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Mann ins Koma geprügelt: Nur ein Schläger soll hinter Gitter

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Langen/Egelsbach - Die Plädoyers sind gesprochen, für die sechs Urteile blieb am fünften Verhandlungstag allerdings keine Zeit mehr. Der Prozess um den brutalen Angriff auf einen 35-jährigen Egelsbacher vor dem Landgericht Darmstadt soll heute beendet werden. Von Silke Gelhausen

Wie erwartet, spricht der Nebenklagevertreter von versuchter Tötung – die Staatsanwaltschaft sieht dafür jedoch keine Anhaltspunkte.  „Ich kann Sie gut verstehen, dass Sie dies als versuchte Tötung bezeichnen. Der Tötungsvorsatz ist aber nicht haltbar“, erklärt Staatsanwalt Oliver Wilbert an den Nebenkläger gerichtet: „Es ist nicht erkennbar, dass hier eine Hemmschwelle überschritten wurde!“ Sechs Männer im Alter von 18 bis 23 Jahren – fünf davon aus Langen, einer aus Neu-Isenburg – sind angeklagt, den selbstständigen Hausmeister am frühen Morgen des 15. Juni 2017 mehrfach gegen den Kopf geschlagen und getreten zu haben.

Dabei fiel er zu Boden, prallte auf den Hinterkopf und zog sich einen Schädelbruch zu. Er lag drei Wochen im Koma und leidet heute noch unter den Folgen der schweren Verletzungen. Der Fall erinnert zwangsläufig an Tugçe Albayrak, die 2014 in Offenbach ebenfalls nach einem Schlag so unglücklich fiel, dass sie ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, ins Koma fiel und elf Tage später starb.

Die acht Männer, von denen nun sechs angeklagt sind, waren auf dem Weg zur 90er-Jahre-Party in der Langener Stadthalle, die vierköpfige Gruppe um den Egelsbacher kam von der Fete und wollte zum Auto. Einer der jungen Männer soll die beiden Frauen angepöbelt haben, weil sie zur Smartphone-Musik laut mitsangen. Der Egelsbacher stellte ihn zur Rede, was bei einigen der angetrunkenen und bekifften Männer sofort Aggressionen und Gewalt auslöste.

„Die schweren Vorwürfe haben sich nicht bestätigt, es bleibt bei einer gefährlichen Körperverletzung“, konstatiert der Staatsanwalt. „Trotzdem ist das hier keine leichte Geschichte.“ Fast alle der Angeklagten seien unbeschriebene Blätter, nur zwei hätten geringfügige, nicht einschlägige Vorstrafen. Wilbert sieht nach der Beweisaufnahme mehrere Schläge und Tritte gegen den Kopf bestätigt – die Aussage einer der beiden Begleiterinnen, die als einzige Zeugin von 20 Tritten gegen den Kopf spricht, hält er aber für widerlegt: „Dies hätte andere, korrespondierende Verletzungen zur Folge gehabt“ – was Gerichtsmedizinerin Lena Bunzel bestätigte.

Im Zentrum des Geschehens habe ein 21-jähriger Eritreer gestanden, er war Hauptprovokateur, habe geschlagen und getreten. Allerdings sei er mit 2,5 Promille Blutalkohol zur Tatzeit auch derjenige gewesen, der am meisten getankt hatte und bei dem eine verminderte Steuerungsfähigkeit anzunehmen war. Für ihn fordert Wilbert eineinhalb Jahre Jugendstrafe zur Bewährung und eine Arbeitsauflage von 250 Stunden. Für einen 20-jährigen Litauer aus Neu-Isenburg und zwei 20- und 18-jährige Langener hält Wilbert zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung für angemessen. Dazu fordert er eine Arbeitsauflage sowie Geldauflagen von 1800 und 3000 Euro. Der Älteste, ein 23-Jähriger, hatte zwar nicht zugeschlagen, dafür aber den männlichen Begleiter des Opfers an einer Hilfeleistung gehindert. Er soll wegen Beihilfe zu einem Jahr Jugendstrafe auf Bewährung plus Arbeitsauflage verurteilt werden. Keine Bewährung fordert der Staatsanwalt für den 21-jährigen, der den sturzauslösenden Tritt verursacht hatte. Er soll zweieinhalb Jahre Jugendarrest verbüßen.

Bei allen Angeklagten bis auf den 23-Jährigen zählt Wilbert die gleichen negativen Eigenschaften auf: erhebliches Aggressionspotenzial, schädliche Neigungen, ein außergewöhnlich brutales Vorgehen. Positiv seien lediglich die gute Sozialprognose und die minimalen Vorstrafen. Die Verteidiger fordern noch niedrigere Strafen für ihre Mandanten: einmal Verwarnung plus Arbeitsstunden, zweimal Freispruch und dreimal Jugendstrafe zur Bewährung.

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