Für Autismus-Betroffene viel bewegt

Irmgard Döringer hört nach 37 Jahren beim Autismus-Therapieinstitut Langen der Behindertenhilfe Offenbach auf. Nach jahrzehntelangem Einsatz für Menschen im Autismus-Spektrum verabschiedet sie sich in den wohlverdienten Ruhestand. In den vergangenen 20 Jahren leitete Döringer das Therapieinstitut Langen, das in dieser Zeit stark gewachsen ist.
Langen – Mittlerweile werden in neun Regionalstellen mehr als 1 000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Autismus betreut. Ihre Tätigkeit beim Autismus-Therapieinstitut in Langen begann Irmgard Döringer nach zweijähriger Honorartätigkeit im Jahr 1988 als Therapeutin. Zunächst erarbeitete sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen Ansätze für die Autismus-Therapien. „An der Uni habe ich nichts von Autismus gehört, auch die Ausbildung zur Autismus-Therapeutin gab es damals nicht. Als Team suchten wir nach sinnvollen Vorgehensweisen und Methoden aus anderen Fachgebieten, die wir auf die Autismus-Therapie anpassten“, erzählt sie.
Der Fokus sei stets gewesen, Menschen mit Autismus nicht zu dressieren, sondern „zugewandt in Beziehung zu ihnen zu treten und die eigenen Ressourcen zu stärken“. Ein Ansatz, der auch rückblickend sehr wirksam und hilfreich für die Klientinnen und Klienten war und der bis heute die Arbeit des Autismus-Therapieinstituts Langen prägt.
Auch überregional übernahm Döringer eine Vorreiterrolle in der deutschen Autismuslandschaft. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen rief sie viele wichtige Projekte ins Leben, initiierte beispielsweise Netzwerke und trug zur Entwicklung des Qualitätsstandards „Zertifizierter Autismus-Therapeut (ZAT)“ bei. „Irmgard Döringer ist eine Koryphäe in der deutschen Landschaft der Autismus-Therapie“, sagt Peter Panthöfer, Fachbereichsleiter Ambulante und Frühe Hilfen der Behindertenhilfe Offenbach. „Auch dank ihres Engagements fand in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme fachliche Weiterentwicklung statt.“
Autismus in Gesellschaft und Medizin bekannter
In der Gesellschaft nimmt Irmgard Döringer ebenfalls bedeutende Veränderungen wahr: Zum einen werden mittlerweile ein bis zwei Prozent aller Menschen mit Autismus diagnostiziert, während es vor einigen Jahrzehnten noch 0,02 Prozent waren. Das liegt zum einen daran, erklärt Irmgard Döringer, dass Autismus bei Ärzten bekannter ist und heute mehr Diagnosen gestellt und insbesondere in der Früherkennung häufiger bei kleinen Kindern Formen von Autismus erkannt werden. Zum anderen ist das Thema Autismus mittlerweile ganz anders in der Gesellschaft präsent, findet die langjährige Leiterin des Langener Therapieinstituts. „Früher wussten selbst Fachkräfte aus anderen Bereichen nicht immer, was Autismus ist oder hatten ganz schräge Vorstellungen davon“, erzählt Döringer. „Heute sind Menschen im Autismus-Spektrum durch Filme, Bücher und Dokumentationen viel sichtbarer und fast jeder hat zumindest ein Bild von Autismus im Kopf.“ Dieses Bild sei allerdings häufig geprägt durch einseitige Vorurteile. „Menschen mit Autismus sind so verschieden, haben vielfältige Ressourcen und unterschiedliche Schwierigkeiten. Ich wünsche mir, dass sie erst einmal als Menschen gesehen werden und nicht direkt hinter Vorurteilen mit ihrer Individualität verloren gehen.“
Wenn es gelinge, die Gesellschaft und insbesondere Kitas, Schulen und Arbeitgeber für das Thema zu sensibilisieren, dann sei schon viel gewonnen, glaubt Döringer. Aus diesem Grund bietet das Autismus-Therapieinstitut viele Fortbildungen für Fachkräfte und auch zugeschnittene Inhouse-Schulungen an. Als Referentin für Fortbildungen wird sie dem Autismus-Therapieinstitut auch im Ruhestand erhalten bleiben – denn es verbindet sie weiterhin viel mit dem Thema, mit den Kollegen und dem Institut selbst: „Wenn ich zurückblicke, dann bin ich sehr zufrieden mit meiner Zeit im Autismus-Therapieinstitut. Es hat sich in dieser Zeit fachlich und insgesamt immer weiterentwickelt und auch für mich persönlich war es immer spannend, neue Aufgaben und Herausforderungen anzugehen“, resümiert Döringer. (jrd)