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Ein Job für Leute mit langem Atem

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Von: Holger Borchard

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Inga Bremer im Kreise der Jury, die ihr unlängst den Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks zuerkannte.
Inga Bremer im Kreise der Jury, die ihr unlängst den Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks zuerkannte. © p

Langen - Vor Jahren zog Inga Bremer von Langen aus in die „weite Welt“, um Filmemacherin zu werden. Heute ist sie 34, hat sich ihren Berufstraum erfüllt – und ist vor Kurzem ein weiteres Mal mit einem Preis geehrt worden.

Der Bayerische Rundfunk hat Bremer für die Dokumentation „Francos Erbe – Gestohlene Leben“ mit seinem Fernsehpreis ausgezeichnet. Dieser ist mit 2000 Euro Preisgeld sowie 10.000 Euro für die weitere Recherche dotiert. Die Redaktion sprach mit der Preisträgerin über Werdegang, Ziele und das Dasein als Filmemacherin.

Frau Bremer, was bedeutet Ihnen die BR-Auszeichnung, übrigens nicht Ihre erste...?

Ich freue mich sehr über den Preis, weil er zeigt, dass meine Arbeit verstanden wird und dass noch mehr Menschen an diesen, meinen Film glauben. In der Tat ist es nicht mein erster Preis. Mein Film „Perfekte Mädchen“ wurde in China mit dem Golden Panda ausgezeichnet und war auf zahlreichen Filmfestivals nominiert. Und bereits 2010 war mein Film im dritten Studienjahr „Goodbye Kutti“ für den Deutschen Menschenrechtsfilmpreis nominiert. Ja, solche Bestätigungen braucht es in einem solchen Beruf immer wieder, der leider zu oft von Absagen und Zweifeln geprägt ist. In der Presse sieht man meist nur glückliche Preisträger, was dem Publikum ein Bild vermittelt, dass der Realität nicht entspricht. Um Erfolge zu erzielen muss man einen steinigen Weg gehen, viel arbeiten und man hat wenig Privatleben. Dazu braucht man einen sehr langen Atem.

Was ermöglicht Ihnen der Preis kraft der finanziellen Dotierung beruflich?

Die Auszeichnung und das damit verbundene Recherchegeld bedeuten für mich , dass ich in den nächsten Monaten in Ruhe arbeiten kann, um das Treatment zur Produktionsreife zu entwickeln. Das ist ein ziemlicher Segen, da man als Filmemacher selten die Möglichkeit hat, wirklich mit Recherchegeld arbeiten zu können. Sehr häufig, wenn nicht sogar meistens, geht man in Vorleistung. Und das ist eine zermürbende Doppelbelastung.

Wieso haben Sie sich Spanien und die Franco-Zeit ausgesucht?

Das Thema habe ich schon einige Jahre mit mir herumgetragen. Im deutschen Fernsehen ist es relativ schwierig, „ausländische“ Stoffe unterzubringen. Der Doku-Preis des BR forderte ganz speziell auf, internationale Themen einzureichen. Das war die Gelegenheit für mich, dieses Thema anzupacken. Es ist schon verwunderlich, dass eine ganze Gesellschaft und vor allem die Regierung die eigene faschistische Vergangenheit derart tabuisiert, wie es in Spanien mit der Franco-Ära passiert. Ich finde, es ist enorm wichtig, dass den Opfern dieses Regimes endlich eine Stimme gegeben wird.

Welche Projekte haben Sie als nächste auf dem Schirm oder vielleicht schon begonnen?

Ich habe einiges in der Pipeline, manches habe ich bereits vor Jahren konzipiert. Einiges ist unfertig, für anderes konnte ich bislang keine Förderung bekommen. Als nächstes werde ich wohl ein Spielfilmprojekt, diesmal eine Komödie, angehen.

Wie wird man denn nun eigentlich Filmemacherin?

Das ist eine sehr gute Frage! Als wir Kinder waren, sind meine Eltern sehr oft mit uns ins Theater und ins Kino gegangen. Mein Vater kommt auch aus der Medienbranche und hat uns schon früh mit sehr guten Filmen versorgt und mein Sehverhalten maßgeblich beeinflusst. Als Kind stand ich in der Frankfurter Oper in verschiedenen Produktionen auf der Bühne, als Teenager war ich Mitglied verschiedener Theatergruppen und wollte Schauspielerin werden. Mit 14 sah ich den Film „Reality Bites“, in dem Winona Ryder eine junge Dokumentarfilmerin spielt. Das hat mich ziemlich fasziniert – ich wünschte mir und bekam meine erste eigene Videokamera, mit der ich dann eine Zeitlang wirklich alles gefilmt habe. Nach dem Abi ging ich auf eine Schauspielschule – das war wie eine Rückversicherung, dass Schauspiel nicht mein Ding ist. Ich war vielmehr daran interessiert, meine eigenen Geschichten zu erzählen. Einige Monate und Praktika später entschied ich mich für die Filmhochschule und den Dokumentarfilm. Ich studierte an der Filmakademie Baden-Württemberg und an der Internationalen Filmhochschule EICTV in Kuba.

Wo sehen Sie Ihre persönlichen Schwerpunkte?

Im dokumentarischen Arbeiten. Vor allem im Entwickeln und Regie führen. Ich arbeite auch als Produzentin für andere Regisseure. Das ist eine sehr befruchtende Arbeit, weil man viel voneinander lernen kann.

Sind Sie arbeitsmäßig dann eher Einzelgängerin oder ist das Ganze nur als „Teamsport“ zu stemmen?

In der ersten Entwicklungsphase bin ich meistens erst mal sehr lange alleine. Dann fange ich an, meine Stoffe mit Kollegen zu besprechen. Und ab der Pre-Production ist man dann im Team. Also auch beim Dreh und danach, der Austausch mit dem Team ist sehr sehr wichtig. Das ist ein sehr vielseitiger Beruf, der es sowohl erfordert, eigenbrötlerisch als auch teamfähig zu sein. In unserer Produktionsfirma „Soilfilms“ sind wir vier Filmemacherinnen – ein Kreativkollektiv.

Wie findet man seine Themen – oder finden die Themen Sie?

Ich finde meine Themen, indem ich versuche, sehr offen durch die Welt zu gehen und alles lese, was mir in die Finger kommt. Es gibt sicherlich auch Auftragsarbeiten, ja. Aber hier muss man zwischen Auftragsarbeiten – szenisch und dokumentarisch – und Autorenfilmen unterscheiden. Die meisten Dokumentarfilme, die man sieht, sind tatsächlich Autorenfilme. Sie zeichnen sich durch eine starke Handschrift und Haltung des Filmemachers aus; diese Arbeiten sind in der Regel keine Auftragsarbeiten. 

Fernsehpreis: Glamour, Preisträger und kein Otto

(hob)

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