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Langens Fußflüsterer aus Leidenschaft

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In der Werkstatt im Dachgeschoss steht der 54-jährige Uwe Damm auch selbst gerne noch an der Maschine und verpasst den Einlagen ihren letzten Schliff.
In der Werkstatt im Dachgeschoss steht der 54-jährige Uwe Damm auch selbst gerne noch an der Maschine und verpasst den Einlagen ihren letzten Schliff. © Strohfeldt

Sogar von weit her kommen Kunden zu Uwe Damm nach Langen. Seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert betreibt der gebürtige Leipziger nun schon seinen Laden für fußorthopädische Technik und Schuhhandwerk in der oberen Bahnstraße. Er erklärt, wieso es das Handwerk gerade so schwer hat und warum er fast in einer ganz anderen Branche gelandet wäre.

Langen – Wie viele Füße er in den vergangenen 25 Jahren zu Gesicht bekommen hat? Uwe Damm schweigt. Der sonst um keine Antwort verlegene Experte für Fußgesundheit überlegt. Im Kopf überschlägt er die Zahl seiner Kunden. Dann sagt er: „So 50 000. Grob geschätzt.“

Zu Beginn sei es noch eine reine Reparatur gewesen, irgendwann gesellte sich der orthopädische Part dazu – „doch erst der Schuhverkauf hat den Erfolg gebracht“, erinnert sich der 54-Jährige.

Und der scheint ihm recht zu geben. Schließlich kann er sich nicht nur auf die treue Stammkundschaft aus der gesamten Region verlassen. Besucherinnen und Besucher seien auch schon aus Saudi-Arabien oder Peru gekommen, um bei ihm bequeme Schuhe zu kaufen. Ob er eine Erklärung dafür hat? „Nein, überhaupt nicht“, entgegnet er gut gelaunt. Vermutlich habe sich mit der Zeit einfach rumgesprochen, dass sein Name und sein Geschäft für Qualität und gutes Handwerk stehen.

Mit 22 Jahren nach dem Mauerfall in Langen

Dabei hätte auch alles ganz anders kommen können. Kurz nachdem die Mauer fiel, verschlug es den damals 22-Jährigen nach Hessen. Wäre es nach dem Willen des Arbeitsamtes gegangen, hätte er einfach beim Automobilzulieferer Continental angeheuert. Doch das wollte Uwe Damm nicht. „Da hab ich gesagt: Nö, ich will Schuhmacher sein.“ Und das ist er. Seit mittlerweile 38 Jahren.

Zwar ändere sich die Schuhmode von Saison zu Saison. Jede bringe ihre eigenen Vor- und Nachteile mit sich. Die Beschwerden der Menschen aber „bleiben eigentlich gleich“, sagt Damm. Wenig Verständnis kann er für Trends wie Barfußlaufen aufbringen. „Wir sind zivilisierte Menschen. Selbst der Ötzi hatte Schuhe an, als er vor über 5 000 Jahren starb“, echauffiert sich der Sachse mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Was er damit meint: „Unsere Füße brauchen einfach einen Schutz, wenn wir immer auf so hartem Boden laufen.“

Größte Herausforderung ist die Bürokratie

Fragt man Uwe Damm nach der größten Herausforderung seiner Arbeit, kommt als Antwort nicht etwa die Geschichte einer besonders seltenen Fußfehlstellung, die er orthopädisch auszugleichen versuchte. Stattdessen spricht er von der lähmenden Bürokratie, mit der er jeden Tag aufs Neue zu kämpfen hat. Von Qualitätsmanagement ist da genauso die Rede wie von regelmäßig zu erbringenden Nachweisen, dass er die richtigen Werkzeuge benutze. Die meiste Arbeit bereiteten aber die Kostenvoranschläge für die Krankenkassen. „Früher gab es noch eine einheitliche Preisliste zur Orientierung“, erzählt Damm. Heute könne jede Kasse ein eigenes Angebot anfordern. „Das schick ich per Fax hin, bekomm es irgendwann per Brief zurück und dann ist auch noch ein Fehler drin – und alles geht von vorne los“, ärgert er sich über den Mehraufwand. Seiner Leidenschaft für die „Arbeit mit Menschen und am Menschen“, wie er seine Tätigkeit nennt, tut aber auch das keinen Abbruch.

Gehen seine Pläne auf, dann winkt ihm in etwa 13 Jahren der Ruhestand. „Als Handwerker wünscht man sich da natürlich einen Nachfolger“, sagt Damm. Doch Zuversicht strahlt er dabei keine aus. Den letzten Azubi habe er vor etwa vier Jahren ausgebildet, seitdem herrscht Flaute. „Aber das ist überall im Handwerk so“, seufzt er. Die Folge: „Der Bäcker an der Ecke verschwindet irgendwann genauso wie der Metzger oder eben der Schuhmacher.“ Seine Prognose: „Wenn es uns eines Tages nicht mehr gibt, dann sind die Innenstädte leer.“ Sein Appell, um dem vielerorts zu beobachtendem Phänomen der Verödung zu begegnen: „Unterstützt die kleinen Handwerksbetriebe – damit helft ihr der Nachbarschaft und tragt zur Lebendigkeit der Stadt bei.“

Von Joel Schmidt

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