Sie leidet seit Jahren: Störgeräusche quälen Frau

Kein Schlaf, weil sie Störgeräusche hört, die kaum ein anderer wahrnimmt: Eine Frau aus Langen (Kreis Offenbach) kämpft mit tieffrequenten Schwingungen.
Langen – Seit nunmehr bald drei Jahren habe sie „keine einzige Nacht mehr durchschlafen können“, erzählt eine Anwohnerin der Rudolf-Breitscheid-Straße in Langen. Ihren Namen möchte die Frau nicht in der Zeitung lesen. Doch sie möchte Öffentlichkeit für ein Problem schaffen, von dem sie vermutet, dass es längst nicht nur sie betrifft.
Die Rede ist von Belästigungen durch sogenannte tieffrequente Schwingungen und Geräusche sowie durch Infraschall. Dabei handelt es sich um Geräusche unterhalb einer Frequenz von 100 Hertz, die nur von manchen Menschen wahrgenommen werden – und die gesundheitliche Beschwerden mit sich bringen können.
Unerklärliche Geräusche und Vibration: Die Suche nach dem Störfaktor in Langen beginnt
Die Bewohnerin der Rudolf-Breitscheid-Straße gehört genau zu diesen Menschen. Es war im Frühling 2019, als sie in ihrem Haus zum ersten Mal „so etwas wie eine leichte Vibration oder Erschütterung“ wahrgenommen habe. Zunächst fiel es ihr schwer, dieses Ereignis einzuordnen. „Man hinterfragt dann lieber erst mal die eigene Wahrnehmung“, erinnert sie sich. Nachdem ihr mehrere Freunde unabhängig voneinander bestätigten, dass ihre Wahrnehmung nicht verkehrt sei, begann sie, sich auf die Suche zu machen.
Mit der Zeit wird klar, dass es sich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt. Eines beschreibt die Frau als „eine Vibration, die durchs Haus geht und sich wie bizzeliger Strom anfühlt“. Das andere schildert sie als „einen Lärm, der sich anhört, als würde zwei Stockwerke unter einem eine Waschmaschine unrund laufen“. Die Vibrationen und die Geräusche, so erzählt es die Anwohnerin, „treten sehr regelmäßig auf, danach kann man die Uhr stellen“. Zusätzlich zu ihrem unsteten Schlaf klagt sie über Kopfschmerzen und Verspannungen, die seit der Entdeckung zu ihren ständigen Begleitern gehören.
Umweltbundesamt im Kreis Offenbach klärt auf: Tieffrequenter Schall ist nicht selten
Nach Erkenntnissen des Umweltbundesamtes kommt es in den vergangenen Jahren in dicht besiedelten Gebieten vermehrt zu Beschwerden rund um das Thema „Geräuschbelastung durch tieffrequenten Schall, insbesondere durch Infraschall im Wohnumfeld“. Als mögliche Verursacher können dabei Luftwärmepumpen, Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerke genauso infrage kommen wie alltägliche Haushaltsgeräte.
In den Jahren 2020 und 2021 lässt der Fachdienst Umwelt Immissionsschutz des Kreises Offenbach in dem Haus in der Rudolf-Breitscheid-Straße Geräusch- und Schwingungsmessungen durchführen. Damit beauftragt ist Tibor Benarik vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG).
Bei seinen Messungen konnte er zwar eine „Auffälligkeit bei einer Frequenz von 50 Hertz“ feststellen. Eine detaillierte Auswertung habe aber gezeigt, dass diese „mindestens zehn Dezibel unter der Hörschwelle liegt.“ Das Ergebnis: Alle gesetzlichen Vorgaben werden eingehalten, sodass es seitens der zuständigen Behörde nicht mehr erforderlich sei, weitere Untersuchungen zu veranlassen.
Langen: Nur selten wird der Grund für die andauernden Geräusche gefunden
Die Anwohnerin bringt fortan zwar noch weitere Quellen als potenzielle Verursacher ins Spiel. Die Stromtrasse der Lkw-Teststrecke an der A5 etwa, ein Energieversorgungswerk für Fernwärme im Viertel oder einen Trafo in der Nähe ihres Hauses. Doch auch hier heißt es auf Nachfrage beim Kreis: „Alle überprüften Möglichkeiten wurden als Verursacher ausgeschlossen, da kein Zusammenhang mit dem Störgeräusch festgestellt werden konnte.“ Auch lägen aus dem Gebiet keine weiteren Beschwerden vor. Darüber hinaus zeigten Erfahrungen aus anderen Kreisen und Kommunen, „dass bei entsprechend verhältnismäßig geringen Geräuscheinwirkungen nur bei einem äußerst geringen Prozentsatz ein Verursacher ermittelt werden kann.“
Unterschiedliche Wahrnehmung
Die Wahrnehmung von Geräuschen unterscheidet sich beim Menschen je nach Tonhöhe (Frequenz in Hertz), Lautstärke (Schallpegel in Dezibel) und der individuellen Hörschwelle. Gehört werden können Geräusche allgemein in einem Höhenbereich von etwa 20 bis 20 000 Hertz und in einem Lautstärkebereich von der sogenannten Hör- bis zu Schmerzschwelle.
Als tieffrequenter Schall gilt der Anteil von Geräuschen, der eine Frequenz von weniger als 90 Hz aufweist. Der tieffrequente Schall ist energiereicher und langwelliger als der übrige Hörschall. Im niedrigen Frequenzbereich wird er erst bei höherer Lautstärke und dann zumeist nur noch als „Brummen“ wahrgenommen. (jsc)
Betroffenen ähnlicher Störungen rät der Kreis zunächst zu beobachten, ob entsprechende Geräusche über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, ob diese wiederkehren und darüber Protokoll zu führen. Auch sollte ausgeschlossen werden, „dass die Ursache im eigenen Umfeld liegt – etwa indem die Betroffenen vorhandene Elektrogeräte nach und nach vom Strom trennen.“
Langen: Anwohnerin aus dem Kreis Offenbach sucht weitere Betroffene
Denn entsprechende Geräusche könnten nicht nur von den Geräten selbst ausgehen, „sondern unter anderem auch dadurch bedingt sein, dass sie zu nah an Wänden oder anderen Gegenständen stehen.“ Schaffen all diese Maßnahmen keine Abhilfe, können sich Betroffene noch immer „an den Immissionsschutz wenden und gemeinsam über individuelle Schritte beraten“.
Da dieser Weg im Falle der Bewohnerin der Rudolf-Breitscheid-Straße zu keinem Erfolg führte, sucht sie nun nach weiteren Betroffenen. Kontakt: erschuetterung.langen@web.de. (Joel Schmidt)
Zu Beschwerden wegen störender Geräusche kommt es im Kreis Offenbach immer wieder. Erst kürzlich beklagten sich Anwohner wegen einer Klimaanlage in Offenbach, die ihnen den Schlaf raubt.