nicht einfach hinnehmen“, sagt er. Gerade in Hinblick auf den zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau am Samstag sei es wichtig, gemeinsam ein Zeichen gegen Hass zu setzen.

Die Taktik, die Querdenker zu ignorieren, habe nicht gefruchtet, meint Herbert Walter, der sich beim Antifaschistischen Aktionsbündnis Langen engagiert. „Dafür sind es zu viele“, sagt er und verweist darauf, dass zwischenzeitlich gut 200 Coronakritiker an einem Montag durch Langen gezogen sind. „Also müssen wir zeigen: Ihr habt nicht die Meinungshoheit“, findet der Langener, der sein Schild mit der Aufschrift „Wer mit Rechten spaziert, hat nichts kapiert“ mit roten Lichtern verziert hat. „Ehrlicherweise hätte ich aber mit mehr Teilnehmern gerechnet“, bedauert Walter.

Mit Sprüchen wie diesen zeigten die Aktivisten Präsenz.
Mit Sprüchen wie diesen zeigten die Aktivisten Präsenz. © Strohfeldt

„Haltet Abstand – vor Antisemitismus und rechtem Hass“ hat Arno Weller von den Naturfreunden Egelsbach-Erzhausen auf sein Schild geschrieben. „Die Montagsspaziergänger sind auch nicht ruhig, da wollen wir ihnen nicht die Straße überlassen“, erklärt der Langener. Er hatte mehr Resonanz erwartet, „aber der Druck flaut auch gerade ab“, gibt er mit Blick auf die Lockerungspläne der Bundesregierung zu bedenken. „Auf jeden Fall finden wir es gut, dass so viele Organisationen zusammen diesen Aufruf ausgesprochen haben“, so der Naturfreund. Er hat gerade erst ein „intensives Gespräch“ über die Schutzmaßnahmen geführt, auch mit einer Frau, die diesen gegenüber kritisch eingestellt ist. Es freut ihn, dass solche Diskussionen möglich sind – natürlich mit Maske und Respekt. „Ich kann auch nachvollziehen, dass Menschen sich nicht impfen lassen möchten. Wofür ich kein Verständnis habe, ist dass man sich undifferenziert einer Gruppe anschließt, die Demokratie-Bashing betreibt“, meint Weller. Die Spaziergänger melden ihre Proteste nicht an, die Initiatoren bleiben unbekannt. „Die spielen nicht nach den Spielregeln“ , so Weller. Zudem berichtet der Naturfreund, dass ein Coronaleugner das Organisationsteam telefonisch bedroht hat. „Das spornt uns nur weiter an“, sagt Weller, der noch ein paar mehr Schilder gebastelt hat – „es hat ja vielleicht nicht jeder Zeit dazu!“

Ein Mann geht an der Gruppe vorbei, reckt sein Handy in die Höhe und schreit laut „Ungeimpft!“ – wie zum Beweis dafür, wie sehr die Veranstaltung des Aktionsbündnisses – als Repräsentant der großen Mehrheit – nötig ist.

Das nächste Treffen des Aktionsbündnisses ist für Montag, 28. Februar, um 18 Uhr am Lutherplatz vorgesehen.

Von Julia Radgen

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