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Langener Kult-Kiosk feiert 70-jähriges Bestehen

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Von: Julia Radgen

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Stolz auf 70 Jahre Kiosk-Kultur sind (von links) die heutige Besitzerin Suzana Schaary, die Vorbesitzer Elli und Alois Hohla sowie die Verkäuferinnen Corinna Ebert und (sitzend) Alexandra Schütz mit Hund Olaf. Das Team hofft, dass sich das kleine Geschäft noch lange halten kann.
Stolz auf 70 Jahre Kiosk-Kultur sind (von links) die heutige Besitzerin Suzana Schaary, die Vorbesitzer Elli und Alois Hohla sowie die Verkäuferinnen Corinna Ebert und (sitzend) Alexandra Schütz mit Hund Olaf. Das Team hofft, dass sich das kleine Geschäft noch lange halten kann. © privat

Das kleine Verkaufsfenster ist das Markenzeichen des Kiosks an der Post. Dieser Tage feiert das Langener Traditionsgeschäft auf der Bahnstraße 70. Geburtstag.

Langen – Über die Theke wandern Zeitungen, Zeitschriften, Süßigkeiten oder Rubbellose. Ruck, zuck erhält man das Gewünschte durchs Fenster und weiter geht’s – auch wenn für die meisten Stammkunden der Schwatz am Verkaufsfenster nicht fehlen darf. „Wir arbeiten eben mit Herz“, sagen Kiosk-Chefin Suzana Schaary und ihre langjährigen Mitarbeiterinnen Alexandra Schütz und Corinna Ebert. Das macht den Charme des knallgelben Kiosks aus – und das ist schon von Beginn an so. Denn der Kiosk an der Post feiert dieser Tage 70. Geburtstag – und ist damit das älteste Geschäft auf der Bahnstraße.

Seine Geschichte reicht ins Jahr 1952 zurück, da gründet Georg Herd den Kiosk. Über diese Zeit ist dem jetzigen Kiosk-Team nicht viel bekannt. Doch 1966 übernimmt Elli Hohla mit ihrem Mann Alois den kleinen Laden von einem Mörfelder Geschäftsmann. Die damals 27-Jährige ist gerade mit ihrem zweiten Kind, Sohn Klaus, schwanger, die Familie wohnt direkt gegenüber. Der Kiosk scheint ideal, um Familien- und Berufsleben unter einen Hut zu bringen.

Immer offen, wenn Zeitungen erscheinen

30 Jahre lang führen die Hohlas den Kiosk: Elli Hohla arbeitet, unterstützt von ihren langjährigen Verkäuferinnen, im kleinen Lädchen an der Ecke zur Neckarstraße. Auch Alois hilft nach seinem Feierabend als Außendienstler oft mit. Der Kiosk hat zunächst täglich von 8 bis 21 Uhr geöffnet – natürlich auch sonntags. „Wenn Zeitungen erscheinen, also auch Heiligabend und Silvester, hatte der Kiosk selbstverständlich offen“, erinnert sich die frühere Besitzerin.

Schon immer gut gelaunt: Ursula Bleicher, bei den Hohlas angestellt, verkauft auf diesem Bild aus den 70ern – natürlich – die Offenbach-Post.
Schon immer gut gelaunt: Ursula Bleicher, bei den Hohlas angestellt, verkauft auf diesem Bild aus den 70ern – natürlich – die Offenbach-Post. © privat

Es sind andere Zeiten: Nicht nur ist die Bandbreite an Zeitungen noch größer und die Auflagenzahl höher. Viele Blätter bringen damals noch eine Abend- und Nachtausgabe heraus. Zeitungen und Zeitschriften, die der Kiosk nicht verkauft, muss er schon damals als Remission zurückschicken. „Elektronische Kassensysteme gab es noch nicht, gerechnet wurde im Kopf oder auf dem Zettel“, erinnert sich Elli Hohla.

Auch das Sortiment ist anders, denn es gibt noch keine Getränkemärkte und der HL-Markt schräg gegenüber (heutiger Takko) hat hauptsächlich Lebensmittel im Angebot. Der Kiosk an der Post verkauft also auch Getränke: Limo, Bier, Wein oder Spirituosen wandern über die Theke – und sind wichtig für den Umsatz. An warmen Tagen steht Elli Hohla in ihrem Laden in einem Meer aus Leergut und kommt kaum hinterher. „An Muttertag ging es richtig rund im Kiosk“, erzählt die ehemalige Besitzerin. Dann kaufen die Kunden damals bis auf die letzte Minute Pralinen, Sekt und Geschenke, die Tochter Cornelia hinten hübsch verpackt. Zwischenzeitlich ist der Kiosk einer der wenigen Orte in Langen, der Silvesterfeuerwerk abgeben darf.

Lotto kommt in den 70ern als Standbein hinzu

In den 70ern kommt dann ein wichtiges Standbein hinzu: Der Kiosk darf Lotto-Spielscheine annehmen. Natürlich wird auch der Spieleinsatz anhand der angekreuzten Felder im Kopf berechnet. Das halte aber mental fit, sagt Hohla rückblickend. Nach Annahmeschluss müssen die Lotto-Scheine freitagsabends in die Sammelstelle nach Groß-Gerau gebracht werden. „Wir mussten jeden Freitag bis 22 Uhr zu Hause telefonisch erreichbar sein, bis die Scheine gezählt und die Abrechnung überprüft war“, erzählt sie.

So sah der Kiosk im Jahr 1966 aus, als die Eheleute Elli und Alois Hohla das Geschäft in der Bahnstraße übernommen haben.
So sah der Kiosk im Jahr 1966 aus, als die Eheleute Elli und Alois Hohla das Geschäft in der Bahnstraße übernommen haben. © privat

Urlaub ist selten in all den Jahren, selbst kleinere Auszeiten bedürfen großer Vorbereitung – trotzdem will Elli Hohla die Zeit nicht missen: „Wir waren Treffpunkt und Anlaufstelle für Menschen, die sich austauschen wollten. Unser Kiosk hatte eine soziale Funktion. Manche Kunden wurden über die Jahre fast Freunde, man erfuhr viel über deren Leben und Sorgen“, resümiert die frühere Chefin, die noch Anfang 2002 im Kiosk mitgearbeitet hat.

1996 übernimmt Sohn Klaus Hohla den Kiosk. Suzana Schaary, die heutige Besitzerin, wird damals Verkäuferin, seit 1999 ist sie Kiosk-Chefin. Seit 20 Jahren ist Alexandra Schütz als Verkäuferin im Team, Corinna Ebert seit fast zehn. „Der Kiosk ist immer noch fest in Frauenhand“, sagen die drei lachend. Außer Olaf natürlich, der freundliche Beagle, der längst zum Maskottchen des Kult-Kiosks avanciert ist. „Wir sind ein gut gewachsenes Team“, sagt Schaary. In den vergangenen Jahren hat sich der Kiosk vermehrt mit lokalen Partnern vernetzt: Dort gibt es das Magazin „Zeitlos“ der Haltestelle und die VVV-Bembelchen zum Ebbelwoifest. Der Kiosk ist auch Pate für das Blumenbeet vor seiner Tür. Und nicht zuletzt ist das Traditionsgeschäft – auch dank Olaf – in den sozialen Netzwerken aktiv und angesagt.

Aktionstaschen zum Jubiläum

Für den runden Geburtstag hat sich das Team des Kiosks an der Post etwas Besonderes ausgedacht: In der Jubiläumswoche vom 9. bis zum 14. Mai erwartet die Kunden eine Überraschungstasche mit Utensilien rund ums Kiosk und von Langener Partnern. Auch Beagle Olaf spielt dabei eine besondere Rolle. 250 der knallgelben Taschen will das Team verteilen. 

Für den großen Erfolg seit sieben Jahrzehnten machen die drei Frauen neben dem tollen und zentralen Standort vor allem die treue Stammkundschaft verantwortlich. „Unser Kiosk lebt noch immer vom persönlichen Kontakt. Bevor es Freitagsmorgens auf den Markt geht, wird bei uns das Titelbild auf dem Zeitungsaufsteller diskutiert“, erzählt Schütz. Noch immer sei der Kiosk in der Bahnstraße ein wichtiger Treffpunkt, vor allem für die älteren Langener. „Aber manche kommen auch mit ihren Kindern und zeigen ihnen ‘Hier habe ich schon früher eingekauft’“. Der Markt hat sich natürlich gewandelt: Supermärkte und Tankstellen machen dem Kiosk längst Konkurrenz, Lotto spielen viele online – und rufen auch so ihren Lesestoff ab. Die Einkaufsmeile ist im Wandel – mit den großen neuen Märkten verschwindet ein Teil der alten Bahnstraße, zu der der Kiosk einst gehörte. „Wir sehen diese Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, meint Schütz. Trotzdem ist das Team optimistisch: „Wir wollen die 100 schaffen“, sagen die drei Frauen und glauben fest, dass das klappt – eben wegen der tollen Stammkundschaft, die nicht nur allein wegen der Kiosk-Ware kommt. Oder wie Verkäuferin Corinna Ebert erzählt: „Ein Kunde wohnt nahe der Nordumgehung, kommt aber immer zu uns – um sich zur Zeitung noch sein Lächeln abzuholen, wie er sagt“. (Von Julia Radgen)

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