Erfahrungsbericht aus Langen: Kaminofen als „Familienlagerfeuer“

Nächster Teil unserer Serie: Wie freier Mitarbeiter und Cartoonist Jörg Buxbaum mit der Energiekrise umgeht.
Langen – Der Rasen ist tot. Ich weiß gar nicht, wann er verschied. Irgendwann im Juli war er gelb, dann an vielen Stellen einfach weg. Stattdessen wächst Erde – und Unkraut, grün und prächtig. Eine Freundin von uns sagt: „Der Rasen kommt wieder!“ Ich hege Zweifel. Die Wette läuft.
Und es wäre auch egal. Wir müssen etwas ändern am Garten unseres Siedlungshäuschens. Ein Teil des Vorgartens wird bald zum Lavendelfeld. Gut für die Bienen – und die Wasserrechnung. Dort, wo jetzt nur noch die Wüste lebt – säe ich im Herbst versuchsweise „Regelsaatgutmischung RSM 2.2.1“ – mit trockenresistenten Sorten wie Rotschwingel und Wiesenrispe, die tief wurzeln. Denn so viel Wasser, wie normaler Rasen braucht – das geht nicht mehr. Unsere Zisterne mit fünf Kubikmetern Volumen hilft ja nur, wenn es auch mal regnet. Das Wasser geben wir dort wo nötig auf Beete – und ich bringe es bei Bedarf raus auf unsere Streuobstwiese – für Neuanpflanzungen von Eichen, Kastanien, Feldahorn, Amberbaum. Dort soll ein „Tiny Forest“ entstehen, ein kleines Zeichen gegen den Waldschwund.
Energiekrise in Langen: Holzlager reicht für zwei Winter
Für den kalten Herbst und Winter sind wir gerüstet. Wir heizen seit etlichen Jahren größtenteils mit einem Holzofen, unsere Holzlager sind gefüllt, für zwei Winter reicht es. Mal schauen, wie die nächste Holzsaison im Langener Forst läuft – die Nachfrage ist ja brutal. Hoffentlich gibt es kein Langener Kettensägenmassaker.
Gas verbrauchen wir sehr wenig. Von April bis September überhaupt nichts. Da ist die Gasheizung aus, bei Bedarf der Kaminofen an und das Wasser erwärmen wir seit 2011 in der sonnigen Jahreszeit mit Solarthermie auf dem Dach. Wahrscheinlich denken die Stadtwerke, wir wären schon vor Jahren erfroren und freuen sich, dass wir dennoch per Lastschrift zahlen. Für Warmduscher halten sie uns jedenfalls nicht.
Zur Person
Jörg Buxbaum (51) ist freier Mitarbeiter unserer Zeitung – und zeichnet seit 2010 regelmäßig Cartoons zu Themen aus Langen und den weiteren Westkreiskommunen. Vor 32 Jahren hat der Diplom-Ingenieur Luft- und Raumfahrttechnik, der bei der Deutschen Flugsicherung arbeitet, mit dem Cartoonzeichnen begonnen. Er lebt zusammen mit seiner Frau Ute Otterbein (Pressesprecherin der DFS) und seinen Söhnen Julius (19) und Erik (17) in Langen.
Den „Gasheizungsstart“ werden wir in diesem Jahr möglichst weit nach hinten schieben, schon allein um Putin zu ärgern. Das haben wir unseren beiden Teenagern noch nicht ausdrücklich gesagt – mal schauen, wann es auffällt. Vermutlich wird der Kaminofen noch mehr als bisher im Winter unser „Familienlagerfeuer“. In unserem Norwegenurlaub haben wir vorsichtshalber richtig dicke Socken gekauft. Und ich habe neben einem guten Wassersparduschkopf (den Austausch hat niemand bemerkt) einen pfiffigen Timer für die Dusche beschafft: Einen Würfel, den man auf die gewünschte Minutenzahl stellt, und dann zählt er runter. Drei Minuten sind realistisch. Das ist erstaunlich wenig. Unser älterer Sohn – der gerne sehr lange duscht – hat bereits halb im Scherz gefragt, ob es okay sei, statt jeden Tag drei Minuten alle fünf Tage 15 Minuten zu duschen.
Langener Familie setzt seit zehn Jahren auf Fotovoltaik
Unseren Strom machen wir überwiegend selbst. Wir stellen seit knapp zehn Jahren mit Fotovoltaik jährlich rund die doppelte Menge unseres Verbrauchs her. Im Keller steht seit vergangenem Jahr ein großer Akku, der über den Abend und die Nacht den Bedarf puffert. Seit Ende Februar haben wir keinen Strom mehr „eingekauft“. Den überschüssigen nehmen uns die Stadtwerke ab. Diese Menge würde reichen, um mit einem Elektroauto jährlich knapp halb um die Erde zu fahren. Müssen wir nicht, wir leben und arbeiten in Langen.
Seit Juni haben wir ein Hybridauto im Hof stehen, der hängt an unserer „Wallbox“ und „tankt“ dort ausschließlich Sonnenenergie vom eigenen Dach. Benzin zapfen waren wir bisher ein einziges Mal – wir mussten erst einmal nachlesen, wie das bei dem Auto geht, war etwas speziell. Der Solarertrag wird sich natürlich in den dunklen drei Monaten November bis Januar ändern. Hilft ja nichts. Seit Treibstoff teuer ist, fahren wir aber auch deutlich weniger Auto – stattdessen in der Stadt oft mit dem Fahrrad. Selbst zu Fuß bin ich in der Bahnstraße in gut zehn Minuten. Geht doch.
Erfahrungsberichte quer durch unsere Zeitung
Wie gehen wir schonend mit Wasser, Strom, Gas, Öl und sonstigen Energieträgern um? Das Thema betrifft uns alle. Wir berichten tagtäglich darüber und transportieren Sparappelle von Versorgern oder aus der Politik in die Öffentlichkeit. Redakteure unserer Zeitungsgruppe haben die angespannte Lage zum Anlass genommen, auf sich selbst zu schauen. Sie schildern quer durch unsere Zeitung, was die Krise mit ihnen macht oder gemacht hat.
» In der nächsten Folge fragt sich unser Redakteur Philipp Keßler, wie manche Menschen überhaupt Wasser und Energie sparen können.
Die große Frage wird sein, auf welche Heizung wir setzen, wenn unsere Gas-Brennwerttherme mal den Geist aufgibt. Deutschland fehlt dazu noch ein schlüssiges Konzept und der Welt die Technologie. Mit Fotovoltaik im Sommer Wasserstoff herstellen und im Winter damit heizen – klingt gut, aber da will ich dann noch nicht Erstkunde sein.
Pellets? Zu kompliziert, zu teuer. Wärmepumpe? Nur mit 100-Meter-Bohrung – und das wird sauteuer. Windenergie? Späßle. Auf dieser Frage werden wir offenbar noch etliche Stunden herumkauen dürfen. Am besten im Winter – vor dem Kamin. (Jörg Buxbaum)