Hüterin von Schloss Wolfsgarten geht in Ruhestand

Irene Karges-Adam ist eine kleine, zierliche Frau. In der 71-Jährigen steckt viel Power, Hingabe für ihren Beruf und ein großes Pflichtbewusstsein. Auf den Tag genau 51 Jahre steht sie im Dienst der landgräflichen Familie von Hessen, als sie in die wohlverdiente Rente geht.
Langen – Die Bilder an den Wänden in dem kleinen Haus, das sie mit ihrem Mann auf Schloss Wolfsgarten bewohnt, sind schon alle eingepackt, die Kisten gestapelt, der Möbelwagen ist bestellt. Die Entscheidung in den Ruhestand zu gehen, ist ihr nicht leichtgefallen: „Ich habe noch Lust zu arbeiten und auch noch genügend Kraft. Aber ich muss vernünftig sein. Es wäre nicht gut, wenn ich eines Tages umfalle und niemand ist da, der sich auskennt. Wir haben ein neues Ehepaar eingearbeitet und so kann ich jetzt ganz zufrieden gehen“, sagt Irene Karges-Adam. Sie war die Kastellanin von Schloss Wolfsgarten – so bezeichnete man früher die Aufsichtsbeamten von Schlössern und Burgen. Karges-Adam hat in der Schlossanlage nach dem Rechten gesehen, und für ihre Arbeitgeber gesorgt.
1971 tritt sie ihren Dienst bei Prinz Wolfgang und Prinzessin Otti – damals noch in Kronberg – an. Das Paar ist schon älter, lebt ruhig und zurückgezogen. „Ich war 20 Jahre alt, das war eine noch ganz andere Zeit, eine völlig neue Welt für mich. Es herrschte eine strenge Etikette, wir trugen blaue Dienstkleider mit gestärkten Kragen und Schürzen und es gab noch Diener im Haus. Das hat sich mit den Jahren sehr gewandelt und ist heute alles so viel lockerer“, erinnert sich die spätere Kastellanin von Wolfsgarten mit einem Schmunzeln.
Gäste aus den Königshäusern von England, Schweden oder Spanien empfangen
Als das Ehepaar verstirbt – Karges-Adam hat Prinzessin Otti bis zu ihrem Tode gepflegt – wird sie Mitarbeiterin bei Landgraf Moritz von Hessen, in den ersten Jahren noch in Kronberg. „Das Leben mit ihm war viel lebendiger“, erinnert sie sich gerne. Nach dem Tod von Prinzessin Margaret, die in Wolfsgarten lebte, zieht Landgraf Moritz von Hessen 1997 nach Langen in das 1772 erbaute Jagdschloss. Egal ob Landgraf Moritz nachts um eins von der Jagd aus England kommt oder Gäste aus den Königshäusern von England, Schweden oder Spanien empfängt – die Kastellanin sorgt dafür, dass alle sich wohlfühlen. „Landgraf Moritz war ein guter Mensch, wir haben uns so gut verstanden. Ich habe gewaschen gebügelt, gekocht und ich habe es geliebt, wenn er drüben im Herrenbau Feste oder Konzerte gab“, erzählt Karges-Adam mit funkelnden Augen.
Sie ist immer da. Sie kümmert sich um die Möpse der landgräflichen Familie und natürlich um das Schloss: „Über dem Festsaal im großen Herrenbau sind die Gästezimmer. Alles ist sehr vornehm und es verging kein Tag, an dem ich dort nicht nach dem Rechten gesehen habe, auch in den anderen Teilen des Schlosses oder der Margaretenhalle – ich bin mit dem Clubcar oder mit dem Fahrrad durch den Park gesaust und habe geschaut, ob alles in Ordnung ist.“
Kastellanin erinnert sich an den schrecklichsten Tag
Welches der schönste Arbeitstag auf dem Schloss mit dem großartigen Park, in dem seit vielen Jahren das Fürstliche Gartenfest gefeiert wird, war, vermag Irene Karges-Adam gar nicht zu sagen: „Es war alles schön, ganz ehrlich. Aber ich erinnere mich an den schrecklichsten: Der Tag als die Fallböe über den Schlosspark getobt hat, am 18. August 2019. Das war fürchterlich, es ist so viel zerstört worden.“ Nach dem Tod von Landgraf Moritz im Jahr 2013 wird es ruhiger auf Schloss Wolfsgarten. Es gibt noch Bewohner mit Prinz Rainer von Hessen, dem Cousin von Prinz Charles und dem Onkel von Landgraf Donatus, der mit seiner Frau in einem Flügel der Schlossanlage lebt. Wenige Mieter und ein Gärtner wohnen ebenfalls im Schloss. „Wir sind über die Jahre eine tolle Gemeinschaft. Es ist ein echtes Privileg in diesem wunderschönen Ambiente leben zu dürfen“, sagt die jetzt in den Ruhestand gehende Kastellanin. Auch die drei Kinder von Landgraf Donatus von Hessen schließt sie ins Herz. Wenn die Familie des Sohnes von Landgraf Moritz eines Tages nach Wolfsgarten zieht, wird sie nicht mehr dort wohnen.
Mit ihrem Mann Klaus und Rauhaardackel Balou zieht sie nach Frankfurt-Praunheim – an den Rand der Nidda, ländlich und ruhig, so wie sie es mag. „Ich freue mich, dass wir jetzt Zeit haben, uns in Fulda die Ausstellungen anzusehen, nach Darmstadt zu fahren und die Rosenhöhe zu besuchen, Dinge, zu denen ich bisher nie gekommen bin, weil ich Schloss Wolfsgarten lieber nicht alleine gelassen habe“, hat die noch rüstige Rentnerin viele Pläne. Sie möchte auch auf das Gestüt Panker nach Norddeutschland reisen und ihre ehemalige Kollegin Lotti besuchen, die ebenfalls seit 50 Jahren für das Haus von Hessen arbeitet.