1. Startseite
  2. Region
  3. Langen

Historische Dokumente entschlüsseln beim Sütterlin-Kurs in Langen

Erstellt:

Kommentare

Schriftexperte: Dr. Jascha-Alexander Koch gibt in den Kursen des Stenografenvereins sein Wissen weiter.
Schriftexperte: Dr. Jascha-Alexander Koch gibt in den Kursen des Stenografenvereins sein Wissen weiter. © Kegler

Wir haben in Langen einen Sütterlin-Kurs von VHS und Stenografenverein besucht. Manche Teilnehmer haben alte Textdokumente ihrer Familien dabei, die teils spannende Geschichten bergen.

Langen – Besonders schön geschwungene, dekorative und technisch aufwendige Buchstaben sind ein Markenzeichen der Sütterlinschrift. Als eine der speziellen Formen der deutschen Kurrentschrift hielt sie Anfang des 20. Jahrhunderts Einzug in den preußischen Schulunterricht und wurde später als Deutsche Volksschrift, Ausgangs- oder Normalschrift auch Teil der deutschen Lehre.

Heidy Ritter gehört zu den glücklichen Menschen, die im eigenen Schulunterricht nach der normalen Druckschrift Sütterlin als Schönschrift lernen durften. Doch diese Zeit liegt lange zurück. Die gebürtige Tschechoslowakin erinnert sich dennoch gut an die 1940er Jahre zurück: „In der dritten Klasse stand auf dem Stundenplan das Erlernen der Sütterlinschrift. Danach habe ich sie aber nie mehr gebraucht und mittlerweile schlicht verlernt.“ Nun erfährt sie aber in unserer Zeitung von dem Sütterlin-Kurs des Langener Stenografenvereins und ergreift die Chance, eine Reise in ihre Kindheit zu unternehmen und dem Rätsel der Buchstaben auf den Grund zu gehen. Alte Schulhefte hat sie nach vielen Umzügen leider nicht mehr. „Dennoch fühlt es sich schon ein bisschen so an, als wäre ich wieder ein Schulkind“, berichtet sie.

Einen großen Stapel alter Dokumente hat jedoch Michael Seidel zu Hause stehen und möchte nun die Botschaften entschlüsseln: „Mein Großvater hat mir einen Haufen seiner Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg vererbt, die Geschichte hinter ihnen ist aber unbekannt. Dabei könnten die 300 Feldbriefe helfen, die bei den Bildern dabei waren.“ Bisher habe er jedoch vergeblich probiert, die Briefe entschlüsseln zu lassen – sind sie doch in einer anderen Schrift, vermutlich Sütterlin, geschrieben. Also kam Seidel zu dem Entschluss, selber Hand anlegen zu müssen und das Lesen von Sütterlin zu lernen. „Gerade wegen des persönlichen Bezuges wäre das für mich sehr interessant. Vielleicht sind die Botschaften ja historisch bedeutend“, meint er.

Kursteilnehmerin Heidy Ritter fühlt sich beim Schreiben in ihre Kindheit versetzt. Sie lernte Sütterlin Ende der 40er Jahre noch in der Schule.
Kursteilnehmerin Heidy Ritter fühlt sich beim Schreiben in ihre Kindheit versetzt. Sie lernte Sütterlin Ende der 40er Jahre noch in der Schule. © Kegler

Dass oft familiäre Hintergründe oder Rätsel der Ursprung für eine Teilnahme an einem Sütterlin-Kurs sind, weiß Dr. Jascha-Alexander Koch. Der Dozent aus Langen lehrt seit mehreren Jahren das Lesen und Schreiben der Sütterlinschrift im hiesigen Stenografenverein und leitete am Wochenende den ersten Kurs seit Beginn der Pandemie.

„Der Zuspruch war von Anfang an so groß, dass direkt ein zweiter Kurs angeboten werden musste. Insgesamt konnten so 14 Interessierte die alte Schrift kennenlernen“, freut er sich. Nach einer ersten Einführung in einzelne Buchstaben geht es anschließend an das erste Üben des Schreibens von einzelnen Wörtern und Sätzen. Am zweiten Kurstag wird dann viel gelesen – von stenografischen Beispieltexten aus dem 19. Jahrhundert, bis hin zu echten Tagebucheinträgen aus dem Jahr 1939. Natürlich läuft aber auch da noch nicht alles ganz rund. „Wenn Wörter sehr unordentlich geschrieben wurden, können die Buchstaben ineinander übergehen und sind dann nicht mehr unterscheidbar“, erklärt Koch. Dann fallen von den Teilnehmenden auch mal Sprüche wie „Das ist ja der Buchstabe, den man nie lesen kann!“ oder „Man fühlt sich ja fast wie in der ersten Klasse!“.

Heidy Ritter möchte sich in Zukunft näher mit der Sütterlinschrift beschäftigen und geht jetzt, nachdem sie keine eigenen Dokumente aus alten Zeiten mehr hat, auf die Suche, Texte in Sütterlinschrift zu beschaffen und die Rätsel hinter ihnen zu entschlüsseln. (Moritz Kegler)

Wer nun Lust bekommen hat, kann sich auf der Homepage des Langener Stenografenvereins informieren.

Auch interessant

Kommentare