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Die Scherers in Langen: Eine faszinierende Familie

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Von: Julia Radgen

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Zwei Jahre Arbeit stecken in Gabriele Kleins Buch über die Scherers, im Hintergrund deren altes Wohnhaus (ganz links) und der Firmensitz.
Zwei Jahre Arbeit stecken in Gabriele Kleins Buch über die Scherers, im Hintergrund deren altes Wohnhaus (ganz links) und der Firmensitz. © Strohfeldt

Gabriele Klein hat ein Buch über die Geschichte der Scherers verfasst. Zwei Jahre lang setzte sie sich intensiv mit der Firmen- und Lebensgeschichte auseinander.

Langen – Die Familie und Firma Scherer sind in Langen noch heute präsent: In unmittelbarer Nähe zum Wilhelm-Leuschner-Platz, gegenüber vom Alten Rathaus, befindet sich das alte Firmengelände mit der markanten ockerfarbenen Ziegelfassade, ein Stück weiter an der Ecke zum Sonnengässchen steht das frühere Wohnhaus der Familie, der das älteste Industrieunternehmen der Stadt gehörte. Auf dem Langener Friedhof liegt ihre imposante Grabstätte. Gabriele Klein, Heimatkundige im Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVV) mit dem Schwerpunkt Familienforschung, hat sich in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit der Firmen- und Lebensgeschichte der Scherers auseinandergesetzt – und ihnen ihr neues Buch gewidmet.

Klein betreibt seit 1996 Heimat- und Familienforschung und hat schon mehrere lokalgeschichtliche Bücher veröffentlicht – unter anderem „Vergessene Nachbarn“ über die Juden in Langen und „Nicht König, nicht Bettelmann“, in dem die gebürtige Langenerin über das Leben ihres Großvaters schreibt. Zum Scherer-Thema kommt sie jedoch eher zufällig. Eine Stammkundin des Lebensmittelmarktes, in dem Klein früher gearbeitet hat, erzählt ihr, dass ihr Mann Nachkomme der Familie Scherer sei und viel zu erzählen habe. Renate Reichert besuchte immer ihren Mann Hans-Jürgen im Altersheim in Steinbach im Taunus und unterhielt sich viel mit ihm über die Familiengeschichte der Scherers. Da sie weiß, dass Klein sich viel mit Familienforschung beschäftigt und es ein paar Ungereimtheiten gibt, wendet sie sich an die Langenerin. Die beiden Frauen sprechen daraufhin öfter. „Einmal in der Woche haben wir telefoniert. Irgendwann hatten wir so viele Informationen beisammen, dass sie mich gefragt hat, ob ich nicht über das Thema schreiben will“, erinnert sich Klein.

Weit über Langens Grenzen hinaus bekannt: Ein altes Werbeplakat für Likör des Familienunternehmens.
Weit über Langens Grenzen hinaus bekannt: Ein altes Werbeplakat für Likör des Familienunternehmens. © Klein

Gesagt, getan. Die 59-Jährige stürzt sich in die Recherche. Klein kramt sich durch historische Quellen im Langener Stadtarchiv und sichtet alte Artikel in der Langener Zeitung. „Da habe ich gemerkt: Das lohnt sich“ , erinnert sie sich lachend. Und schon ist sie mittendrin in der Arbeit an ihrer nächsten heimatkundlichen Veröffentlichung. Sie erstellt selbst den Stammbaum der Familie, der auch im Buch abgedruckt ist. Eine Spur führt Klein sogar nach China, wo ein Scherer-Nachkomme für tot erklärt worden ist. Klein schreibt mehrere Stellen an und erhält schließlich Infos. Gut zwei Jahre arbeitet sie an ihrem Buch. Vieles erzählt ihr Reichert direkt, sie recherchiert es dann nach. „Sie war mit ihren 99 Jahren noch superfit im Kopf. Bei manchen Sachverhalten war sie sich nicht ganz sicher, ich habe dann die Fakten recherchiert. Aber es hat immer alles gestimmt“, sagt Klein. Tragischerweise verstirbt Renate Reichert jedoch einen Monat, bevor das Buch fertig wird. „Aber sie hat das Manuskript gelesen und fand es auch toll“, sagt Klein.

Auf 72 Seiten zeichnet sie die wechselvolle Geschichte des Familienunternehmens nach, das Georg Martin Scherer aus Worms 1833 mit dem Kauf des Gasthauses „Zur Sonne“ begründet. Zum Jahresende 1847 muss Scherer das Gasthaus aus wirtschaftlichen Gründen schließen, er konzentriert sich fortan auf die Branntweinbrennerei. Sohn Carl Ludwig eignet sich kaufmännische Kenntnisse in der „Banque de France“ an und tritt 1871 in das Geschäft seines Vaters ein, das mittlerweile den Namen Georg Scherer & Co. trägt. Unter Carl Ludwig nimmt die Firma bedeutenden Aufschwung und das Unternehmen wächst zusehends. Die Cognac-Brennerei Georg Scherer & Co. stellt mit ihrer Dampfdestillation edle Tropfen her.

Georg Martin Scherer begründete die Firma.
Georg Martin Scherer begründete die Firma. © Klein

Nach Carl Scherers Tod 1919 übernehmen seine Söhne Ludwig und Walter die Fabrik. Um 1926 geht Ludwig Scherer im Alleingang mit der Fabrikation zum Asbach-Konzern und lässt seinen Bruder Walter mit leeren Fabrikräumen zurück, wie Klein weiß. Walter Scherer gründet nun im alten Anwesen die Firma Dr. Walter Scherer GmbH. „Walter hatte dem Alkohol noch nie viel abgewinnen können und widmete sich dann hauptsächlich der Saftgewinnung“, sagt die Heimatkundige. 1928 wird zum ersten Mal Apfelsaft produziert. 1949 werden jedoch wieder Spirituosen hergestellt. Daraufhin vertreibt die Dr. Walter Scherer GmbH bis in die 1960er Weinbrände, Liköre, Apfelwein und Fruchtsäfte. Der bekannteste Likör wird nach Kommerzienrat Carl Scherer „Der alte Kommerzienrat“ genannt.

„Faszinierend und imponierend finde ich, dass die Familie Scherer in Langen immer präsent war und sehr freigiebig“, sagt Klein. Die Firma habe auch sehr viel für ihr Personal getan, wie Klein bei ihren Recherchen herausgefunden hat. Zwischenzeitlich hatte sie bis zu 70 Mitarbeiter. Während des Kriegs sei das ganze Haus von Walter Scherer voll mit Menschen gewesen, die er aufgenommen habe. „Und ich war ganz überrascht, wie international die Firma war“, so die Heimatkundige. Denn nur weil die Scherers ein Grundstück in Frankreich hatten, durften sie ihre Erzeugnisse Cognac nennen. „Sonst hätten sie Weinbrand schreiben müssen“, lacht Klein.

Letzte Ruhestätte: Das Familiengrab der Scherers auf dem Langener Friedhof.
Letzte Ruhestätte: Das Familiengrab der Scherers auf dem Langener Friedhof. © Klein

„Es hat richtig Spaß gemacht, das zu schreiben. Denn es ist ja bekannt – jeder in Langen kennt die Scherer-Halle“, sagt sie. Nicht zuletzt, weil beim Ebbelwoifest in dem großen, überdachten Hof gefeiert wird. Gaby Klein arbeitet übrigens schon an ihrem nächsten Buch. „Es geht um Langener Auswanderer zwischen 1800 und 1900“, erzählt sie. Rund 600 Personen seien damals emigriert, die meisten in die USA. Auch hier arbeitet sie sich durch historische Quellen, unter anderem alte Schiffslisten, und schreibt die Geschichten der Menschen auf. (Julia Radgen)

Das Buch „Familie Scherer in Langen – Eine Familie und ihr Unternehmen“ von Gabriele Klein ist im Verlag Books on Demand erschienen. Die Paperbackausgabe (72 Seiten, ISBN: 9783756277032) ist online oder im lokalen Buchhandel erhältlich.

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